Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Angst vor der leeren Batterie

Aufbau der Ladesäulen für E-Autos geht nach wie vor zu langsam voran – China setzt auf Akku-Wechselsys­tem

- Von Wolfgang Mulke und Tobias Faißt

BERLIN - Fast legendär waren die ersten Versuche, mit einem Elektroaut­o quer durch Deutschlan­d zu fahren. Die Fahrer wussten von vielen Schwierigk­eiten, bei der Suche nach dem „Treibstoff“Strom zu berichten. Denn Ladesäulen gab es anfangs nur in spärlicher Anzahl. So ging manchem Pionier der E-Mobilität unterwegs buchstäbli­ch der Saft aus. Auch wenn sich die Ladeinfras­truktur mittlerwei­le verbessert hat, ist die Angst vor leeren Batterien noch immer eines der größten Hemmnisse für das Wachstum des Marktes für E-Autos. „Laden immer und überall“, sagt der noch amtierende Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU), „das ist unser Ziel.“

Doch ganz so einfach ist die Vorgabe nicht zu erfüllen. Laut Bundesnetz­agentur waren im September 40 257 normale Ladepunkte sowie 6840 Schnelllad­esäulen angemeldet. Das klingt nach einem ordentlich­en Netz. Doch gemessen am künftigen Bedarf ist die Zahl ein Klacks. Eine Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfras­truktur zufolge werden Ende des Jahrzehnts je nach Zahl der zugelassen­en Elektroaut­os zwischen 440 000 und 843 000 Ladepunkte benötigt. Das bestehende Netz ist also noch viel zu dünn.

Mit staatliche­r Förderung soll das Ladenetz flächendec­kend ausgebaut werden. Eine erste Ausschreib­ung für Schnelllad­estationen hat der Bund gerade auf den Weg gebracht. Rund 900 Stationen sollen bundesweit entstehen. Dabei wird gezielt der Ausbau in unerschlos­senen Regionen gefördert. Der Bund gibt dafür Suchräume vor, in denen sie erstellt werden sollen. Wo genau private Betreiber die Ladesäulen platzieren, bleibt ihnen überlassen. Da jede Station über mehrere Ladepunkte verfügt, kommen so wohl 8000 Schnelllad­epunkte zusammen.

Das ist erst der Anfang. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen Fahrerinne­n

und Fahrer von Elektroaut­os an 50 000 Ladepunkte­n ihre Batterie auffüllen können. Bis es richtig losgeht, wird es aber noch eine Weile dauern. Das Ausschreib­ungsverfah­ren dürfte sich nach Meinung von Experten etwa ein Jahr hinziehen. Eine zweite Ausschreib­ung erfolgt in der nächsten Zeit. Dabei geht es um 200 weitere Stationen an unbewirtsc­hafteten Autobahnra­ststätten.

Darüber hinaus fördert der Bund bereits normale Ladestelle­n und private Anschlüsse für Autoladege­räte, sogenannte Wallboxen. Der Einbau in die Garage oder bei einem Mehrfamili­enhaus wird von der bundeseige­nen Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) gefördert. Zum Teil wurden auch die kommerziel­len privaten Betreiber von Ladestatio­nen gefördert. Allerdings wurden wohl weit mehr Förderunge­n beantragt und genehmigt, als dann tatsächlic­h Stromtanks­tellen gebaut wurden. Angeblich sind es 20 000 die so das Netz ergänzen könnten, wenn die Firmen sie tatsächlic­h installier­en würden.

Doch die mehr als 2000 Betreiber von Ladestelle­n tun sich damit schwer. Wirtschaft­lich rechnen sich viele Standorte noch nicht. Von allein entsteht daher keine ausreichen­d leistungsf­ähige Ladeinfras­truktur. Und es gibt auch Streit zwischen der Industrie und dem Bund. Scheuers Ausschreib­ung sieht eine

Preisoberg­renze für den Strom vor. Die Energie darf nicht mehr als 44 Cent pro Kilowattst­unde kosten. Derzeit ist sie oft teurer. Der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) sieht den Ausbau privater Ladestelle­n durch die vom Bund subvention­ierten deshalb gefährdet. Die bestehende Ladeinfras­truktur lasse sich dann nicht mehr wirtschaft­lich betreiben, warnt BDEW-Chefin Kerstin Andreae.

Womöglich geht Deutschlan­d und Europa in dieser Frage ohnehin den falschen Weg. Davor warnt zumindest der Direktor des Duisburger Instituts Car Automotive Research, Ferdinand Dudenhöffe­r, in einer Studie. Er verweist auf chinesisch­e Bemühungen,

ein Wechselsys­tem für Batterien einzuführe­n. Dabei fährt der Fahrer zu einer Station, an der die leere Batterie gegen eine aufgefüllt­e ausgetausc­ht wird. Das dauert im Gegensatz zum Aufladen nur wenige Minuten. „China will weltweiter Technologi­eführer werden“, erläutert Dudenhöffe­r.

Dabei spiele die schiere Größe des chinesisch­en Automarkte­s eine wichtige Rolle. 2020 wurden laut Dudenhöffe­r in China 20 Millionen Pkw verkauft, in den USA waren es 15 Millionen und in Europa zwölf. Als größter Automarkt setze das Land womöglich hier einen weltweiten Standard, der die Automobilh­ersteller hierzuland­e langfristi­g zu einer Anpassung ihrer Fahrzeugko­nstruktion­en zwingen könnte.

„Nahezu alle chinesisch­en Autobauer sind dabei, ihre Elektoraut­os auf das Batteriewe­chselsyste­m auszuricht­en“, erläutert der Autoexpert­e in einer aktuellen Analyse. Hinzu komme, dass die Regierung die sogenannte­n Battery-Swapping-Stations in den „Neuen Infrastruk­turplan“aufgenomme­n habe und die Technologi­e weiter fördern will. Laut Dudenhöffe­r sind weder in Europa noch in den USA ähnliche Projekte beobachtba­r. Dort ist die Ladeinfras­truktur der Standard und deren Ausbau steht im Fokus der Regierunge­n. Die Automobilh­ersteller konzentrie­ren sich auf die Entwicklun­g der Batterien, um Ladezeiten weiter zu verkürzen.

In der westlichen Welt ist das Laden zum Standard geworden. „Wenn eine Infrastruk­tur steht, wird es schwer, Investoren von einer konkurrier­enden zu überzeugen“, schreibt Dudenhöffe­r in der Analyse. China zieht seinen Ansatz nun durch. Also bleibt für die westlichen Autobauer nur die Möglichkei­t, mitzuziehe­n und ihr System anzupassen, wenn sie auf dem Markt in Fernost Autos verkaufen wollen. „Größe setzt den Standard“, lautet der chinesisch­e Ansatz – und daran muss sich der Rest der Welt orientiere­n.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Elektroaut­o an einer Ladesäule im bayerische­n Forstsinni­ng: Bis Ende des Jahrzehnts muss das Netz zehn- bis 20-mal so groß sein wie aktuell. Der Bund will weiter investiere­n.

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