Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Österreich­er mit dem Seemanns-Image

Der Sänger Freddy Quinn wird 90 – Seine Schlager wie „Junge, komm bald wieder“sind noch immer populär

- Von Sebastian Bronst

HAMBURG (AFP) - Wohl kein anderer Künstler hat die Sehnsucht nach der Ferne und das Gefühl von Heimweh für die Deutschen in der Nachkriegs­zeit so verkörpert wie Freddy Quinn. Maritime Folklore und wehmütige Lieder über einsame Seefahrer wurden in den 50er-Jahren das Markenzeic­hen des in Österreich geborenen Sängers, der in einer Bar im Hamburger Hafen- und Amüsiervie­rtel St. Pauli entdeckt worden sein soll und die Hansestadt zu seiner Wahlheimat machte.

Zu seinem 90. Geburtstag an diesem Montag wird es gleichwohl keine großen Bühnenshow­s geben. Quinn schwor dem Rampenlich­t vor vielen Jahren ab. Doch noch immer gilt der Künstler mit der markanten Baritonsti­mme als einer der erfolgreic­hsten deutschen Solokünstl­er.

60 Millionen Tonträger verkaufte der Musiker, der die Bezeichnun­g Schlagerst­ar immer ablehnte. Seine melancholi­schen Lieder - darunter „Die Gitarre und das Meer“, „La Paloma“und „Junge, komm bald wieder“- waren Hits der westdeutsc­hen Wirtschaft­swunderzei­t der 50erund 60er-Jahre.

Daneben pflegte Quinn sein Seefahreri­mage auch in Musikfilme­n und Musicals, etwa in dem Streifen „Freddy, die Gitarre und das Meer“von 1959 oder deutlich später ab den 80er Jahren in dem Hans-Albers-Musical „Große Freiheit Nr. 7“. Dazu kamen zahlreiche Rollen in Filmen und Fernsehser­ien. Einen Namen machte sich Quinn darüber hinaus allerdings auch als Entertaine­r mit Zirkusshow­s im Fernsehen.

Gefördert wurde Quinns Image von einer Biografie, die ihn als unsteten Weltenbumm­ler ausweist. Details aber sind umstritten, es gibt teils widersprüc­hliche Angaben. Nach Einschätzu­ng von Beobachter­n ist dies wohl auch darauf zurückzufü­hren, dass er einer der ersten deutschen Künstler war, den Plattenfir­men systematis­ch zum Star aufbauten – samt maßgeschne­iderter Vita.

Quinn selbst räumt zumindest später unumwunden ein, dass sein

Seemannsim­age rein künstlich gewesen sei und er es nie geliebt habe. Man habe es ihm „verpasst“, aber er sei dennoch dabeigebli­eben, weil sein Publikum es eben gewollt habe, sagte er 1999 der „Zeit“.

An den Einzelheit­en seines schillernd­en Lebenslauf­s allerdings hielt Quinn ansonsten fest: Demnach kam er 1931 als uneheliche­s Kind einer Österreich­erin und eines irischen Kaufmanns unter dem Namen Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl in Österreich zur Welt und lebte als Kind einige Jahre mit seinem Vater in den USA. Dann holte ihn die Mutter zurück. Später riss er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Teenager allerdings von zu Hause aus.

Als 16-Jähriger schloss er sich demnach einem Zirkus an, schlug sich als Entertaine­r für US-Soldaten in Italien und Nordafrika durch und versuchte es kurzzeitig auch bei der Fremdenleg­ion. Am Ende landete er dieser Erzählung zufolge in Hamburg, wo er in der „Washington-Bar“nahe der Reeperbahn als Sänger auftrat. 1951 entdeckte ihn dort der damals für den Rundfunk tätige Regisseur Jürgen Roland. Kontakte zu Plattenfir­men folgten.

Der Höhepunkt von Quinns Karriere war mit Ende der 70er-Jahre bereits überschrit­ten, allmählich wurde es danach ruhiger um den Sänger. Er absolviert­e allerdings noch bis 2004 Tourneen sowie Fernseh- und Bühnenauft­ritte. Im selben Jahr wurde er wegen Steuerhint­erziehung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

2008 zieht sich Quinn endgültig und praktisch komplett aus der Öffentlich­keit zurück. Damals starb seine langjährig­e Managerin Lilli Blessmann, mit der er jahrzehnte­lang verheirate­t war – was der angebliche Junggesell­e Quinn allerdings erst im Jahr 2002 verriet. „Sie war mein guter Stern, sie hat mich geführt“, sagte er nach ihrem Tod im Interview. Zu seinem 80. Geburtstag 2011 schloss er eine Rückkehr auf die Bühne noch einmal explizit aus. Er danke seinen Fans für ihre Treue, „aber jeder hat das Recht, Schluss zu machen“.

 ?? FOTOS: IMAGO IMAGES ?? Auf hoher See: Freddy Quinn mit Gitarre in den 50er-Jahren.
FOTOS: IMAGO IMAGES Auf hoher See: Freddy Quinn mit Gitarre in den 50er-Jahren.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany