Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Die Autoindustrie ist unsere wichtigste Industrie“
Grünen-Politiker Hofreiter über Verkehrspolitik im ländlichen Raum
im Bundesrat machen, aber uns nicht einfach über Bundesgesetze erheben – etwa bei den völlig verkorksten Ausschreiberegelungen zu Windkraftanlagen. Dadurch ist der Ausbau der Windkraft im Bundesland massiv eingebrochen. Dabei haben die Grünen hier schon sehr viel gemacht, so beim Ladesäulenausbau. Das ist eigentlich eine klassische Bundesaufgabe. Der Autodialog wird seit vielen Jahren intensiv geführt, ebenfalls eine Bundesaufgabe. Leider kann eine Landesregierung falsche Bundesgesetze nicht vollständig ausgleichen. Da liegt der zentrale Hebel für konsequenten Klimaschutz.
Zum Beispiel?
Es muss gelingen, auf klimaneutrale Autos umzusteigen. Das geht nicht ohne eine bundesweit gut ausgebaute und organisierte Ladesäuleninfrastruktur – angefangen beim Irrsinn der unterschiedlichen Bezahlsysteme. Das ist, als würde man an Tankstellen mit verschiedenen Währungen bezahlen müssen. Da frage ich mich, was das Bundesverkehrsministerium jahrelang getrieben hat.
Was würden Sie als Verkehrsminister machen? In Berlin kursiert ein Papier, welches Sie dort sieht.
Ich halte nichts von Personalspekulationen vor Koalitionsverhandlungen. Davon abgesehen müssten wir im Kern zwei Dinge besser machen in der Verkehrspolitik. Wir müssen uns um die Antriebswende kümmern – die Autoindustrie ist unsere wichtigste Industrie und auch in Zukunft werden Millionen Menschen ein Auto brauchen. Da hilft kein Geschwafel
von synthetischen Kraftstoffen, sondern ein effektives Ladesäulennetz. Zum Auto gehören moderne Straßen und ein gut ausgebautes Glasfasernetz, beziehungsweise 5G. Ohne das verschlafen wir den zweiten Megatrend in der Mobilität, das autonome Fahren. Von dem jahrzehntelangen Tiefschlaf in der Bahnpolitik möchte ich gar nicht sprechen. Außerdem müssen wir Landkreise und Länder finanziell so ausstatten, dass sie sich mehr Busverkehr leisten können.
Halten Sie es für umsetzbar, ein solches Ladesäulennetz für viele Millionen Pkw bereitzustellen?
Es kommt auf die Anwendungen an. Im ländlichen Raum ist die E-Mobilität eine große Chance. Viele Menschen haben dort ihr Eigenheim, können sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen, eine Wallbox zum Laden anschließen und einen Speicher in den Keller stellen – so billig fährt man mit keiner anderen Antriebsart.
Wir werden den ländlichen Raum nicht vergessen, sondern in den Fokus rücken. Dort ist die E-Mobilität, richtig gemacht, ein enormer Standortvorteil. Dann können wir die Energie hier ernten und verringern unsere Abhängigkeit von Öl- und Gasexporteuren wie Saudi-Arabien oder Russland. Aktuell finanzieren wir dank der fossilen Brennstoffe unsere geostrategischen Gegner mit Milliarden von Euro, Jahr für Jahr. Lokal erzeugte Energie und großflächige E-Mobilität auf dem Land hingegen würde nicht nur die lokale Kaufkraft und die Autoindustrie stärken, sondern auch das Klima schützen und geostrategische Vorteile mit sich bringen.
Müsste man nicht die Klagerechtsbeteiligung auch von Umweltverbänden einschränken, um solche Großumbauten unserer Strukturen umzusetzen?
Das ist typischer Stumpfpopulismus, da diese Beteiligungen im Europarecht und in der Aarhus-Konvention – sie hat Völkerrechtsstatus – festgelegt sind. Stattdessen könnte man etwa Artenschutzprüfungen beschleunigen, indem man festlegt, dass diese innerhalb einer Vegetationsperiode abgeschlossen sein müssen. Und natürlich mehr Personal in den Behörden anstellen. Die wurden in der Vergangenheit mancherorts regelrecht ausgeblutet.
Ein Noch-Parteikollege von Ihnen, Boris Palmer, treibt den Mobilitätswandel in Tübingen ja geradezu vorbildlich voran.
Boris Palmer macht eine sehr gute Fahrradpolitik. Das ist nicht das, was in der Debatte steht.