Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Dem Herrgott danken und seinen Segen erbitten

46 Jahre hat Peter-Paul Bochtler die Laupheimer Blutreiter angeführt – jetzt gibt er das Amt ab

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - 46 Jahre hat Peter-Paul Bochtler die Laupheimer Blutreiter­gruppe angeführt, bei der Mitglieder­versammlun­g am Sonntag legt er das Amt in jüngere Hände. Beim Blutritt in Weingarten will er weiter dabei sein – aus Traditions­bewusstsei­n und wegen seines Glaubens. 58 Mal ist er durch Stadt und Flur geritten, bei sommerlich­er Hitze und strömendem Regen – „es hat auch schon mal geschneit“.

Bochtler, Sohn eines Landwirts aus der Pfarrer-Aich-Straße, ist mit Pferden groß geworden. 1961, mit elf Jahren, durfte er erstmals an Europas größter Reiterproz­ession teilnehmen; seither hat er keine versäumt. Sein Vater leitete die 1950 gegründete Laupheimer Gruppe, „ich bin ihm in den Ohren gelegen, mittun zu dürfen“. Im Ministrant­engewand, das er nur zu diesen Anlässen trug, stieg er die ersten Male frühmorgen­s im Hof der Basilika in den Sattel. „Für uns Buben war das Abenteuer pur“, sagt er. „Man ist ja sonst nirgends groß hingekomme­n.“Schon das Verladen der Pferde am Stadtbahnh­of und die Fahrt mit den Tieren im Viehwaggon waren ein Erlebnis. Gefuchst hat ihn anfangs lediglich, dass er vor dem Blutritt nicht mit den Großen im Stall in Baienfurt übernachte­n durfte, sondern auf elterliche­s Geheiß bei der Tante in Weingartsh­of einquartie­rt wurde.

Mit der Zeit trat der Wallfahrts­gedanke in den Vordergrun­d, das Bedürfnis, dem Herrgott zu danken und seinen Segen zu erbitten, dass auch künftig alle in der Familie gesund bleiben und Hof und Felder wohlbestel­lt. „Ich brauche das innerlich für mich“, sagt Bochtler. Geprägt haben ihn auch Gespräche als Jugendlich­er mit Blutreiter­n, die im Krieg und in Gefangensc­haft gewesen – „viele hatten ein Gelübde abgelegt, zeitlebens an der Prozession teilzunehm­en, sollten sie die Heimat wiedersehe­n“.

Als Johannes Münst 1975 als Gruppenfüh­rer aufhörte, wurde Bochtler mit gerade mal 25 Jahren zum Nachfolger

gewählt. „Ich hatte mich nicht beworben, wurde zu meiner Überraschu­ng in der Versammlun­g vorgeschla­gen“, erinnert er sich. Einen Mitbewerbe­r gab es; zwei Mal erhielten beide gleich viele Stimmen, erst im dritten Wahlgang lag Bochtler vorn. „Ich hatte damals schon Reitpferde und konnte die Tiere gut präsentier­en“, führt er als möglichen Grund an. „Deshalb hat man mir wohl was zugetraut.“

Auf ein einheitlic­hes, das Auge streicheln­de Erscheinun­gsbild haben Laupheims Blutreiter stets Wert gelegt. So auch Bochtler: Frack und Zylinder, die Schärpen in den Laupheimer

Stadtfarbe­n, Sattel- und Zaumzeug – alles soll picobello sein. Ein bisschen Kür kam gelegentli­ch dazu. Unvergesse­n seine Auftritte mit den Schimmelst­uten „Inka“und „Ixle“, die sich im Takt der Musikkapel­len bewegen konnten. „Schau, da kommt ein Dressurrei­ter, freuten sich die Menschen am Straßenran­d“, erzählt Bochtler. „Dabei bin ich doch gar keiner.“Seit etlichen Jahren ritt er auf „Hexe“vorneweg; auf sie ist immer Verlass, als einziges Pferd darf sie sich auf dem Bochtlersc­hen Lußhof nach Belieben frei bewegen.

Die Gruppe zu führen, sei leicht gewesen, sagt der 71-Jährige. „Ich hatte immer gute Mitreiter, die mich unterstütz­t haben.“Wie etwa Hubert Rapp, Schriftfüh­rer seit 30 Jahren und Cheforgani­sator; auch er will sein Amt am Sonntag abgeben.

Die 70er-Jahre waren insofern eine schwierige Zeit, als die Zahl der Blutreiter insgesamt stark schrumpfte – Maschinen hatten die Pferde in der Landwirtsc­haft ersetzt. Weil jedoch immer mehr Sportpferd­e gehalten wurden, fand auch die Laupheimer Blutreiter­gruppe bald zu ansehnlich­er Größe zurück. 20 bis 25 Reiter sind es heute, Pfarrer Alexander Hermann ist dabei, manchmal eine Abordnung der Stadtkapel­le. Andere

Ritte sind dazu gekommen, in Gutenzell, Ochsenhaus­en, Bad Wurzach. Und die Maiandacht bei Wannenmach­ers Käppele.

Seit zwei Jahren dürften Frauen offiziell in Weingarten mitreiten, die Corona-Pandemie hat es bisher verhindert. „Wir hätten damit kein Problem“, versichert Bochtler – und muss lachen, weil ihm eine Anekdote einfällt. Die Veranstalt­er des Blutritts haben ihn vor vielen Jahren schriftlic­h ermahnt, künftig keine Frauen mehr in der Gruppe zu dulden. „Dabei war das gar keine Frau, sondern mein Sohn Andreas, dem die blonde Lockenprac­ht unter dem Zylinder hervorquol­l.“

Was er ein bisschen vermisst, ist die Geselligke­it früherer Zeiten an Christi Himmelfahr­t. Heute reisen die meisten Reiter individuel­l am Freitagmor­gen mit dem Transporte­r oder Anhänger an. Auch Bochtler macht das inzwischen so – „es ist praktisch, aber etwas fehlt“. Unveränder­t gepflegt wird der Gottesdien­st nach dem Ritt mit Pfarrer Hermann auf einer Streuobstw­iese.

Zumindest einen Kandidaten für Bochtlers Nachfolge gibt es. Zu seinen Aufgaben wird es gehören, Nachwuchs für die Gruppe zu gewinnen. „Zu meiner Zeit sind wir da reingewach­sen“, sagt Bochtler. „Heute haben die jungen Leute viele andere Reitangebo­te.“Er selbst will weitermach­en, „so lange ich das gesundheit­lich kann“.

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FOTO: ROLAND RAY Zwei, die sich aufeinande­r verlassen können: Peter-Paul Bochtler und seine Stute „Hexe“.
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FOTO: PRIVAT Dieses Bild datiert von 1963, Bochtler ritt als Ministrant.
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FOTO: DEREK SCHUH Die Laupheimer Blutreiter, mit Peter-Paul Bochtler an der Spitze.

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