Schwäbische Zeitung (Laupheim)
SPD triumphiert in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern
Giffey gewinnt enges Rennen in der Hauptstadt gegen Grüne – Schwesig baut Vorsprung auf AfD und CDU aus
SCHWERIN/BERLIN (AFP/dpa) - Mit einem auf ihre Person zugeschnittenen Wahlkampf hat Manuela Schwesig der SPD in Mecklenburg-Vorpommern zu einem deutlichen Sieg bei der Landtagswahl verholfen und sich selbst zugleich eine zweite Amtszeit als Ministerpräsidentin ermöglicht. Spannender fiel das Ergebnis bei der Wahl in Berlin aus. Hochrechnungen gewann die SPD mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen die Grünen mit Bettina Jarasch. Die frühere Familienministerin Giffey, die sich nach der Aberkennung ihres
Doktortitels aus der Bundespolitik zurückgezogen hatte, erklärte jedoch, weiter gemeinsam mit Grünen und Linken in der Hauptstadt regieren zu wollen. Sie könnte demnach Michael Müller (SPD) im Roten Rathaus beerben, der diesmal für den Bundestag kandidiert hatte.
In den Hochrechnungen von ARD und ZDF lag die SPD, die seit 2016 bereits gemeinsam mit Linken und Grünen regierte, am Abend bei rund 21,8 bis 21,9 Prozent. Die Grünen kamen auf 19,7 bis 19,9 Prozent. Die CDU auf Platz drei bewegte sich mit 17,4 bis 18,3 Prozent im Bereich ihres historisch schlechtesten Ergebnisses von 2016 (17,6 Prozent). Die Linke verlor leicht auf 13,9 bis 14,2 Prozent. Die FDP kam auf 6,9 bis 7,4 Prozent, die AfD halbierte sich fast auf 7,9 bis 8,2 Prozent. Am Ende, so sah es am späten Abend aus, reichte es nicht für den ersten Grünen-Wahlsieg in Berlin. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner hofft trotz des schlechten Ergebnisses auf die Ablösung von Rot-Rot-Grün. Auch die FDP signalisierte ihre Bereitschaft für einen Politikwechsel.
In Mecklenburg-Vorpommern, wo die SPD seit 1998 die Regierungsspitze
stellt, blieb Siegerin Schwesig laut Hochrechnungen mit mehr als 39 Prozent nur knapp hinter dem bislang besten Ergebnis, das Ministerpräsident Harald Ringstorff 2002 mit 40,6 Prozent eingefahren hatte. „Das ist ein wunderbarer Abend für unser Land und für unsere SPD in Mecklenburg-Vorpommern“, so Schwesig. Die CDU mit Spitzenkandidat Michael Sack musste eine Pleite einstecken und landete laut Hochrechnungen bei etwa 14 Prozent hinter der zweitplatzierten AfD, die auf circa 18 Prozent kam. Sack sprach von einem „katastrophalen Ergebnis“.
Seit knapp 20 Jahren gibt es das Speed-Dating. In kürzester Zeit sollen sich neue Beziehungspartner finden, in der Regel wird die Teilnehmerliste auf sieben Personen beschränkt. Charakter und Spontanität werden dann abgefragt, Hobbys sind auch recht wichtig. In der Politik gibt es kein solches Verkupplungsverfahren, auch wenn seit Sonntagabend vier potenzielle Partner auf der Suche nach einem stabilen, belastbaren Verhältnis für die nächsten Jahre sind.
Zwei Männer können Bundeskanzler werden. Sie müssen in den kommenden Wochen mit Charme, Versprechungen und Kompromissfähigkeit ihre möglichen Bräute überzeugen. Liebe ist dabei nicht zwingend gefordert. SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz hat mit seinem Wahlkampf die Sozialdemokraten wieder stark gemacht. Er ist der Wahlgewinner. Er spricht bereits in der dritten Person vom Bundeskanzler Scholz. Armin Laschet, Spitzenmann der Union, hat auf den letzten Tagen vor dem Urnengang mehr Zuspruch erhalten, als noch vor wenigen Wochen die Umfragen für möglich gehalten haben. Dass er aus dem schlechtesten Ergebnis der Schwesterparteien CDU und CSU in der Geschichte der Bundesrepublik dennoch den Anspruch auf den Regierungschef ableitet, nach dieser Klatsche sogar eine „Zukunftskoalition“heraufbeschwört, mutet kühn an, ist aber ein unbestrittener Teil der Spielregeln.
Grüne und Liberale werden nun erst mal Scholz und Laschet kommen lassen. Dabei ist es in wenigen Wochen zweitrangig, ob das jetzige Ergebnis als Enttäuschung bei der Ökopartei wahrgenommen wird. Die grünen Unterhändler werden sich schnell fangen und klare Forderungen stellen. Auch die für ihre Verhältnisse starke FDP weiß, dass sie diesmal nicht schroff die Anbandelversuche zurückweisen darf. Das Spiel kann beginnen etwa in der Art: Gib du mir das Tempolimit, und ich verzichte auf die eine oder andere Steuererhöhung. Oder anders herum.
Optionen gibt es viele. Bei der Debatte über eine Solardach-Pflicht übten sich die Beteiligten der Berliner TV-Runde bereits in beachtlichen Lockerungsübungen. Doch auch eine Überraschung scheint möglich. Grüne und FDP sprechen als allererstes miteinander, sondieren konstruktiv und fordern so die zwei Kandidaten zu erheblichen Zugeständnissen. Um diese einräumen zu können, ist eine Hausmacht notwendig. Wenn Laschet es ernst meint, muss er nach dem Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag greifen.