Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Eine Kirche ist keine Kletterwand“
Novum: Polizei erwischt zwei „Münster-Kletterer“auf frischer Tat – Dekan will Bestrafung
ULM - Am Sonntagmorgen hat sich in Ulm nahezu Historisches ereignet: Wohl das erste Mal sind MünsterKletterer, sogenannte „Roofer“, die den höchsten Kirchturm über die Außenmauer und ohne Sicherung „bestiegen“haben, auf frischer Tat ertappt worden. Ein Zeuge, der die beiden jungen Männer (20 und 22 Jahre) bei deren lebensgefährlicher Tour erspähte, alarmierte die Polizei. Münster-Dekan Ernst-Wilhelm Gohl hofft jetzt, dass die Kletterer angemessen bestraft werden.
Die meisten Menschen schlafen am Sonntag aus. Zwei junge Erwachsene aus dem EU-Ausland jedoch nahmen sich gegen 7 Uhr an diesem Sonntag den höchsten Kirchturm der Welt vor (aktuell wegen Sanierungsarbeiten geschlossen). Ohne Sicherung kletterten der 20- und 22-Jährige an der Außenfassade des Münsterturms (161,53 Meter) hoch. Doch sie wurden entdeckt, ein Zeuge alarmierte die Polizei, die die beiden „Roofer“nach ihrem Abstieg dann auch schon erwartete.
Die Kletterer wurden noch an Ort und Stelle vorläufig festgenommen. Außerdem beschlagnahmten die Beamten die „mobilen Geräte“der beiden Adrenalin-Junkies. Im Schlepptau hätten diese laut Polizei noch eine Drohne gehabt, die das waghalsige Vorhaben wohl dokumentieren sollte. Im Falle eines Absturzes vom Münsterturm hätte die Drohne die letzten Bilder der lebendigen „Roofer“festgehalten.
Münsterdekan Ernst-Wilhelm Gohl zeigte sich über die Aktion entsetzt. Es ist nicht das erste Mal, dass Kletterer den Turm des evangelischen Ulmer Gotteshauses wegen eines „Kicks“missbrauchen. Extrem gefährlich sei dies, sagt Gohl und berichtet (vom Hörensagen) von einem „Roofer“, der vor wenigen Jahren ebenfalls den Münsterturm hinaufgeklettert sei, und nun, so Gohl, offenbar in Wien ums Leben kam. Der Kletterer
soll bei einer neuerlichen Aktion von einem Schornstein gestürzt sein.
Immerhin: Die Kletter-Tour in Ulm ging glimpflich aus. Wie alle anderen zurückliegenden „Roofing“Aktionen am Münster in der Vergangenheit auch (zuletzt 2016, 2019, 2020). Ernst-Wilhelm Gohl weiß zumindest nicht, dass einer der naiven Klettermaxe in Ulm irgendwann einmal Schaden genommen, sich verletzt hätte oder gar ums Leben gekommen sei.
Trotzdem: Um ein Kavaliersdelikt handele es sich beim „Roofing“am Münster nicht. Auch wenn die Täter laut Gohl „super Kletterer“mit „riesen Energie“seien und unbeschadet wieder vom Turm steigen. Laut Gohl gehe von den im Netz verbreiteten Kletter-Videos allein deshalb eine Gefahr aus, weil sie Menschen, meist junge Erwachsene oder Jugendliche, zum Nachahmen anstacheln. Am Münster gebe es solche Szenen leider immer wieder.
Auch die Polizei warnte am Montag. Beim „Roofing“gelte: Je höher, desto größer der Nervenkitzel und je faszinierender die Aufnahmen, umso mehr Likes und Klicks gebe es in den Sozialen Medien. Dieses Verhalten sei aber „extrem gefährlich“, denn immer wieder sterben Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Sturz zu überleben sei gering, ein „Rooftopper“falle fast immer ungebremst auf den Boden.
Auf Milde seitens der MünsterGemeinde dürfen die beiden sonntäglichen „Roofer“nicht hoffen. Sauer ist Gohl auch, weil „Roofing“am Münster schlicht „respektlos“sei. „Eine Kirche ist keine Kletterwand.“
Dass es wohl erstmals gelungen ist, Münster-Kletterer auf frischer Tat zu erwischen, freut den Dekan. Er hofft, dass die beiden angemessen bestraft werden und dies abschreckende Wirkung in der Szene entfaltet. Die beiden müssen sich wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung verantworten. Nachdem sie eine Sicherheitsleistung bezahlt hatten, kamen die Kletterer wieder auf freien Fuß.
Das Münster selbst ist zwar gesichert gegen Laien, die es von außen erklimmen wollen. Ambitionierte Profis wie „Roofer“könnten die angebrachten Barrieren allerdings nicht aufhalten. Rund 1500 Euro groß sei der Schaden, den die „Roofer“am Sonntag verursacht haben, so Dekan Gohl. Sie hätten Zäune aufgespreizt und eine Dachrinne verbogen.