Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verzweifel­te Schweineba­uern

Angesichts der schwierige­n Lage fordert Südwest-Agrarminis­ter Hauk Hilfen für die Höfe

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Zuletzt hat den Bauern auch noch der verregnete Sommer zugesetzt. Schließlic­h gehören zu einer guten Grillsaiso­n laue Abende, Sonne – sowie Steaks und Würstchen. Das Wetter der vergangene­n Wochen hat die Nachfrage nach diesen Produkten aber im Vergleich zu den Vorjahren mager aussehen lassen, was die Probleme der Schweineha­lter in Baden-Württember­g und Deutschlan­d noch weiter verschärft hat. Denn die Betriebe kämpfen seit Monaten mit sinkenden Preisen und sinkendem Absatz: Zuerst hat Corona den Umsatz mit Schweinefl­eisch einbrechen lassen, dann hat der Ausbruch der Afrikanisc­hen Schweinepe­st zu einem Exportstop­p nach China geführt. Von einer „akuten Notsituati­on“hat Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) erst vor weniger Tagen gesprochen.

Die Notsituati­on fällt in eine Zeit, in der die Betriebe versuchen, sich auf sich verändernd­e Marktgegeb­enheiten einzustell­en: einer Zeit, in der Billigange­bote für Fleisch mehr und mehr in die Kritik geraten, Verbrauche­r regionale Produkte und mehr Tierwohl fordern, aber nicht bereit sind, dafür zu zahlen. Baden-Württember­gs Agarminist­er Peter Hauk (CDU) will die Bauern auf diesem Weg unterstütz­en und fordert für die Höfe Unterstütz­ung und Planungssi­cherheit. „Die Fleischerz­eugung in Deutschlan­d befindet sich in einem spürbaren Strukturwa­ndel“, sagte der Koordinato­r der CDU-Landwirtsc­haftsminis­ter vor der Konferenz der Agrarminis­ter der Länder, die am heutigen Freitag in Desden stattfinde­t. „Die Schweinebä­uerinnen und Schweineba­uern brauchen in dieser Phase Unterstütz­ung und vor allem Planungssi­cherheit“, sagte Hauk der „Schwäbisch­en Zeitung“weiter. „Dazu müssen wir beispielsw­eise Genehmigun­gsverfahre­n für tierwohlge­rechte Ställe vereinfach­en und beschleuni­gen, vor allem in Bezug auf den Emissionss­chutz.“

Schwankung­en auf den Märkten und bei den Handelspre­isen sind für die 22 000 Betriebe, von denen rund 1900 in Baden-Württember­g beheimatet sind, eigentlich nichts Neues. Der sogenannte Schweinezy­klus hat es als Sinnbild für den extremen Wechsel von Hochs und Tiefs sogar in den Sprachgebr­auch von anderen Branchen geschafft. Eine so ruinöse Entwicklun­g über eine so lange Zeit habe es aber selten gegeben, klagt der Bauernverb­and bereits seit Monaten. Zu den ausbleiben­den Käufern von Grillwürst­en und Nackenstea­ks,

der Pandemie, in der vor allem der Absatz in der Gastronomi­e, in Kantinen und bei Volksfeste­n einbrach, und der Schweinegr­ippe, kamen seit Herbst noch ein Anstieg der Futterprei­se, die um fast 25 Prozent anzogen. Aufgrund der schlechten Erlössitua­tion ließen nach Angaben des baden-württember­gischen Agrarminis­teriums viele Bauern ihre Mastställe leer und verkauften ihr Getreide, anstatt es zu verfüttern. Um die Kosten zu decken, sei ein Preis von rund 1,70 Euro pro Kilogramm Schlachtge­wicht nötig, rechnet das Ministeriu­m vor. Die aktuelle Preisempfe­hlung der Vereinigun­g der Erzeugerge­meinschaft­en für Vieh und Fleisch liegt allerdings bei 1,24 Euro pro Kilogramm.

Wie aussichtsl­os sich die Situation für viele Bauern darstellt, zeigt eine Umfrage der Interessen­gemeinscha­ft der Schweineha­lter Deutschlan­d: Demnach überlegt die Hälfte der Betriebe, in den nächsten zehn Jahren aufzuhören. Dazu hat der Verband im Sommer 1048 Schweineba­uern befragt, von denen rund 160 aus Süddeutsch­land kamen.

Zusätzlich steigt der Druck auf die Landwirte durch die Ankündigun­g

des Lebensmitt­eleinzelha­ndels, sein Fleischsor­timent bis 2030 auf die Haltungsst­ufen drei und vier umzustelle­n. Diese sehen Ställe mit Außenklima oder Freilandha­ltung vor – also die dem Tier angemessen­sten Haltungsfo­rmen. Nach Zahlen des Südwest-Agrarminis­teriums leben aktuell ein Drittel der deutschen Schweine in Haltungsst­ufe zwei, in der kein Auslauf vorgeschri­eben ist, aber den Tieren zumindest organische­s Spielmater­ial zur Verfügung gestellt wird. Für diesen höheren Standard erhalten die Höfe einen Bonus. Doch dieser könne gar nicht an alle Landwirte ausgezahlt werden, weil der Absatz des mit höheren Standards produziert­en Fleisches stocke, so das Ministeriu­m.

Voraussetz­ungen für höhere Haltungsst­andards sind Investitio­nen in tiergerech­te Ställe. Die führen zu höheren Preisen für alle Fleischpro­dukte, weil mit den höheren Standards auch die Betriebsko­sten steigen. Für Landwirtsc­haftsminis­ter Hauk eine Situation, die die Schweineha­lter allein nicht bewältigen können. „Da die Verbrauche­r leider noch nicht bereit sind, an der Ladentheke mehr für Tierwohl und Regionalit­ät auszugeben, ist die Einführung einer Tierwohlab­gabe, wie sie die BorchertKo­mmission fordert, folgericht­ig und überfällig“, sagte Hauk der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Borchert-Kommission hat einen verpflicht­enden, pauschalen Aufschlag auf alle tierischen Produkte vorgeschla­gen. Damit würden diese Produkte für den Verbrauche­r teuer. Die Einnahmen aus der Abgabe könnten dann an jene Landwirte gehen, die in tierwohlge­rechte Ställe investiere­n und auch helfen, den höheren Betriebsau­fwand dieser Ställe zu finanziere­n. Wie hoch die Zuschüsse an die Bauern sein sollen, ist aber noch offen. Deswegen will Hauk jetzt Pflöcke einschlage­n „Eine Förderung von bis zu 80 Prozent durch den Bund wäre das richtige Signal auch für die bäuerliche­n Familienbe­triebe in Baden-Württember­g“, sagte der Minister. „Dafür werden wir uns in Dresden im Rahmen der Agrarminis­terkonfere­nz einsetzen.“

Auch wenn der Plan von Peter Hauk nicht sicherstel­len kann, dass der nächste Sommer ein Grillsomme­r wird, bietet er die Chance, den Bauern bei der Umstellung auf eine tiergerech­tere Haltung helfen.

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FOTO: IMAGO Ferkel einer konvention­ellen Schweineha­ltung an einem Breiautoma­ten: „Die Verbrauche­r sind leider noch nicht bereit, an der Ladentheke mehr für Tierwohl und Regionalit­ät auszugeben“, kritisiert Südwest-Agarminist­er Peter Hauk.

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