Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Angst vor der leeren Batterie
Aufbau der Ladesäulen für E-Autos geht nach wie vor zu langsam voran – China setzt auf Akku-Wechselsystem
BERLIN - Fast legendär waren die ersten Versuche, mit einem Elektroauto quer durch Deutschland zu fahren. Die Fahrer wussten von vielen Schwierigkeiten, bei der Suche nach dem „Treibstoff“Strom zu berichten. Denn Ladesäulen gab es anfangs nur in spärlicher Anzahl. So ging manchem Pionier der E-Mobilität unterwegs buchstäblich der Saft aus. Auch wenn sich die Ladeinfrastruktur mittlerweile verbessert hat, ist die Angst vor leeren Batterien noch immer eines der größten Hemmnisse für das Wachstum des Marktes für E-Autos. „Laden immer und überall“, sagt der noch amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), „das ist unser Ziel.“
Doch ganz so einfach ist die Vorgabe nicht zu erfüllen. Laut Bundesnetzagentur waren im September 40 257 normale Ladepunkte sowie 6840 Schnellladesäulen angemeldet. Das klingt nach einem ordentlichen Netz. Doch gemessen am künftigen Bedarf ist die Zahl ein Klacks. Eine Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zufolge werden Ende des Jahrzehnts je nach Zahl der zugelassenen Elektroautos zwischen 440 000 und 843 000 Ladepunkte benötigt. Das bestehende Netz ist also noch viel zu dünn.
Mit staatlicher Förderung soll das Ladenetz flächendeckend ausgebaut werden. Eine erste Ausschreibung für Schnellladestationen hat der Bund gerade auf den Weg gebracht. Rund 900 Stationen sollen bundesweit entstehen. Dabei wird gezielt der Ausbau in unerschlossenen Regionen gefördert. Der Bund gibt dafür Suchräume vor, in denen sie erstellt werden sollen. Wo genau private Betreiber die Ladesäulen platzieren, bleibt ihnen überlassen. Da jede Station über mehrere Ladepunkte verfügt, kommen so wohl 8000 Schnellladepunkte zusammen.
Das ist erst der Anfang. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen Fahrerinnen
und Fahrer von Elektroautos an 50 000 Ladepunkten ihre Batterie auffüllen können. Bis es richtig losgeht, wird es aber noch eine Weile dauern. Das Ausschreibungsverfahren dürfte sich nach Meinung von Experten etwa ein Jahr hinziehen. Eine zweite Ausschreibung erfolgt in der nächsten Zeit. Dabei geht es um 200 weitere Stationen an unbewirtschafteten Autobahnraststätten.
Darüber hinaus fördert der Bund bereits normale Ladestellen und private Anschlüsse für Autoladegeräte, sogenannte Wallboxen. Der Einbau in die Garage oder bei einem Mehrfamilienhaus wird von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert. Zum Teil wurden auch die kommerziellen privaten Betreiber von Ladestationen gefördert. Allerdings wurden wohl weit mehr Förderungen beantragt und genehmigt, als dann tatsächlich Stromtankstellen gebaut wurden. Angeblich sind es 20 000 die so das Netz ergänzen könnten, wenn die Firmen sie tatsächlich installieren würden.
Doch die mehr als 2000 Betreiber von Ladestellen tun sich damit schwer. Wirtschaftlich rechnen sich viele Standorte noch nicht. Von allein entsteht daher keine ausreichend leistungsfähige Ladeinfrastruktur. Und es gibt auch Streit zwischen der Industrie und dem Bund. Scheuers Ausschreibung sieht eine
Preisobergrenze für den Strom vor. Die Energie darf nicht mehr als 44 Cent pro Kilowattstunde kosten. Derzeit ist sie oft teurer. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht den Ausbau privater Ladestellen durch die vom Bund subventionierten deshalb gefährdet. Die bestehende Ladeinfrastruktur lasse sich dann nicht mehr wirtschaftlich betreiben, warnt BDEW-Chefin Kerstin Andreae.
Womöglich geht Deutschland und Europa in dieser Frage ohnehin den falschen Weg. Davor warnt zumindest der Direktor des Duisburger Instituts Car Automotive Research, Ferdinand Dudenhöffer, in einer Studie. Er verweist auf chinesische Bemühungen,
ein Wechselsystem für Batterien einzuführen. Dabei fährt der Fahrer zu einer Station, an der die leere Batterie gegen eine aufgefüllte ausgetauscht wird. Das dauert im Gegensatz zum Aufladen nur wenige Minuten. „China will weltweiter Technologieführer werden“, erläutert Dudenhöffer.
Dabei spiele die schiere Größe des chinesischen Automarktes eine wichtige Rolle. 2020 wurden laut Dudenhöffer in China 20 Millionen Pkw verkauft, in den USA waren es 15 Millionen und in Europa zwölf. Als größter Automarkt setze das Land womöglich hier einen weltweiten Standard, der die Automobilhersteller hierzulande langfristig zu einer Anpassung ihrer Fahrzeugkonstruktionen zwingen könnte.
„Nahezu alle chinesischen Autobauer sind dabei, ihre Elektorautos auf das Batteriewechselsystem auszurichten“, erläutert der Autoexperte in einer aktuellen Analyse. Hinzu komme, dass die Regierung die sogenannten Battery-Swapping-Stations in den „Neuen Infrastrukturplan“aufgenommen habe und die Technologie weiter fördern will. Laut Dudenhöffer sind weder in Europa noch in den USA ähnliche Projekte beobachtbar. Dort ist die Ladeinfrastruktur der Standard und deren Ausbau steht im Fokus der Regierungen. Die Automobilhersteller konzentrieren sich auf die Entwicklung der Batterien, um Ladezeiten weiter zu verkürzen.
In der westlichen Welt ist das Laden zum Standard geworden. „Wenn eine Infrastruktur steht, wird es schwer, Investoren von einer konkurrierenden zu überzeugen“, schreibt Dudenhöffer in der Analyse. China zieht seinen Ansatz nun durch. Also bleibt für die westlichen Autobauer nur die Möglichkeit, mitzuziehen und ihr System anzupassen, wenn sie auf dem Markt in Fernost Autos verkaufen wollen. „Größe setzt den Standard“, lautet der chinesische Ansatz – und daran muss sich der Rest der Welt orientieren.