Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Grüne und FDP dringen auf weitere Legalisierung
Eine neue Koalition in Berlin dürfte Bewegung in die Frage des Umgangs mit der Droge Cannabis bringen
Werden Patienten denn dann nicht süchtig und sind dauernd high?
Bis die richtige Dosierung gefunden ist und der Körper sich daran gewöhnt hat, wirkt Cannabis als Medizin nicht grundlegend anders als das Rauschmittel. „Häufig gelingt es, eine erfolgreiche Therapie ohne relevante psychische Nebenwirkungen zu erzielen“, sagt Grotenhermen. „Menschen, die langzeitig Cannabis aus therapeutischen Gründen nehmen, erleben häufig keine Rauschzustände mehr.“Und der Suchtfaktor?
BERLIN (dgu) - Die Bundestagswahl hat Bewegung in die Debatte zur Legalisierung von Cannabis gebracht. Während Grüne und FDP in gemeinsamen Sondierungen viele Streitfragen zu klären haben, gehört Marihuana zu den Themen, in denen Einigkeit herrscht: es soll legalisiert werden, auch als Rauschmittel.
Ein wenig auf der Bremse steht noch die SPD. Sie schreibt in ihrem Zukunftsprogramm: „Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten politischen Umgang finden müssen.“Verbote und Kriminalisierung hätten den Konsum nicht gesenkt, stünden effektiver Suchtprävention und Jugendschutz entgegen. Doch eine Freigabe für Genusszwecke, so weit wollten die Sozialdemokraten dann doch nicht gehen. Stattdessen soll zunächst eine regulierte Abgabe in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erprobt werden. Eine Position, die in Koalitionsgesprächen fallen könnte. Wegen der Einigkeit von Grün und Gelb, aber auch, weil eine Legalisierung Staatsausgaben einsparen und Steuereinnahmen generieren würde. Die drogenpolitische Sprecherin der Grünen, Kirsten KappertGonther, frohlockt bereits: „Nach Jahren den Stillstands kann nun Bewegung
in die Legalisierungsdebatte kommen.“Sie betont im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“auch, dass „die Fachebene der SPD“ja ähnliche Forderungen habe.
Wer an das Wachstumspotenzial von Cannabis glaubt, kann schon jetzt sein Geld entsprechend investieren. Anfang Juli wurden Apotheken mit der ersten Sorte medizinischem Cannabis aus deutschem Anbau beliefert, der Sorte Typ 1 Aphria. Kürzlich ist eine weitere Sorte verfügbar geworden, Typ 2 Aphria. Drei Unternehmen haben eine Erlaubnis zum Anbau hierzulande: Aphria, Aurora und Demecan. Die beiden Erstgenannten
werden auf dem Aktienmarkt gehandelt.
Wer das Risiko lieber streuen will, kann auch in zwei ETFs anlegen, die in Irland gehandelt werden: „Rize Medical Cannabis and Life Sciences UCITS“und „HANetf The Medical Cannabis and Wellness UCITS“. Beide Fonds verwalten derzeit über 30 Millionen Euro und sind, trotz Wertverlust in den vergangenen Monaten, im Jahresvergleich 37 Prozent im Plus. Klar ist: Falls die Legalisierung in Deutschland kommt, wird es noch deutlich mehr Unternehmen und ETFs geben, in die man investieren kann – ganz legal.
Wie kann man mit Cannabis Patienten denn konkret helfen?
Felix ist 24 Jahre alt und einer der 80 000 Cannabis-Patienten. Seinen Nachnamen will er nicht bekannt machen, weil er schlechte Erfahrungen mit den Behörden gemacht hat, er ist der Redaktion aber bekannt. Felix ist beruflich erfolgreich, arbeitet in seinem jungen Alter bereits auf Management-Ebene. Das war für ihn aber nur möglich, weil er Cannabis konsumiert, denn er hat eine ausgeprägte Form von ADHS. Er war, wie er selbst sagt, ein sehr auffälliges Kind. Mit elf Jahren fing er an, starke Medikamente zu nehmen – und immer mehr davon, weil sie nicht wirkten. Ihm wurde häufig schlecht, er konnte tagsüber nichts essen. In der Schule wurde er gemobbt, blieb sitzen, wurde fast von der Schule geworfen.
In der neunten Klasse fing Felix an, Cannabis zu konsumieren. „Leider unverhältnismäßig“, sagt er heute selbstkritisch. Erst mit der Zeit sei das Verständnis für die Pflanze gekommen. Er wollte die medizinische Wirkung besser kennenlernen, doch es dauerte lange, bis er einen Arzt fand, der ihn bei der Therapie begleitete. Heute konsumiert er 0,5 Gramm pro Tag. Noch muss er das Gras privat bezahlen, er strebt aber die Kostenübernahme durch die Krankenkasse an. Dann will er auch die Dosis erhöhen. „Ich habe mein Leben im Griff wie noch nie“, sagt Felix. „Die Medikation hilft mir so ungemein, mich mit dem Stress des Alltags zu arrangieren und darüber hinaus meine Leistungsfähigkeit und Konzentration zu stärken.“