Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Drinnen Gender-Spott, draußen Protest
Rund 200 Menschen demonstrieren vor der Biberacher Stadthalle gegen AfD-Wahlveranstaltung
BIBERACH - Begleitet von einer Gegendemonstration vor der Biberacher Stadthalle hat die AfD am Mittwochabend eine Wahlkampfveranstaltung abgehalten. Während draußen für ein buntes Biberach demonstriert wurde, gab es in der Halle einen ungeplanten Wechsel auf der Rednerliste.
Geschätzt rund 200 vorwiegend junge Menschen hatten sich bereits eine Stunde vor der AfD-Veranstaltung im Stadtgarten neben der Halle versammelt, um in bunten Klamotten für ein buntes Biberach zu werben. Aufgerufen zur Demo hatten unter anderem Jusos, die Linke, die Grünen, das Bündnis für Demokratie und Toleranz, das OAT (Offenes Antifaschistisches Treffen) sowie der DGB. Mit vor Ort waren auch die Bundestagskandidaten Martin Gerster (SPD) und Rainer Schaaf (Die Linke).
„Worte wie Humanität, Solidarität und Empathie sind für die AfD ein Horror“, sagte Dagmar Rüdenburg vom Interkulturellen Forum für Flüchtlingsarbeit (IFF), die als eine von mehreren Rednerinnen das Wort ergriff. Die AfD drifte immer noch weiter nach rechts ab.
Ein Redner, der sich als Mitglied des OAT vorstellte, sagte, dass der rechtsextreme AfD-„Flügel“sich auch in Baden-Württemberg durchzusetzen beginne. AfD-Politiker wie Alexander Gauland, Björn Höcke und Beatrix von Storch relativierten die Verbrechen der Nazis. „Gegen eine solche Partei muss vorgegangen werden. Ihre Worte und Taten dürfen niemals unkommentiert stehenbleiben“, so der Redner. Die AfD stelle keine Alternative dar, weil ihr Menschenleben egal seien und sie die Wissenschaft leugne. „Gerade hier im oberschwäbischen Ländle verbreiten sich ihre desaströsen Ideologien“, schloss der OAT-Redner.
Als Zeichen für ein buntes Biberach bemalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo die Pflastersteine im Stadtgarten mit bunter Kreide. Anschließend zogen sie durch die Innenstadt bis zum Marktplatz, wo es weitere Redebeiträge geben sollte. Nach Auskunft der Polizei verlief der Protest friedlich.
In der Stadthalle hatten sich zur AfD-Versammlung geschätzt etwa 100 Personen eingefunden. Gleich zu Beginn wurden sie darüber informiert, dass die eigentlich geplante Hauptrednerin, Bundestagsabgeordnete und AfD-Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar, aufgrund einer Autopanne bei Karlsruhe nicht kommen könne. Als Ersatzredner waren die Bundestagskandidaten Stefan Thien (Böblingen) und Matle Kaufmann (Heidelberg) gekommen.
Zunächst ergriff die hiesige Kandidatin Rebecca Weißbrodt, die auf Platz zwölf der AfD-Landesliste steht, das Wort. Sie wolle weniger über das Parteiprogramm als vielmehr über ihre Person erzählen, sagte sie. Dabei berichtete sie zunächst über ihre zwölfjährige Phase als Zeitsoldatin bei der Bundeswehr, unter anderem als Richtschützin auf dem Schützenpanzer Marder. Sollte sie in den Bundestag kommen, würde sie ihre Partei deshalb gern im Verteidigungsausschuss vertreten. Sie wisse aus erster Hand um die Mangelzustände in der Bundeswehr und nannte mehrere Beispiele.
Sie wandte sich auch gegen eine Frauenquote in politischen Gremien und der Wirtschaft. „Wir Frauen bei der AfD brauchen keine Quote, wir überzeugen durch Leistung“, so Weißbrodt. Sie fühle sich durch eine Quote diskriminiert.
Im zweiten, eher polemischen Teil ihrer frei gehaltenen Rede arbeitete sich die AfD-Kandidatin am
Thema Gendern ab. Sie prangerte Universitäten an, die Notenabzug gäben, wenn in schriftlichen Arbeiten nicht gegendert werde. Unter Gelächter des Publikums trug sie ein und denselben Text in mehreren „gegenderten“Varianten vor.
Stefan Thien hielt zu großen Teilen seine Rede aus dem Bundestagswahlkampf 2017, weil, wie er sagte, „die Regierung vier Jahre lang nichts gemacht hat und die Rede deswegen immer noch aktuell ist“. Es folgten bekannte Positionen aus dem AfDWahlprogramm wie mehr Polizei, weniger Einwanderung, einer Rückkehr zur D-Mark sowie einen Austritt aus der EU. Außerdem sprach sich Thien dafür aus, dass die Kanzlerschaft ein und derselben Person auf zwei Wahlperioden begrenzt sein sollte.