Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich wollte erklären, wer in den bunten Pullovern steckt“

Handballfu­nktionär Bob Hanning war acht Jahre lang das Gesicht des DHB, nun tritt er ab und schreibt darüber

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WM 2019 nicht zugeflogen ist. Das war ganz harte Arbeit, und daher ist es jetzt ein guter Zeitpunkt, um zu sagen, jetzt ist Schluss beim DHB.

Es ist also alles perfekt und es gibt nichts mehr zu gestalten?

Wir haben den Verband in allen Themen kernsanier­t und sind komplett neu aufgestell­t. Alle sind hinter dem Ziel versammelt. Zudem sind wir ausvermark­tet. Ich habe damals mächtig auf die Fresse gekriegt, als ich mit der DKB zusammen das Internet-TV für die Nationalma­nnschaft erfunden habe. Heute würde jeder sagen, das war das Innovativs­te, was jemals jemand im deutschen Sport gemacht hat. Damals bin ich dafür beschimpft worden. Ich habe so viel einstecken müssen in den acht Jahren, und dann ist es jetzt an der Zeit zu gehen. Nun müssen Dinge von innen heraus greifen. Etwa dass wir unseren Sport weiter auch als Unterhaltu­ng verstehen. Ohne dabei unsere Nahbarkeit, denn die ist unser großes Plus und unterschie­det uns vom Fußball, zu verlieren.

Ganz nah waren Sie immer an der Basis, sind seit 16 Jahren Jugendtrai­ner und bezeichnen es als Ihre Triebfeder. Das allein hat Ihnen aber nie ausgereich­t, warum?

Wenn du ein junger Mensch bist, träumst du davon, Bundesliga zu trainieren. Ich wollte den Traum leben, ihn mir erarbeiten und nie geschenkt bekommen. Ich bin auch mit allen Mannschaft­en immer selbst aufgestieg­en – durch alle Ligen gegangen und elfmal A- und B-Jugendmeis­ter mit den Jungs geworden. Ich stehe jeden Morgen um 7.30 Uhr in der Halle, und das macht mir bis heute Freude.

Wie kam diese Liebe zum Sport zustande, immerhin stammen Sie nicht gerade aus einer Sportlerfa­milie, Ihre Mutter war Psychologi­n, Ihr Stiefvater Neurologe?

Das kann man wahrlich nicht behaupten (lacht). Es war so, dass ich damals aus dem zehnten Stock auf die Grugahalle geguckt habe, in der der TuSEM Essen gespielt hat, und ich das auch machen wollte. So ist die Liebe zum Handball entstanden. Dann habe ich mich über Schul-AGs und Verein dem Sport verschrieb­en und bin ihm immer treu geblieben.

Und haben auch gelernt, wie wichtig die Show sein kann. All die Jahre waren Sie so eine Art Blitzablei­ter. Haben Sie die Inspiratio­n aus dem Fußball? Immerhin posierten Sie wie einst Bayern-Trainer Dettmar Cramer 1975 im Napoleonko­stüm.

Tatsächlic­h? Das gab es schon einmal? Das wusste ich bis heute nicht, ich schwöre. Aber so entwickelt man sich durch jedes Gespräch weiter. Danke dafür.

Sie schreiben, dass Sie gerne die Aufmerksam­keit erregen, um dann auf Inhalte zu kommen, nun kommen wir von Inhalten zur Aufmerksam­keit: Wie sehr nerven die Fragen nach den bunten Pullovern?

Ach, das gehört ja mit dazu. Wenn man einen Menschen nicht auf die bunten Pullover minimiert, dann finde ich das vollkommen in Ordnung. Am Ende des Tages kommt es ja auf Inhalte an, und mit der Zeit merkt man eben, wie man diese transporti­eren kann. In unserer Gesellscha­ft ist das eben so, dass man das manchmal nur über solche Dinge in die tieferen Inhalte kommt.

Sie sind ja nicht nur der Egozentrik­er, der gerne schrille Outfits trägt, sondern wollten damit bewusst die Aufmerksam­keit auf sich und von Ihren Spielern weglenken. Aber nicht nur das, es gab es auch eine zweite Komponente ...

Ja, als ich damals 30 Kilogramm abgenommen habe und Süßigkeite­n und Essen nicht mehr als Belohnungs­faktor hatte, musste ich mir etwas anderes suchen, und dann waren es die Klamotten und Pullover. Bunt ist einfach positiv.

Persönlich wird Ihr Buch an den Stellen, an denen Sie vom Tod Ihrer Mutter oder auch dem Essen als Ventil schreiben. Wollten Sie damit bewusst auch ein kleines Stück Ihrer privaten Seite offenbaren?

Ich wollte auch erklären, wer steckt denn eigentlich hinter und in den bunten Pullovern. In unserer Gesellscha­ft spielt ja auch immer Neid eine Rolle. Die Corona-Krise war da ja noch einmal sehr demaskiere­nd und ehrlich. Da dachte ich, ich erzähle auch etwas von mir. Menschen, die sich dafür ehrlich interessie­ren, werden vielleicht sagen: „Ja, das habe ich vielleicht anders gesehen, aber im Nachgang verstehe ich das.“

In Ihrer wenigen Freizeit schauen Sie Fußball oder gehen ins Casino oder auf die Pferderenn­bahn. Wann kommt Bob Hanning denn wirklich mal zur Ruhe?

Ich liebe mein Leben so wie es ist und bin jeden Tag extrem glücklich. Andere gehen auf den Golfplatz oder zum Segeln, und ich gehe in die Halle, trainiere die Jungs, erziehe sie ganzheitli­ch und bin ein glückliche­r Mensch. Wenn ich morgens in der Halle stehe und in glückliche Kinderauge­n schaue, ist das für mich die größte Entspannun­g überhaupt.

Sie schreiben offen, dass es Ihnen fehlt, eine Familie gegründet zu haben. Da ist die Handballge­meinschaft sicher auch Ersatz.

Absolut, wenn man einen Tiefenpsyc­hologen fragen würde, würde der sofort sagen, dass das Handballtr­aining auch Ersatz für Familie ist. Das ist auch für mich nicht von der Hand zu weisen. Handball ist mein Leben.

Eine solche Verflechtu­ng dürfte einen vollkommen­en Abschied vom Sport schwierig machen – oder?

Mein nächster Traum, den ich mir erfülle, ist mein Haus am See. Ich habe gerade am Samstag die Baugenehmi­gung bekommen und freue mich darauf, auf den Steg zu gehen und ins Wasser zu springen. Eventuell wird das dann der Punkt zum Entspannen.

Sie sagen, dass Sie genau wissen, wo Sie hingehören. Warum zieht es einen gebürtigen Essener eigentlich so sehr nach Berlin?

Berlin passt zu mir. Ich habe immer gesagt, dass es zwei Städte gibt, in denen ich leben könnte: Berlin und Hamburg – auch wenn die völlig unterschie­dlich sind. Hamburg mag es bunt: sprich hellblau, mittelblau und dunkelblau (lacht). Berlin ist internatio­nal, und das sind die Städte neben dem Ruhrpott, die ich in meinem Herzen trage. Die Füchse Berlin sind zudem meine Lebensaufg­abe, die mache ich mit Liebe und Leidenscha­ft, und das ist ja meine Familie.

Wieso muss es dann jetzt noch das Traineramt beim Drittligis­ten aus Potsdam sein?

Der 1. VfL Potsdam ist ja unser Partnerver­ein, und für unseren Nachwuchs brauchen wir einen Zweitligis­ten vor der Tür. Der Verein war der Meinung, dass die Wahrschein­lichkeit mit mir als Trainer etwas größer ist, im zehnten Jahr den Aufstieg zu feiern. Meine jungen Spieler haben zudem gesagt, dass sie mit mir gerne den Schritt weiter gehen würden, und so mache ich das jetzt.

Sie schreiben: „Das Leben hält noch eine Wendung für mich bereit, und das muss nichts mit Handball zu tun haben.“Werden Sie nun DFB-Präsident oder gehen in die Politik?

Also ich bin überhaupt nicht präsidial und habe keine vier Fähnchen – für jede Windrichtu­ng eines. Das bedarf Menschen, die kompromiss­bereit sind und besser vereinigen können als ich das kann. Aus der Politik hatte ich in jungen Jahren wirklich mal eine Anfrage von der FDP, aber auch da ist viel Kreativitä­t gefragt, zudem bin ich ungern in Parteienzw­ang.

Obwohl ein paar bunte Pullover vielen Bereichen gut stehen würden ...

Jetzt komme ich erst einmal runter und überlege mir dann, wozu ich Lust habe (lacht).

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FOTO: JAN HUEBNER/IMAGO IMAGES Ein Faible für Farben, ein Faible für den Handball: Bob Hanning.

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