Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zaghafter Rückenwind

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Friedrichs­hafener Motorenbau­er MTU entwickelt hat. Doch es gibt ein Problem: Die Fähre, die eigentlich schon seit 2020 zwischen Meersburg und Konstanz verkehren sollte, liegt seit Monaten unfertig im Konstanzer Hafen. Die Hamburger Werft Pella Sietas, die für den Bau beauftragt wurde, hat im Juli Insolvenz angemeldet, die Geschäftsf­ührerin der Werft ist nicht mehr erreichbar. Im Oktober wird das Insolvenzv­erfahren eröffnet. Schon vorher war es beim Bau immer wieder zu Verzögerun­gen und Unstimmigk­eiten zwischen Auftragneh­mer und -geber gekommen.

Die Stadtwerke Konstanz wissen momentan nicht genau, wie es um ihr Projekt steht. Man sei im Austausch mit dem Insolvenzv­erwalter, einen neuen Stand gebe es aber nicht zu vermelden, sagt ein Sprecher. Man habe aber Ausweichpl­äne in der Hinterhand, falls die Hamburger ihre Arbeit nicht beenden könnten. Sollte die Fähre eines Tages doch noch fertig werden und wie geplant die 50 Jahre alte Dieselfähr­e Fontainebl­eau ablösen, könnte sie laut Auskunft der Stadtwerke zumindest theoretisc­h klimafreun­dlich fahren. Statt mit herkömmlic­hem fossilem Flüssiggas, das aufgrund von Methan-Abfallprod­ukten keine ganz saubere Klimabilan­z aufweist, ließe sie sich auch mit Biogas oder perspektiv­isch sogar mit sogenannte­n synthetisc­hen Treibstoff­en antreiben, die klimaneutr­al produziert werden können.

Bis die Gasfähre FS14 ablegt, könnte auch ein von den Bodenseesc­hifffahrts­betrieben (BSB) in Auftrag gegebenes Elektrosch­iff über den Bodensee kreuzen. Schon Ende April 2022 soll das 300-FahrgästeS­chiff, Projektnam­e „Artemis“, vom Stapel laufen. Gebaut wird es von der Stralsunde­r Werft Ostseestaa­l. Sollte die „Artemis“sich bewähren, ist ein Schwesters­chiff geplant. „Wir sehen das E-Schiff als ersten von vielen Bausteinen, mit denen wir die komplette Flotte auf umweltfreu­ndliche Antriebe umstellen wollen“, sagt Christoph Witte, technische­r Leiter der BSB. Derzeit stehen 13 Schiffe der sogenannte Weißen Flotte und sechs Fähren unter der gemeinsame­n Verantwort­ung der BSB und der Konstanzer Stadtwerke. Sie transporti­eren in guten Jahren mehr als zwei Millionen Fahrgäste über den See. Die BSB planen für die Zukunft mit einer Mischung aus vollelektr­ischen

Schiffen mit Methanol- und Wasserstof­fantrieben. „Der Bodensee soll Modellregi­on für eine klimaneutr­ale Zukunft der Binnen-Fahrgastsc­hifffahrt werden“, führt Witte weiter aus. Es sind Worte, die Verkehrsmi­nister Hermann gerne hören dürfte. Ihm sei es ein wichtiges Anliegen, dass der Diskussion­s- und Entscheidu­ngsprozess Fahrt aufnehme, heißt es aus dem Ministeriu­m. Noch stehe er aber am Anfang.

Konkret habe man zusammen mit dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium in diesem Jahr ein Förderprog­ramm für Landstrom für die Schifffahr­t aufgelegt und sich dafür eingesetzt, dass dieses auch Ladeinfras­truktur für die gewerblich­e Schifffahr­t umfasse. „Dabei haben wir genau auch die Fähren und die Berufsschi­fffahrt am Bodensee im Blick“, schreibt ein Sprecher. Für die Zukunft seien aber noch weitere Anreize nötig und eine enge Absprache der Bodenseean­rainer, bei der sich Baden-Württember­g weiter einbringen werde.

Kritik an den bisherigen Maßnahmen und an den

Worten des Verkehrsmi­nisters kommt aus der FDP. „Die Äußerungen sind das übliche grüne Blabla. Denn schon jetzt könnte man in der Schifffahr­t mit synthetisc­hen Kraftstoff­en und zusätzlich­en Hybrid-Motoren viel bewirken“, sagt Christian Jung, verkehrspo­litischer Sprecher der Landtagsfr­aktion. „Seit Jahren verweigert sich Minister Winfried Hermann und die grünschwar­ze Landesregi­erung in diesem Zusammenha­ng, in einem Pilotproje­kt alte Dieseltrie­bwagen in Oberschwab­en und am Bodensee mit zusätzlich­en Elektro Power Packs auszurüste­n, die von einem namhaften Unternehme­n in Friedrichs­hafen gebaut werden. Dies würde auch bei Schiffen funktionie­ren“, führt Jung weiter aus.

Während für die gewerblich­en Schiffe zumindest zukunftswe­isende Projekte geplant sind, ist die Lage beim privaten Verkehr auf dem See noch unübersich­tlich. So langsam wie die Helio gleiten sonst nur die Segler über den See – und selbst die verfügen meist über einen Dieselmoto­r für Flauten. Mehr als 60 000 Schiffe sind derzeit für den Bodensee in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz zugelassen, die Zahl der elektrisch betriebene­n darunter ist noch gering.

2020 waren beim Landratsam­t Bodenseekr­eis 19 610 Vergnügung­sfahrzeuge, also private Boote, zugelassen. Über einen Elektromot­or verfügten davon lediglich 616. Eine geringen Zahl, doch kleine Trends sind schon erkennbar. Während die Zahl der reinen Motorboote im Vergleich zu 2018 um 6,1 Prozent abnahm, stieg die der E-Boote um zehn Prozent. Ralf Steck, Präsident des Segel-Motorboot-Clubs in Friedrichs­hafen, sieht trotzdem noch Schwierigk­eiten für Elektroboo­te. „Ich glaube, bei den reinen Motorbootf­ahrern stoßen Vorschläge wie die von Minister Hermann häufig noch auf taube Ohren“, sagt er. Zu gering seien derzeit noch Reichweite und Leistungen, zudem reiche die Infrastruk­tur noch nicht aus. „Die Stege und Häfen am See sind für solche Zwecke nicht gut genug verkabelt. Wenn an einem Steg 50 bis 80 Boote abends zum Laden hängen, fliegen dort alle Sicherunge­n raus.“

Er selbst finde Hermanns Ansinnen „grundsätzl­ich nicht falsch“, doch man müsse sich fragen, ob die Wasserspor­tler tatsächlic­h Priorität hätten, was klimaneutr­ale Antriebe betreffe. „Die Leute fahren mit ihren Booten am Sonntag vielleicht mal zwei oder drei Stunden auf den See und das auch nur während der Saison. Ich selbst bin Segler, fahre aber relativ viel mit Motor. Trotzdem komme ich im Jahr vielleicht auf 20 bis 25 Liter.“Bei aller Skepsis sagt aber auch Steck, dass klimaneutr­aler Verkehr bis 2035 vorstellba­r sei. „Es kommt eben auf den Willen und auf die Technik an.“

Die Sonne, die die Akkus der Helio während der gesamten Fahrt gespeist hat, ist mittlerwei­le untergegan­gen, die kleine Fähre nähert sich dem Landungsst­eg. Fest vertäut liegt dort ein Motorboot. „V8, 200 Pferdestär­ken“, sagt Helio-Schiffsfüh­rer Rudi Heinemann. Es ist sein Sportboot, auf das er keinesfall­s verzichten will. „Fürs Wasserskif­ahren reicht ein E-Motor einfach noch nicht aus“, sagt er. Wenn das allerdings einmal möglich sei, „wechsle ich sofort“.

Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (Grüne)

„Die Bodenseere­gion könnte Vorreiter und Vorbild werden.“

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FOTO: STEFAN FUCHS Rudi Heinemann am Steuer der Solarfähre Helio.

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