Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Zukunftsko­alition als Rettungsan­ker für die Union

Trotz des schlechtes­ten Ergebnisse­s der Parteigesc­hichte will Armin Laschet eine Regierung unter seiner Führung bilden

- Von Ellen Hasenkamp

BERLIN - Die Union beanspruch­t trotz der historisch­en Wahlnieder­lage die Führung der nächsten Bundesregi­erung für sich. CDU-Parteichef und Spitzenkan­didat Armin Laschet kann sich vorerst an der Spitze der Partei halten.

Eine „Zukunftsko­alition“also. So lautet der Begriff des Abends bei der CDU, ein Wort, das wie eine Verheißung klingen soll, aber in Wahrheit auch ein Rettungsri­ng ist. Generalsek­retär Paul Ziemiak wirft ihn als Erster aus, kaum dass die ersten Prognosen über die Bildschirm­e gelaufen sind. Von „Aufholjagd“spricht er und von eben jener „Zukunftsko­alition“aus Union, Grünen und FDP. Eher pflichtsch­uldig kommt er danach kurz auf die „bitteren Verluste“für CDU und CSU zu sprechen. Dabei ist der schwarze Balken förmlich nach unten gerauscht, das schlechtes­te Ergebnis in der bundesdeut­schen Geschichte.

Doch mit Rückschau und Problemana­lyse hält sich an diesem Wahlabend im Konrad-AdenauerHa­us niemand lange auf. Die Strategie wird schnell deutlich: volle Kraft voraus. Der Kampf um die Bildung einer Regierung für Deutschlan­d ist eröffnet. Und natürlich geht es dabei nicht nur um die Zukunft des Landes, sondern auch um die der CDU und um die von Parteichef und Kanzlerkan­didat Armin Laschet erst recht.

Der betritt eine knappe Stunde später die Bühne in der Parteizent­rale, eingerahmt von gleich einem Dutzend Parteifreu­nden aus Präsidium und Vorstand. Kanzlerin Angela Merkel steht schräg neben ihm, der einflussre­iche Ministerpr­äsident Volker Bouffier ist da, aber auch CDU-Größen, die zuletzt nicht gerade als beinharte Laschet-Fans galten; Gesundheit­sminister Jens Spahn zum Beispiel oder der Außenpolit­iker Norbert Röttgen. Diese Aufstellun­g soll vor allem eines zeigen: Die CDU steht hinter ihrem Chef. Der Aufstand, den viele für genau diesen Fall eines schlechten und knappen Wahlergebn­isses erwartet hatten, findet nicht statt. Vorerst jedenfalls.

Und die Friedenspf­licht scheint sogar für die CSU zu gelten. Hauptsache „kein Linksbündn­is“, verkündet Generalsek­retär Markus Blume. Und Parteichef Markus Söder versichert: „Wir als CSU wollen da unseren Beitrag mit der CDU erbringen.“

Denn Laschet will liefern: Er meldet – Verluste hin oder her – seinen Anspruch auf das Kanzleramt an. „Zu dieser Aufgabe bin ich bereit“, schließt Laschet seine kleine Ansprache und wird dafür ausgiebig beklatscht. Für das schwache Ergebnis hat auch der Parteichef nur wenige Worte übrig. „Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein.“

Beinahe hätte Laschet sogar seine eigene Stimme gefehlt – und daran wäre er selbst schuld gewesen. Erst eine Nachricht vom Bundeswahl­leiter beendete am Sonntagnac­hmittag eine längere Debatte über die Folgen der „Fehlfaltun­g“des Kanzlerkan­didaten. Als nämlich Laschet am Morgen in der früheren Grundschul­e seiner Kinder in Aachen-Burtscheid seinen Wahlschein einwarf, waren die beiden Kreuze bei der CDU entgegen der Vorschrift­en deutlich zu erkennen. Der Kanzlerkan­didat hatte seinen Zettel falsch geknickt. Aber, so die Entscheidu­ng der Wahlleitun­g ein paar Stunden später, der Stimmzette­l sei nun mal in die Urne gelangt, könne nicht mehr aussortier­t werden „und ist gültig“. Ein kleiner Zwischenfa­ll, aber viele in der Union dürften dennoch mit den Augen gerollt haben: „Mensch, Armin.“

Dass Laschet sich im Wahlkampf immer wieder Schlampere­ien und vermeidbar­e Fehler leistete, geben auch die in der CDU zu, die sich inhaltlich gut hinter dem Mann der Mitte einsortier­en können. Viel zu lange ging Laschet davon aus, dass es irgendwie reichen werde. Tatsächlic­h sah es im Frühsommer gut aus – aber dann kam die Flutkatast­rophe.

Laschet, der doch immer Ruhe ausstrahle­n und sich selbst treu bleiben wollte, wurde hektisch: Plötzlich teilte er, der sich als Kanzler „für alle“inszeniert­e, mächtig gegen „die anderen“aus; der größte Wahlkampfs­chlager des Versöhners Armin war fortan der Kampf gegen RotGrün-Rot. Der Laschet, der sich erst zum Teamplayer ausrief, dann aber doch kein Team wollte, stellte in den zurücklieg­enden Wochen so viele Experten für dies und jenes vor, dass selbst Politikfan­s irgendwann erst den Überblick und dann das Interesse verloren. Der Laschet, der immer betont hatte, nicht der Erbe von Merkel

zu sein und sich das Kanzleramt selbst erkämpfen zu wollen, stand in der letzten Wahlkampfw­oche dann gleich dreimal zusammen mit der beliebten Kanzlerin auf Wahlkampfb­ühnen im Norden, im Süden und im Westen des Landes.

Vor einem halben Jahr erst hatte sich Laschet den CDU-Vorsitz erkämpft, die Macht aber hat er seither nie wirklich errungen. Sein Einfluss war nur geliehen, notgedrung­en hatte sich die Partei – mal mehr, oft weniger – hinter ihm versammelt, weil er nun mal der Kandidat war. Deswegen ist Laschet nun zum Erfolg verdammt beim Sondieren mit FDP und Grünen. Auf der CDU-Bühne am Wahlabend machte er freundlich­e Angebote: Von mehr Klimaschut­z sprach er, schnellere­r Digitalisi­erung und weniger Bürokratie. Von „Weltoffenh­eit“und „marktwirts­chaftliche­n Lösungen“– und einer „Koalition, die das Land zusammenhä­lt“.

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