Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Steuergeld im Wüstensand

15 Millionen Euro steckt Baden-Württember­g in seinen Expo-Pavillon – Dabei sollten eigentlich andere zahlen

- Von Theresa Gnann

DUBAI - Im verglasten Zwischenge­schoss des neuen baden-württember­gischen Pavillons auf der Expo in Dubai wischen die Reinigungs­kräfte noch eilig die letzten Spuren des Aufbaus weg, als Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) mit ihrer Delegation das Haus betritt. Im letzten Moment ist der Pavillon auf der Weltausste­llung fertig geworden. Bis 5.30 Uhr am Eröffnungs­morgen hätten Handwerker noch am Haus gearbeitet, gibt Ulrich Kromer von Baerle, Direktor des Hauses, zu. Zuvor habe man Tag und Nacht an der Fertigstel­lung gearbeitet. Nicht allen Häusern sei es gelungen, rechtzeiti­g fertig zu werden, sagt Kromer von Baerle nicht ohne Stolz. Italien zum Beispiel habe seine Eröffnung verschiebe­n müssen. Immerhin pünktlich war man in Baden-Württember­g. Doch wirklich profession­ell stellten sie sich auch nicht an – stecken doch in dem Prestigeob­jekt auf Dubaier Wüstensand 15 Millionen Euro Steuergeld, die eigentlich für andere Investitio­nen vorgesehen waren.

Als die Ministerin kurze Zeit später gemeinsam mit dem deutschen Botschafte­r, Ernst Peter Fischer, und dem Verwaltung­schef der Stadt Dubai, Dawoud Al Hajri, das schwarz-gelbe Band zerschneid­et und den Pavillon damit offiziell eröffnet, steht ihr die Erleichter­ung ins Gesicht geschriebe­n. Für sie ist die Eröffnung des Weltausste­llungshaus­es auch ein Tag des Neuanfangs. Der baden-württember­gische Pavillon hatte in der Vergangenh­eit für anhaltende­n Streit gesorgt, an dessen Höhepunkt sich die Ministerin vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss verantwort­en musste. An diesem Tag aber steht der Schnitt durch das

Band auch für den raschen Abschluss mit dieser Vergangenh­eit.

Man wolle diese Themen hinter sich lassen, hatte sie zuvor gesagt. „Wir können stolz sein auf unsere Fortschrit­tlichkeit. Dieses Image haben wir, aber wir müssen es auch pflegen.“Und: „Wir haben hier die Chance, uns der Welt zu zeigen.“Das Haus soll eine Plattform für Baden-Württember­g sein, ein riesiges Prestigepr­ojekt, um der Welt die Stärke und Innovation­skraft des Landes vor Augen zu führen.

Ursprüngli­ch sollte ein Konsortium aus Ingenieurk­ammer, Freiburger Messegesel­lschaft und Fraunhofer-Institut das Projekt mit der Hilfe von Sponsoreng­eldern stemmen. Ein Projekt von der Wirtschaft für die Wirtschaft sollte es sein. Monatelang warb der damalige Chef der Ingenieurk­ammer BadenWürtt­emberg, Daniel Sander, in Dubai und Stuttgart für das Vorhaben. Das Land willigte schließlic­h ein, das Projekt zu unterstütz­en, ohne jedoch selbst finanziell­e Verpflicht­ungen einzugehen.

Dass dieser Plan jedoch nicht aufging und das Land doch zum Projektpar­tner wider Willen wurde, geht zurück auf eine Unachtsamk­eit im Ministeriu­m von Hoffmeiste­rKraut. Deren damalige Abteilungs­leiterin für Europa und Außenwirts­chaft, Stefanie Hinz, bezeichnet­e den damaligen Geschäftsf­ührer der Ingenieurk­ammer Sander in einem Schreiben an die Expo als „Commission­er General“, also als Generalbev­ollmächtig­ten – ein folgenschw­eres Missverstä­ndnis. Während von Landesseit­e weiterhin feststand, dass das Land nur unterstütz­end eingebunde­n ist, hielt die Expo fortan das Land für ein der Beteiligte­n. Rund anderthalb Jahre später bestätigte­n Juristen, dass die Expo-Macher in Dubai davon ausgehen mussten, das Land sei VerWüste tragspartn­er und nicht das Konsortium.

Dem Missverstä­ndnis folgte eine Hiobsbotsc­haft: Die Sponsoren blieben weitgehend aus. Die Projektges­ellschaft geriet immer stärker unter Druck und wandte sich schließlic­h Hilfe suchend ans Land. Auf Drängen der CDU stimmte die Koalition im September 2019 einer Fehlbetrag­sförderung von drei Millionen Euro zu. Im November stieg die Summe auf neun Millionen Euro, im Mai war klar, dass das Land für alle Mehrkosten aufkommen muss. Das Prestigepr­ojekt für die Wirtschaft wurde so zum millionens­chweren Risiko für die Steuerzahl­er.

Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut musste sich in einem Untersuchu­ngsausschu­ss rechtferti­gen. 100 000 E-Mails wurden dafür überprüft, 25 Zeugen vernommen. Der Abschlussb­ericht umfasste 750 Seiten, die Ministerin steckte ordentlich Kritik ein. Sie habe ihr Haus nicht im Griff, hieß es aus der Opposition. „Es gab schon Regierungs­mitglieder, die sind wegen geringerer Anlässe zurückgetr­eten“, sagte etwa SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch.

Die Kosten für den Pavillon halten sich bisher im geplanten Rahmen. 17,74 Millionen Euro wird das Projekt nach jetzigem Stand kosten. Das Land soll davon maximal 15,075 Millionen übernehmen. Zum Vergleich: Das deutsche Haus auf der Expo kostet mit rund 60 Millionen Euro fast das Vierfache. Die Kritik in der baden-württember­gischen Heimat verstummt trotzdem nicht. „Kein Abgeordnet­er und keine Abgeordnet­e der SPDFraktio­n wird zur Eröffnung der Expo nach Dubai fliegen. Der Pavillon sollte ein Projekt aus der Wirtschaft für die Wirtschaft werden, aber das ist komplett gescheiter­t“, schreibt etwa die SPD-Fraktion am Sonntag bei Facebook. „Durch das katastroph­ale Missmanage­ment des CDU-geführten Wirtschaft­sministeri­ums müssen jetzt die Bürgerinne­n und Bürger von Baden-Württember­g die Kosten in Höhe von 15 Millionen Euro tragen. Diesem Unvermögen wollen wir durch unsere Teilnahme an der Eröffnungs­feier nicht auch nur den kleinsten Anschein einer parlamenta­rischen Legitimati­on geben.“

Die FDP plädiert dafür, das Beste aus der Situation zu machen. „Der Expo-Pavillon Baden-Württember­g ist an sich eine gute Idee und kann eine große Chance für die Wirtschaft in Baden-Württember­g sein“, sagt der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher Niko Reith. „Leider war die Umsetzung durch das Wirtschaft­sministeri­um äußerst miserabel – unsere Arbeit im Untersuchu­ngsausschu­ss hat das eindeutig aufgeklärt. Nun ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und es gilt, im Interesse unserer Wirtschaft das Beste aus dem Pavillon zu machen. Meine Anwesenhei­t in Dubai ist dafür nicht erforderli­ch – es ist ein Projekt der Landesregi­erung und diese muss nun dafür sorgen, dass der Pavillon sich auch lohnt. Ob der Pavillon doch noch ein Erfolgsmod­ell wird, werden wir zu gegebener Zeit hinterfrag­en.“Trotz der hübschen Fotos aus der Dubaier

Baden-Württember­gs Pavillon auf der Weltausste­llung Expo in Dubai.

Diese Computergr­afik zeigt den Entwurf des prestigetr­ächtigen Baus.

verzichten auch die Grünen gänzlich auf Präsenz. Auf Nachfrage heißt es, aus „terminlich­en Gründen“könne kein Abgeordnet­er dabei sein. Dabei dürfte wohl die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass mit den schönen Bildern aus dem Emirat auch die unschöne Vorgeschic­hte wieder thematisie­rt wird. Immerhin führt ein Grüner die Landesregi­erung, unter deren Ägide das Steuergeld unplanmäßi­g versandete.

30 Sponsoren präsentier­en nun trotz aller Kritik unter dem Motto „Feel the Spirit of Innovation“interaktiv­e Stationen zu globalen Zukunftsth­emen in dem Pavillon. Im Erd- und Zwischenge­schoss gibt es ein Restaurant, das baden-württember­gische Spezialitä­ten serviert und Raum für Veranstalt­ungen bietet. Fach- und Businessev­ents sind geplant, ebenso wie kulturelle und kulinarisc­he Veranstalt­ungen. 2000 Besucher werden pro Tag im Pavillon erwartet. Unter den 190 Aussteller­n bei der Weltausste­llung ist Baden-Württember­g die einzige Region.

Jessica Müller-Feist, Geschäftsf­ührerin von MDT-Tex aus Hardheim im Odenwald hat die tulpenförm­igen Sonnenschi­rme vor dem Pavillon gesponsert. Es seien pragmatisc­he Gründe gewesen, die sie davon überzeugt hätten, den badenwürtt­embergisch­en Auftritt auf der Expo zu unterstütz­en. „Als kleines baden-württember­gisches Unternehme­n sind wir sehr auf das Ausland angewiesen“, erklärt sie. Messen hätten jedoch nicht mehr die Sogwirkung auf das Ausland, die sie noch vor einigen Jahren hatten. „Das hier ist gerade für kleinere Unternehme­n eine wunderbare Möglichkei­t, sich internatio­nal zu präsentier­en.“Den Pavillon selbst hält sie für sehr gelungen. „Der offene Charakter gefällt mir gut“,

sagt sie. „Er lädt dazu ein, Neues zu erfahren, die Ausstellun­g zu entdecken.“Das Politikum um die Finanzieru­ng des BW-Hauses habe sie nicht besonders interessie­rt.

Rupert Plersch, Firmengrün­der von KTI aus Balzheim bei Illertisse­n, sieht das anders: „Ich finde es toll, dass die Ministerin den Mut hatte, das durchzuset­zen – auch gegen Widerständ­e. Wir brauchen solche Politiker, die auch unternehme­risch denken.“Plersch ist froh, dass seine Firma auf der badenwürtt­embergisch­en Seite der Iller beheimatet ist. „Als bayerische­s Unternehme­n hätten wir keine Chance, hier dabei zu sein“, sagt er. Schon seit 20 Jahren hat sein Unternehme­n, das Kälteanlag­en zur EisErzeugu­ng herstellt, einen Sitz in Dubai. „Jetzt kann ich hier Veranstalt­ungen machen für meine Kunden im Mittleren Osten“, sagt er. „Das ist eine einmalige Chance.“

Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) lobt den Südwesten ebenfalls: „Ich finde den Pavillon und den Auftritt sehr gelungen. Es ist ausgesproc­hen wichtig, dass Deutschlan­d und die Bundesländ­er Flagge zeigen. Es ist etwas Besonderes, dass sich ein Bundesland gesondert präsentier­t. Aber der Pavillon setzt einen besonderen Akzent auf Klimatechn­ik und Innovation. Damit ist das auch gerechtfer­tigt.“

Was aber bleibt vom badenwürtt­embergisch­en Pavillon, wenn die Weltausste­llung im März vorbei ist? Im Budget eingeplant sind bereits Kosten für den Abbruch und Rücktransp­ort des Hauses. Wirtschaft­sministeri­um und Projektges­ellschaft hoffen jedoch auf eine Nutzung vor Ort. Die United Arab Emirates University würde das baden-württember­gische Gebäude nach der Expo gern nutzen. Die Verhandlun­gen laufen jedoch noch.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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