Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Proteste gegen Nato-Hauptquartier
Ulmer Ärzteinitiative ruft zur Demonstration dagegen auf – Festakt zum Start geplant
ULM - Das Ulmer Nato-Hauptquartier meldet in wenigen Tagen seinen Vollbetrieb an und begeht dies mit einer militaristischen Feier. Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihr dafür zugesagtes Kommen zwar abgesagt. Doch der Protest dagegen soll dennoch laut werden.
Die Ulmer Ärzteinitiative ruft zusammen mit „der Initiative gegen das Ulmer Nato-Hauptquartier JSEC“zur Demo auf: Die militärisch geladenen Gäste sollen am Mittwoch, 8. September, vor dem Congress Centrum Ulm mit Friedensfahnen - und ab 9.30 Uhr auch mit Kochtopflärm begrüßt werden.
Das Ulmer Nato-Hauptquartier JSEC (Joint Support and Enabling Command) hat die Aufgabe, große Truppenbewegungen in Europa von Nordafrika bis Grönland und von Spanien bis Osteuropa zu koordinieren und abzusichern. „Das Kommandozentrum wird also bei Aktivierung im Bündnisfall für Truppen- und Materialtransporte
innerhalb Europas zuständig sein und ihren Schutz koordinieren. Aufrüstung und Abschreckung sind nicht der richtige Weg“, teilt die Ulmer Ärzteinitiative mit.
Der Afghanistaneinsatz habe wieder gezeigt: Auf militärische Mittel zu setzen sei kontraproduktiv, sehr teuer und mit viel menschlichem Leid verbunden. Sinnvoller wäre es aus Sicht der Demonstranten auf Dialog, Austausch und zivile Mittel zu setzen. Ein weiteres Argument: Durch das Nato- Hauptquartier werde Ulm im Ernstfall zu einem vorrangigen Angriffsziel.
Aus Sicht der Gruppe bedarf es nur einer geringen Fantasie, wie die Ulmer Wilhelmsburg im militärischen Krisenfall zum Angriffsziel Nummer eins werden kann. Und damit alle Bürger der Region Ulm und Neu-Ulm der Gefahr von potenziellen „Kollateralschäden“ausgesetzt werden würden. Die jüngste „Geiselhaft der Region Ulm und Neu-Ulm“war laut der Ärzteinitiative in den Jahren zwischen 1984 bis 1990, anlässlich der Stationierung von Atomraketen
in Neu-Ulm und in den umliegenden Wäldern.
Im Friedensbetrieb wird das JSEC nach Angeben der Bundeswehr eine multinationale Dienststelle für rund 100 Personen sein, die im Aktivierungsfall auf ungefähr 500 Personen anwächst. Der Stab des JSEC wird in der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne untergebracht sein.
Das Verteidigungsministerium betonte in der jüngsten Vergangenheit immer wieder die Bedeutung des JSEC. Und wird es mit ähnlichen Worten wie bei der Vertragsunterzeichnung auch am Mittwoch tun. „Das neue Kommando JSEC Joint Support and Enabling Command in Ulm zeigt klar, dass wir in der NATO Verantwortung und Führung übernehmen. Deutschland als Drehscheibe im Bündnis leistet seinen Beitrag, damit Operationen im gesamten Bündnisgebiet reibungslos durchgeführt werden können“, wurde Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer zitiert.
Das JSEC sei ein starkes sicherheitspolitisches Signal: Deutschland sei damit bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das JSEC sei wichtig, nicht nur für die Bundesrepublik, so die Ministerin im Mai. Aufgrund seiner geografischen Lage sei Deutschland als Transitland und erweitertes Operationsgebiet von zentraler Bedeutung für die Verteidigung aller europäischen NATO-Partner. "Deutschland ist die Drehscheibe der Allianz in Europa. Das JSEC Joint Support and Enabling Command sichert die militärische Handlungsfähigkeit im gesamten Bündnisgebiet für ein sicheres Europa und eine starke europäische Säule der Nato", sagte sie.
Im Juni 2018 hatte die Nato aufgrund „sich verändernden sicherheitspolitischen Herausforderungen“entschieden, zwei neue Kommandobehörden auf operativer Ebene aufzustellen, dazu gehört auch das JSEC in Ulm. Im Juli 2018 nahm ein Aufbaustab seine Arbeit auf und im September 2019 wurde schließlich die sogenannte Anfangsbefähigung („Initial Operational Capability“) erreicht.