Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Verzweifelte Schweinebauern
Angesichts der schwierigen Lage fordert Südwest-Agrarminister Hauk Hilfen für die Höfe
RAVENSBURG - Zuletzt hat den Bauern auch noch der verregnete Sommer zugesetzt. Schließlich gehören zu einer guten Grillsaison laue Abende, Sonne – sowie Steaks und Würstchen. Das Wetter der vergangenen Wochen hat die Nachfrage nach diesen Produkten aber im Vergleich zu den Vorjahren mager aussehen lassen, was die Probleme der Schweinehalter in Baden-Württemberg und Deutschland noch weiter verschärft hat. Denn die Betriebe kämpfen seit Monaten mit sinkenden Preisen und sinkendem Absatz: Zuerst hat Corona den Umsatz mit Schweinefleisch einbrechen lassen, dann hat der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest zu einem Exportstopp nach China geführt. Von einer „akuten Notsituation“hat Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) erst vor weniger Tagen gesprochen.
Die Notsituation fällt in eine Zeit, in der die Betriebe versuchen, sich auf sich verändernde Marktgegebenheiten einzustellen: einer Zeit, in der Billigangebote für Fleisch mehr und mehr in die Kritik geraten, Verbraucher regionale Produkte und mehr Tierwohl fordern, aber nicht bereit sind, dafür zu zahlen. Baden-Württembergs Agarminister Peter Hauk (CDU) will die Bauern auf diesem Weg unterstützen und fordert für die Höfe Unterstützung und Planungssicherheit. „Die Fleischerzeugung in Deutschland befindet sich in einem spürbaren Strukturwandel“, sagte der Koordinator der CDU-Landwirtschaftsminister vor der Konferenz der Agrarminister der Länder, die am heutigen Freitag in Desden stattfindet. „Die Schweinebäuerinnen und Schweinebauern brauchen in dieser Phase Unterstützung und vor allem Planungssicherheit“, sagte Hauk der „Schwäbischen Zeitung“weiter. „Dazu müssen wir beispielsweise Genehmigungsverfahren für tierwohlgerechte Ställe vereinfachen und beschleunigen, vor allem in Bezug auf den Emissionsschutz.“
Schwankungen auf den Märkten und bei den Handelspreisen sind für die 22 000 Betriebe, von denen rund 1900 in Baden-Württemberg beheimatet sind, eigentlich nichts Neues. Der sogenannte Schweinezyklus hat es als Sinnbild für den extremen Wechsel von Hochs und Tiefs sogar in den Sprachgebrauch von anderen Branchen geschafft. Eine so ruinöse Entwicklung über eine so lange Zeit habe es aber selten gegeben, klagt der Bauernverband bereits seit Monaten. Zu den ausbleibenden Käufern von Grillwürsten und Nackensteaks,
der Pandemie, in der vor allem der Absatz in der Gastronomie, in Kantinen und bei Volksfesten einbrach, und der Schweinegrippe, kamen seit Herbst noch ein Anstieg der Futterpreise, die um fast 25 Prozent anzogen. Aufgrund der schlechten Erlössituation ließen nach Angaben des baden-württembergischen Agrarministeriums viele Bauern ihre Mastställe leer und verkauften ihr Getreide, anstatt es zu verfüttern. Um die Kosten zu decken, sei ein Preis von rund 1,70 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht nötig, rechnet das Ministerium vor. Die aktuelle Preisempfehlung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch liegt allerdings bei 1,24 Euro pro Kilogramm.
Wie aussichtslos sich die Situation für viele Bauern darstellt, zeigt eine Umfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschland: Demnach überlegt die Hälfte der Betriebe, in den nächsten zehn Jahren aufzuhören. Dazu hat der Verband im Sommer 1048 Schweinebauern befragt, von denen rund 160 aus Süddeutschland kamen.
Zusätzlich steigt der Druck auf die Landwirte durch die Ankündigung
des Lebensmitteleinzelhandels, sein Fleischsortiment bis 2030 auf die Haltungsstufen drei und vier umzustellen. Diese sehen Ställe mit Außenklima oder Freilandhaltung vor – also die dem Tier angemessensten Haltungsformen. Nach Zahlen des Südwest-Agrarministeriums leben aktuell ein Drittel der deutschen Schweine in Haltungsstufe zwei, in der kein Auslauf vorgeschrieben ist, aber den Tieren zumindest organisches Spielmaterial zur Verfügung gestellt wird. Für diesen höheren Standard erhalten die Höfe einen Bonus. Doch dieser könne gar nicht an alle Landwirte ausgezahlt werden, weil der Absatz des mit höheren Standards produzierten Fleisches stocke, so das Ministerium.
Voraussetzungen für höhere Haltungsstandards sind Investitionen in tiergerechte Ställe. Die führen zu höheren Preisen für alle Fleischprodukte, weil mit den höheren Standards auch die Betriebskosten steigen. Für Landwirtschaftsminister Hauk eine Situation, die die Schweinehalter allein nicht bewältigen können. „Da die Verbraucher leider noch nicht bereit sind, an der Ladentheke mehr für Tierwohl und Regionalität auszugeben, ist die Einführung einer Tierwohlabgabe, wie sie die BorchertKommission fordert, folgerichtig und überfällig“, sagte Hauk der „Schwäbischen Zeitung“. Die Borchert-Kommission hat einen verpflichtenden, pauschalen Aufschlag auf alle tierischen Produkte vorgeschlagen. Damit würden diese Produkte für den Verbraucher teuer. Die Einnahmen aus der Abgabe könnten dann an jene Landwirte gehen, die in tierwohlgerechte Ställe investieren und auch helfen, den höheren Betriebsaufwand dieser Ställe zu finanzieren. Wie hoch die Zuschüsse an die Bauern sein sollen, ist aber noch offen. Deswegen will Hauk jetzt Pflöcke einschlagen „Eine Förderung von bis zu 80 Prozent durch den Bund wäre das richtige Signal auch für die bäuerlichen Familienbetriebe in Baden-Württemberg“, sagte der Minister. „Dafür werden wir uns in Dresden im Rahmen der Agrarministerkonferenz einsetzen.“
Auch wenn der Plan von Peter Hauk nicht sicherstellen kann, dass der nächste Sommer ein Grillsommer wird, bietet er die Chance, den Bauern bei der Umstellung auf eine tiergerechtere Haltung helfen.