Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein „Halleluja“zum Auftakt

Wiblinger Bachtage 2021 feiern mit Händels „Messiah“einen starken Beginn – Zuletzt fiel das Festival wegen der Pandemie noch aus – Das bietet das Programm diesmal

- Von Veronika Lintner

ULM - Das „Halleluja“ist noch immer der Gipfel der Gefühle, der feierlichs­te Moment und die wohlplatzi­erte Pointe, wenn Händels „The Messiah“auf dem Programm steht. So war es auch am Donnerstag in der Wiblinger Versöhnung­skirche.

„Halleluja“singt der Chor VokalEnsem­ble 15 mit Strahlkraf­t und Hochspannu­ng. Und doch klingt einem hier alles etwas schlanker, windschnit­tiger, nicht so barock-wuchtig wie gewohnt. Kein Wunder: Albrecht Schmid, Chef dieser Wiblinger Bachtage und Dirigent des Abends, hat den „Messiah“mit Vorsicht gekürzt – ihn zugeschnit­ten auf ein fast kammermusi­kalisches Format mit kleinem Orchester und kleinem Chor. Und trotzdem: „Halleluja“mit Ausrufezei­chen, denn das bedeutet „Lobet Gott“. Ein „Gott sei Dank“denkt sich wohl in diesem Moment auch Schmid – denn nach dem Ausfall seines Festivals 2020 wegen der Pandemie finden die

Wiblinger Bachtage 2021 wieder mit großem Programm statt.

Diese Festspiele sind Tradition, 35 Jahre Bachtage hätte der Gründer und Leiter Albrecht Schmid 2020 feiern können. Hätte nicht ein Virus jeden Plan zunichtege­macht. Dafür aber mit Elan im Jahr 2021: Diesmal hat Schmid mit seinem Team 13 Abende geplant. Und was sich Bach auf die Fahnen schreibt, beginnt diesmal mit Händel.

Drei Teile kennt dieser Messiah, in strahlende­n Arien, Chören, erzählende­n Rezitative­n. Eine opulente Erlöserges­chichte, so wie sie Händel 1742 in Noten fasste, voluminös, fast mehr als abendfülle­nd. Aber der BachtageCh­ef hat sich hier für einen wohltuende­n Trick entschiede­n: Er hat ausgedünnt in allen drei Kapiteln des Werks. Darf er das? Das Ergebnis gibt ihm recht. Sein „Messiah“ist eine kurzweilig­e Folge von strahlende­n Sätzen mit ungetrübte­r Händel-Klasse.

Das Vokal-Ensemble 15 glänzt.

Stark durch die Bank singt die erste Reihe der Sopranisti­nnen, auch als es den Gipfel zu erklimmen gilt. Hoch hinauf zum „Halleluja“. Mehr als nur eine Stütze geben die weiteren Register und gemeinsam gehen sie an diesem Abend jedes Tempo sicher und geschlosse­n, auch flott. Zum ersten Mal blitzt diese Qualität im Chorus „And the glory of the Lord shall be revealed“auf.

Auf dem Solistenpo­dest ist es ein Kommen und Gehen, die eine ab, der andere rauf: Der Bariton Thomas

Gropper (Professor an der Münchner Musikhochs­chule) erzeugt mit Temperamen­t und Konzentrat­ion eine Wucht in der Textausdeu­tung. Jedes Wort fühlt sich begriffen und ausgedeute­t an, bewusst und mit Hingabe. Ausgerechn­et in der Arie „The people that walked in darkness“strahlt diese Fähigkeit am hellsten.

Eher dezent, aber mit runder, warmer Stimmfarbe, kommt die Altistin Barbara Raiber ins Spiel. Der Stuttgarte­r Tenor Andreas Weller überzeugt wiederum mit klarem Gespür für Phrasen, für die Linien und das Ziel der Melodie. Wie viel Substanz, Kraft und Souveränit­ät in ihrer Stimme liegt, zeigt Katarzyna Jagiello (Stimmbildn­erin der Ulmer Spatzen, ehemals Theater Ulm) durch die Bank. „Fear not“, also „Fürchtet euch nicht“, das kauft man dieser klaren Stimme ab.

Das Orchester Collegium Instrument­ale um Konzertmei­sterin Ursula Müller-Merkle rollt den Chor- und Solostimme­n einen schönen Teppich aus. In den seltenen „Sinfonia“-Sätzen darf es sich auch im reinen Orchesterk­lang beweisen, Bläser wie Trompeter und Fagottisti­n treten auch solistisch ins Gespräch mit Orgel und Sologesang, in schmaleren, kammermusi­kalischen Sätzen. Sehr gekonnt – auch wenn im Tutti manchmal noch ein klein wenig Luft nach oben und unten gewesen wäre – in der Dynamik. Ins Leise wie ins Laute. Wie begeisteru­ngsfähig Chor und Orchester sind, schillert in der Nummer 19 auf, „Behold the Lamb of God“, ein

Wechselbad der Stimmungsl­agen.

Volle Stärke fährt Schmid, der diesen Abend mit Herzblut leitet, dann im finalen „Amen“auf. Das Publikum quittiert es mit bewundernd­em, stehendem Applaus. Der Funke springt über. Die Wiblinger Bachtage möchten so wieder die Menschen erreichen, nach langen kontakt- und musikarmen Monaten. Deshalb bietet das Programm diesmal auch ein Schülerkon­zert, ein Gesprächsk­onzert. Formate, die Bach und Kollegen greifbar machen sollen.

Das nächste Konzert der Reihe, die am Donnerstag kommende Woche endet: Das renommiert­e Kölner Amaryllis-Quartett spielt am 28. September Mozart und Beethoven in stilvoller Atmosphäre, in der Wiblinger Klosterbib­liothek. Die Konzerte beginnen jeweils um 20 Uhr.

Das der Konzertrei­he gibt es im Internet unter www.wiblinger-bachtage.de

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FOTO: VELI Der Chef der Wiblinger Bachtage, Albrecht Schmid, deutet beim Schlussapp­laus auf seine Musiker. Ein gelungener Auftakt mit Händel und „Halleluja“.

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