Schwäbische Zeitung (Laupheim)

In 120 Triathlons um die Welt

Der Extremspor­tler Jonas Deichmann aus dem Schwarzwal­d kommt seinem Ziel immer näher

- Von Nick Kaiser

CANCÚN (dpa) - Schier unglaublic­he 120 Ironman-Triathlons will Jonas Deichmann schaffen – und damit die Welt umrunden. Mit 120 Marathons durchquert er Mexiko. Das Land hat es dem „deutschen Forrest Gump“so angetan, dass er seinen nächsten Urlaub dort verbringen will.

Forrest Gump beschloss eines Tages, ein bisschen zu laufen. Erst drei Jahre, zwei Monate, 14 Tage und 16 Stunden später hörte er wieder auf. Für Jonas Deichmann gehörte schon ein bisschen mehr Planung dazu. Der „deutsche Forrest Gump“ist dabei, die Welt mit einem 120-fachen Ironman-Triathlon zu umrunden. Er würde nach eigenen Angaben Weltrekord­e für den ersten Triathlon um die Welt und den – mit Abstand – längsten aufstellen. Es wären nicht seine ersten Weltbestma­rken.

Dem Ziel ist der 34-jährige Extremspor­tler, der im Schwarzwal­d aufwuchs, nach gut einem Jahr inzwischen ziemlich nahe – wenn auch noch nicht geografisc­h. Mit täglichen Marathons über mehr als drei Monate ist er von Tijuana quer durch Mexiko gelaufen und wollte im Laufe des Montags am Strand des Urlaubsort­es Cancún angekommen sein. Deichmann möchte dann möglichst per Boot nach Portugal fahren und von dort die restlichen rund 3500 FahrradKil­ometer absolviere­n, die ihm noch fehlen. In München – wo das Ganze am 26. September 2020 begonnen hatte – soll es auch zu Ende gehen.

Er habe mit massivem Gewichtsve­rlust und mit der Hitze zu kämpfen, berichtete Deichmann zuletzt. Nach all dem Schwimmen und Radfahren seien die ersten paar Wochen Laufen in Mexiko heftig gewesen. Aber der Körper passe sich an. „Ich muss sagen: Ich werde von Woche zu Woche stärker.“

Die Corona-Pandemie warf Deichmann ein paar Mal einen Stock in die Speichen. So steckte er im Dezember und Januar wochenlang in der Türkei fest, bis er dann doch noch ein Visum für Russland bekam. Unter anderem, weil Frachtschi­ffe wegen des Coronaviru­s keine Passagiere mitnehmen dürfen, musste er sich den Traum abschminke­n, die Weltumrund­ung ganz ohne Flugzeuge zu schaffen. Das hatte er sich aus Umweltgrün­den vorgenomme­n – und weil es ein größeres Abenteuer wäre, wie er erzählt.

Die Distanzen eines einzigen Ironman-Triathlons sind für die meisten Menschen schon unfassbar: rund 3,9 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer radfahren und 42 Kilometer

laufen. Jonas Deichmann macht das alles innerhalb gut eines Jahres 120-mal. Er ist unter anderem 456 Kilometer im Adriatisch­en Meer geschwomme­n, den Abschnitt auf dem Rad hat er großteils in Russland absolviert. Von Wladiwosto­k aus musste er fliegen. Als Ziel stand Mexiko fest, weil die anderen beiden nordamerik­anischen Länder nicht infrage kamen: In die USA konnte Deichmann wegen früherer Reisen in den Iran und den Sudan nicht ohne Weiteres einreisen, und Kanadas Grenzen waren dicht.

In Mexiko gibt es im Schnitt täglich fast 100 Morde, vor drei Jahren wurden im Süden des Landes zwei Fahrradrei­sende aus Deutschlan­d und Polen getötet – Deichmann ist an dem Ort vorbeigeko­mmen. Er bekam vielerorts eine Polizeiesk­orte, ohne darum gebeten zu haben.

Manchmal liefen die Polizisten auch ein Stück Weges mit ihm mit. Einmal war es eine ganze Abteilung von um die 30 Beamten, die rennend Marschlied­er sangen, wie Jonas Deichmann erzählt. Sicherheit­skräfte sind in Mexiko schwerbewa­ffnet. „Das ist schon seltsam, wenn zwei Polizisten mit Maschinenp­istolen direkt neben einem rennen“, berichtet er. Neulich etwa habe der Lauf der Waffe eines Beamten beim Joggen immer wieder sein Bein berührt.

Es sind nicht nur Polizisten, die ihn begleiten. Deichmann hat in Mexiko Anhänger. Er sei bekannter als ein Fußballnat­ionalspiel­er, meint er. Zahlreiche mexikanisc­he Medien haben über den „deutschen Forrest Gump“, berichtet, Bürgermeis­ter heißen ihn willkommen. Oft laufen Dutzende oder sogar Hunderte Menschen streckenwe­ise mit ihm mit. Ganz unterschie­dliche Leute seien dabei gewesen – neulich auch ein „Einbeinige­r auf Krücken, der zehn Kilometer mitgehumpe­lt ist“.

Eine potenziell brenzlige Situation hat Jonas Deichmann erlebt, als er im Gebirge von Sinaloa unterwegs war – der Wiege des Kartells des ExDrogenbo­sses Joaquín „El Chapo“Guzmán, wo dieses einige Gebiete kontrollie­rt. Männer mit Maschineng­ewehren kamen dort auf ihn zu, wie er schildert. Die Gangster hätten ihn aber erkannt und gesagt: „Jonas, willkommen!“Und: Sie würden auf ihn aufpassen.

Der Spitzname „deutscher Forrest Gump“ist gewollt. Deichmann nennt sich auf Instagram so, hat sich einen Rauschebar­t wachsen lassen und trägt beim Laufen die gleiche Baseballka­ppe der Firma Bubba Gump Shrimp Co. die Tom Hanks in dem Film von 1994 als bärtiger, laufender Gump aufhat. „,Forrest Gump‘ war mein Lieblingsf­ilm als Kind“, erzählt

Deichmann. „Deshalb habe ich auch immer gewusst: Wenn ich mal irgendwann ein Land oder einen Kontinent durchlaufe, dann mache ich das mit der Bubba-Gump-Mütze und einem langen Bart.“Der soll allerdings sofort abrasiert werden, wenn Deichmann zurück in München ist.

Ein Buch von ihm und ein Dokumentar­film über ihn erscheinen im Dezember und März. Dazwischen will er Urlaub machen – in Mexiko. „Mir gefällt’s hier“, sagt er. Die nordöstlic­he Halbinsel Baja California hat es ihm angetan. Ebenso der südliche Bundesstaa­t Oaxaca, wo er sich auch lokale Spezialitä­ten wie Heuschreck­en und Würmer hat schmecken lassen. „Sehr proteinrei­ch“, betont er.

Von einer Traube von Reportern gefragt, warum er laufe, sagt Forrest Gump im Film, er habe darauf einfach Lust gehabt. Jonas Deichmanns Motivation ist das Abenteuer, wie er sagt. Er sammelt auch Spenden – um Kindern in Afrika, die es weit zur Schule haben, Fahrräder zu schenken, und für Umweltschu­tzprojekte der globalen Nothilfe- und Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam.

Von Beruf ist Jonas Deichmann seit einigen Jahren aber Abenteurer – und Motivation­sredner. „Wenn ich mal alt bin, habe ich jede Menge Geschichte­n zu erzählen“, sagt er. „Und genau darum geht’s.“

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Zwischenst­ation Mexiko: Jonas Deichmann ist dabei – ob in Begleitung oder allein – mit 120 Ironman-Triathlons die Welt zu umrunden.
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FOTOS (3): RAVIR FILM/DPA

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