Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mit einer Stimme
Unternehmerverbände im Südwesten feiern Fusion und heben wichtige Themen auf wirtschaftspolitische Agenda
RAVENSBURG - Ein Belastungsmoratorium, international wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, Technologieoffenheit und mehr Tempo bei der Digitalisierung: Soll die Wirtschaft in Baden-Württemberg ihre international führende Stellung halten, kommt es darauf an, welche Rahmenbedingungen die politischen Entscheidungsträger bei diesen und weiteren Themen vorgeben werden. Sparringspartner ist seit diesem Jahr ein neuer Spitzenverband, der für die Interessen der Südwest-Wirtschaft in Stuttgart, Berlin und Brüssel kämpfen soll: die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW).
Anfang 2021 hatten sich die ehemals getrennten Verbände der Arbeitgeber Baden-Württemberg und der Landesverband der Industrie (LVI) unter dem gemeinsamen Dach der UBW zusammengeschlossen. Mit einem Festakt am Donnerstag in Stuttgart soll die Vereinigung nun auch offiziell besiegelt werden, nachdem Corona das im Frühjahr noch vereitelt hatte.
„Ein historischer Prozess ist zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht worden“, erklärte der designierte UBW-Präsident Rainer Dulger damals. Mit einer gemeinsamen Interessenvertretung werde die baden-württembergische Wirtschaft künftig noch besser wahrgenommen. Und sie werde ihre Anliegen entsprechend kraftvoller vertreten können, kündigte Dulger an, der kurz zuvor, im November 2020, auch an die Spitze der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gewählt worden war.
Historisch gesehen hatte der Verband der Arbeitgeber Baden-Württemberg vor allem sozialpolitische Themen abgedeckt, die Wirtschaftspolitik lag in den Händen des LVI. Doch die Trennung der Themenbereiche Sozialpolitik in einem reinen Arbeitgeberverband und Wirtschaftspolitik in einem Industrieverband sowie die gesonderte Interessenvertretung erwies sich als nicht mehr zeitgemäß, da beide Bereiche in der Unternehmenspraxis zunehmend mehr miteinander verschmelzen.
Erste Annäherungsversuche hatte es deshalb bereits im Jahr 2009 unter den damaligen Verbandspräsidenten Dieter Hundt auf der Seite der badenwürttembergischen Arbeitgeber und Hans-Eberhard Koch auf der Seite des LVI gegeben. Die Finanz- und Wirtschaftskrise begrub das Vorhaben dann aber zunächst. Ein erneuter Anlauf wurde durch den plötzlichen Tod Hans-Eberhard Kochs im Mai 2017 abermals gebremst. Eine prinzipielle Einigung über das Zusammengehen der beiden Verbände bestand aber von Anfang an.
Unter Mithilfe der bei Verbandsfusionen erfahrenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG war man Mitte 2020 dann so weit: Die Mitgliederversammlungen der beiden Interessenvertretungen gaben ihre Zustimmung, sodass Anfang November die Verschmelzung zum neuen Verband Unternehmer BadenWürttemberg e.V. beschlossen werden konnte.
Die UBW bündeln und moderieren die wirtschafts-, sozial-, arbeits-, gesellschafts- und bildungspolitischen Interessen von rund 80 Mitgliedsverbänden sowie rund 110 Einzelunternehmen aus Industrie, Dienstleistung, Handel, Handwerk und Landwirtschaft im Südwesten. Oberstes Ziel: den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nachhaltig stärken. Neben der Interessenvertretung in Baden-Württemberg sind die UBW die Landesvertretung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sowie Mitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dadurch sollen die Positionen und Interessen der baden-württembergischen Wirtschaft auch auf Bundesebene vertreten werden. Außerdem setzen sich die UBW auf europäischer Ebene für die Belange ihrer Mitglieder ein.
An Themen mangelt es dem neuen Sprachroh der Südwest-Wirtschaft nicht: der Wandel der Arbeitswelt,
Bildung, Digitalisierung, Energie, Umwelt und Klima, Forschung und Innovation, Fachkräftesicherung, Steuern und Finanzen sowie Bürokratieabbau sind einige der wichtigsten Punkte auf der Agenda der UBW. „Ein ganz wesentlicher Aspekt unserer Arbeit wird auf den Themenfeldern Umwelt, Energie und Klima liegen“, sagt UBW-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Wolf im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Und wir brauchen in dieser Legislaturperiode eine Unternehmenssteuerreform, um international wieder wettbewerbsfähig zu werden.“
Die Gesprächskanäle in die Politik jedenfalls sind offen. „Ich freue mich auf ein vertrauensvolles und enges Zusammenwirken mit dem neuen Dachverband der baden-württembergischen Wirtschaft“, lässt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut auf Nachfrage wissen. Man müsse gemeinsame Antworten darauf finden, wie wir unsere Innovationsfähigkeit
stärken und unser Land als Standort national und international noch attraktiver machen könnten, sagt die CDU-Politikerin. Es brauche gerade jetzt den gebündelten Sachverstand der Wirtschaft, um in Politik und Gesellschaft die notwendigen Weichenstellungen dafür voranzutreiben. „Ich bin sicher: Die Unternehmer Baden-Württemberg werden – neben den vitalen Gewerkschaften – zu einer starken Stimme der Wirtschaft“, verteilt Hoffmeister-Kraut Vorschusslorbeeren.
Und auch Winfried Kretschmann (Grüne) reicht dem UBW die Hand: „Die großen Zukunftsaufgaben Digitalisierung, Transformation und Klimaschutz werden wir nur im engen Schulterschluss mit der Wirtschaft erfolgreich bewältigen“, sagt der Ministerpräsdident. Ziel müsse es sein, Baden-Württemberg zur Klimaschutzund Green-Tech-Region Nr. 1 zu machen.
Doch die Strategie der UBW, künftig mit einer Stimme die Belange der Unternehmerschaft gegenüber Politik und Gesellschaft vertreten zu wollen, ist nicht unumstritten. Im September 2020 hatte der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (wvib) bekannt gegeben, seine Interessen künftig alleine zu vertreten und aus dem LVI auszusteigen. „Wir bräuchten in Stuttgart und in der Fläche eher viele Stimmen und Gesichter, die kritisch-konstruktiv und für Mittelstand und Marktwirtschaft stehen als nur eine einzige, die eher für Großunternehmen, Stuttgart und Tarifbindung steht“, sagte wvib-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer damals. Er kritisierte auch, dass der LVI nicht wahrzunehmen sei.
Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“wiederholte Münzer seinen Standpunkt und forderte, Verbände müssten raus aus den Hinterzimmern, rein ins Leben der Menschen und besser kampagnenfähig werden. Greta Thunberg mit den Fridays for Future oder die Deutsche Umwelthilfe machten der Wirtschaft täglich vor, wie Kommunikation gelingen könne. Die UBW werden sich daran messen lassen müssen.