Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Grüne besichtigen renaturierte Kiesgruben
Die Landesvorsitzende und Bundestagskandidatin kamen dafür nach Maselheim
MASELHEIM/BALTRINGEN - Sind Natur- und Landschaftsschutz mit dem Kiesabbau in der Region vereinbar? Und falls ja, wie gelingt das? Die Grünen-Landesvorsitzende Sandra Detzer und Grünen-Bundestagskandidatin Anja Reinalter haben sich davon am Dienstag einen Eindruck verschafft. Auf Einladung des Industrieverbands Steine und Erden BW (ISTE) besichtigten sie das Kieswerk der Firma Röhm in Äpfingen/Maselheim und im Anschluss die Ferienhausanlage „Sonnenpark am See“in Baltringen, wo in einer ehemaligen Kiesgrube 37 Ferienhäuser entstehen. Mit dabei war auch der Parteifreund und Bürgermeister von Maselheim, Elmar Braun.
Wegen des Kiesabbaus vor allem im Äpfinger Herrschaftsholz steht dieser bei Abbaugegnern immer wieder in der Kritik. Doch Kies werde als Rohstoff gebraucht, argumentierte der erste grüne Bürgermeister Deutschlands. Zudem würden Flächen, auf denen abgebaut werde, inzwischen massiv renaturiert.
Bei vielen Baustoff-Unternehmen aus der Region stehen die Themen Natur- und Landschaftsschutz seit Jahren auf der Agenda, sagte Alexander Röhm von der gleichnamigen Firma. Dazu werde eng mit Naturschutzverbänden wie dem Nabu zusammengearbeitet.
So entstehen in Kiesgruben ganze Biotope, in denen seltene Amphibien wie die Gelbbauchunke vorkommen, führte der Biologe Jochen Roeder, Referent für Biodiversität und Öffentlichkeitsarbeit beim ISTE, aus. Die Radlader formen dabei die Landschaft so, wie es früher der Flusslauf getan habe – die Nutzung der Fläche sei demnach gerade förderlich für manche Tier- und Pflanzenarten.
Ohne den Kiesabbau stünden an diesen Orten vermutlich landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen, war auch Anja Reinalter überzeugt. Nun gebe es hingegen Möglichkeiten für Blühstreifen, in denen unter anderem Wildbienen, Laufkäfer und Heuschrecken ein Zuhause finden.
„Das sind große Eingriffe in die Natur, das müssen wir nicht kleinreden“, sagte Sandra Detzer. Doch auch sie betonte die positiven Aspekte der Renaturierungsmaßnahmen und die Notwendigkeit, Rohstoffe wie Kies weiterhin abzubauen. Beides stehe gerade in Oberschwaben immer wieder in einem Spannungsfeld
zueinander. Aber es sei auch enorm, was die Baubranche in den vergangenen Jahren für den Naturschutz geleistet habe. Reinalter sah dies ähnlich. Sie plädierte dafür, vor dem Protest von Abbaugegnern nicht die Augen zu verschließen, den Abbau von Kies aber auch nicht radikal abzulehnen. „Man muss gucken: Wo einigen wir uns.“
Roeder wies darauf hin, dass in Deutschland per Gesetz jeder Eingriff in Natur und Landschaft gleichwertig kompensiert werden müsse. Zudem werde die Natur durch Eingriffe nicht zerstört, sondern vielmehr transformiert. Viele neue Arten würden sich auf renaturierten Flächen ansiedeln. Ein Beispiel dafür sei auch die Ferienhausanlage „Sonnenpark am See“. Zwischen den Gemeinden Mietingen und Maselheim entstehen Häuser mit Blick auf eine begrünte Wasserfläche, in der schon viele Tiere leben. In der Nähe gibt es zudem ein aufgeforstetes Waldstück und ein Hirschgehege. Naturnahes
Wohnen in einer ehemaligen Kiesgrube soll auf diese Weise möglich werden, führte Alexander Röhm aus. Bereits jetzt seien alle Häuser am Uferbereich verkauft. Handwerksbetriebe aus der Region fertigen sie aus Holz, Beton und recycelten Rohstoffen, es handele sich also nicht um „reine Betonbauten“.
Detzer nannte das Projekt „toll“, merkte aber trotzdem den hohen Flächenverbrauch an, der durch die Häuser und die damit verbundene Versiegelung entstehe. An sich müssten mehr Mehrgeschosswohnungen zu bezahlbaren Mietpreisen gebaut werden, um damit auch dem Wohnraummangel zu begegnen. Bürgermeister Braun wies in diesem Zusammenhang allerdings auf den wirtschaftlich starken Standort Oberschwaben hin und darauf, dass es wichtig sei, den Bauwünschen der Bürgerinnen und Bürger entgegenzukommen. „Die Leute wollen’s so“, sagte er.