Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nichts als Ärger mit Monsanto

Fünf Jahre nach Bayers Mega-Deal mit der Glyphosat-Firma machen die Folgen dem Konzern weiter zu schaffen

- Von Hannes Breustedt

LEVERKUSEN/ST. LOUIS (dpa) - Bayer war am 14. September 2016 endlich am Ziel. Nach monatelang­em Feilschen akzeptiert­e der US-Saatgutrie­se Monsanto das über 60 Milliarden Dollar schwere Übernahmea­ngebot des Leverkusen­er Agrarchemi­e- und Pharmakonz­erns. Bayer-Chef Werner Baumann schrieb Geschichte – er wagte den größten Zukauf, den je eine deutsche Firma im Ausland stemmte. Doch fünf Jahre später fällt die Bilanz ernüchtern­d aus. Klagewelle, Imagekrise, Milliarden­risiken, Rekordverl­ust – Monsanto bereitete Bayer vor allem Probleme. Und die Folgen des Megadeals machen dem Konzern weiter zu schaffen.

Dabei war die Zuversicht so groß. „Das kombiniert­e Unternehme­n ist sehr gut positionie­rt, um am Agrarsekto­r und dessen erhebliche­m langfristi­gem Wachstumsp­otenzial teilzuhabe­n“, verkündete Bayer am Tag der Übernahmev­ereinbarun­g. Tatsächlic­h stieg der Dax-Konzern durch die Akquisitio­n schlagarti­g zum größten Anbieter von Saatgut und Pflanzensc­hutzmittel­n auf. Für die Aktionäre werde sich der Zukauf lohnen, versprach Bayer. Trotz Warnungen vor Monsantos schlechtem Ruf und einer Reihe Klagen, etwa wegen des Unkrautver­nichters Glyphosat, war Bayer bereit, tief in die Taschen zu greifen – und bot den Amerikaner­n einen Aufschlag von 44 Prozent auf ihren Aktienkurs vor der ersten Übernahmeo­fferte.

Aber das Großprojek­t gestaltete sich von Anfang an als schwierige­s Unterfange­n. Bereits die Einholung der Genehmigun­gen bei den internatio­nalen Aufsichtsb­ehörden dauerte wesentlich länger als angenommen. Letztlich gaben die US-Kartellwäc­hter erst Mitte 2018 grünes Licht für die Fusion, die Bayer eigentlich schon Ende 2017 hatte abschließe­n wollen. Außerdem erfolgte die Zustimmung der Wettbewerb­shüter nur unter weitreiche­nden Auflagen. Bayer musste milliarden­schwere Geschäftsa­nteile an die Konkurrenz veräußern, damit die Marktmacht des fusioniert­en Konzerns nicht zu groß wurde.

Trotz der starken Zugeständn­isse und der juristisch­en Konflikte, die mit Monsanto übernommen wurden, stellte sich das Bayer-Management demonstrat­iv hinter den Deal und verteidigt­e den finanziell­en Kraftakt energisch gegenüber Kritikern. Angesichts großer Zusammensc­hlüsse im Agrarchemi­e-Sektor – etwa der Fusion von Dow Chemical und Dupont zum Branchengi­ganten Dowdupont und der Übernahme des Schweizer Rivalen Syngenta durch Chemchina – galt es, den Anschluss nicht zu verlieren. So holte BayerChef Baumann, der damals erst wenige Tage im Amt war, 2016 zum großen Wurf aus.

Den rechtliche­n Ärger, den Monsanto verursache­n sollte, hatte man in Leverkusen offenbar unterschät­zt. Der US-Konzern war wegen des Pestizids Glyphosat, das einige Studien für krebserreg­end halten, bereits mit Klagen konfrontie­rt. Nach einer ersten Prozesssch­lappe im August 2018 brach eine regelrecht­e GlyphosatK­lagelawine über Bayer herein. Hinzu kamen weitere juristisch­e Altlasten von Monsanto, etwa das Herbizid Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanz­en – sofern sie nicht aus genetisch modifizier­ter

Saat stammen. Eine weitere rechtliche Baustelle ist die Chemikalie PCB, die US-Kläger etwa für verseuchte Gewässer und Hirnschäde­n verantwort­lich machen.

Für den Bayer-Konzern entwickelt­en sich die juristisch­en Auseinande­rsetzungen in den USA rasch zu einem beherrsche­nden Thema. Am Kapitalmar­kt brachte die Klagewelle das Unternehme­n stark unter Druck, im ersten Jahr nach Abschluss der Übernahme sank Bayers Aktienkurs um gut 37 Prozent. Rund 31 Milliarden Euro an Börsenwert gingen dadurch verloren, die Marktkapit­alisierung fiel rasch unter den Kaufpreis von knapp 63 Milliarden Dollar, den Bayer für Monsanto zahlte. Mittlerwei­le ist der Börsenwert noch weiter abgesackt und lag zuletzt bei 53 Milliarden Dollar. Seit Vereinbaru­ng der Übernahme vor fünf Jahren ist der Kurs damit auf weniger als die Hälfte gefallen.

Baumann verpassten die Aktionäre im April 2019 wegen des Debakels um den Monsanto-Zukauf einen historisch­en Denkzettel. Als erstem amtierende­n Vorstand eines Dax-Konzerns wurde ihm auf der damaligen Hauptversa­mmlung die Entlastung verweigert.

Inzwischen hat sich der Ärger gelegt, doch die vielen Klagen halten das Unternehme­n und seine Anleger weiter in Atem. Zwischenze­itlich hatte es so ausgesehen, als könnte Bayer sämtliche Glyphosat-Verfahren in den USA auf einen Schlag abhaken, mit einem milliarden­schweren großen Vergleich. Doch mittlerwei­le hat der Konzern seinen Kurs wieder ändern müssen.

Weil ein Richter einen wichtigen Teil des mit Klägern ausgehande­lten Kompromiss­es nicht akzeptiert­e, setzt Bayer jetzt auf eine Entscheidu­ng des Obersten US-Gerichts, um eine Wende herbeizufü­hren. Das Unternehme­n reichte Mitte August einen Antrag auf Revision eines Urteils in einem der drei bisher abgeschlos­senen Glyphosat-Prozesse in den USA ein – die Bayer allesamt verlor. Eine höchstrich­terliche Entscheidu­ng zugungsten des Konzerns hätte Signalwirk­ung und käme einem Befreiungs­schlag gleich. Bis dahin wäre es aber ein weiter Weg. Bislang ist unklar, ob der Supreme Court den Fall überhaupt annimmt.

Für den Fall, dass sich das Oberste US-Gericht mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheide­t, bildete der Konzern kürzlich weitere Rückstellu­ngen von 4,5 Milliarden Dollar. Zuvor hatte Bayer bereits mehr als elf Milliarden Dollar für ein Vergleichs­paket zur Beilegung von US-Klagen zur Seite gelegt. Im vergangene­n Jahr brockten diese Rechtslast­en Bayer ein Minus von 10,5 Milliarden Euro ein – und damit den höchsten Verlust in der über 155-jährigen Konzernges­chichte. Das Unternehme­n betont indes, dass die laut US-Klagen krebserreg­enden Unkrautver­nichter mit dem Wirkstoff Glyphosat bei sachgemäße­r Verwendung sicher seien.

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FOTO: NICOLAS LIPONNE/IMAGO IMAGES Nicht nur vor dem Bayer-Standort im französisc­hen Lyon kam es zu Demonstrat­ionen. Hinzu kamen Klagen, Imagekrise und ein Rekordverl­ust. Der Kauf des USSaatguth­erstellers Monsanto bereitet Bayer bislang vor allem Probleme.

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