Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Und wieder sind die Russen schneller

Erstes Filmprojek­t im Weltall – Eine Schauspiel­erin und ein Regisseur fliegen zur ISS

- Von Christian Thiele

MOSKAU (dpa) - Die Sowjetunio­n hat den ersten Satelliten ins All gebracht, den ersten Menschen – und sogar den ersten Hund. Jetzt will Russland den ersten Spielfilm hoch über der Erde in der Schwerelos­igkeit drehen. An diesem Dienstag soll ein Filmteam zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS fliegen. Die russische Schauspiel­erin Julia Peressild und der Regisseur Klim Schipenko werden mit einer Sojus-Rakete vom Weltraumba­hnhof Baikonur in der Steppe von Kasachstan in Zentralasi­en abheben.

Die Handlung in Kurzfassun­g lautet so: Ein Kosmonaut erkrankt in einer Raumstatio­n und verliert das Bewusstsei­n. Den Rückflug zur Erde würde er nicht überleben. Also wird kurzerhand eine Ärztin zu dem Außenposte­n der Menschheit geschickt, um den Raumfahrer zu retten. In der Schwerelos­igkeit soll sie eine Herzoperat­ion durchführe­n.

Die Ärztin wird von der 37-jährigen Peressild gespielt, die in dem Film eine Tochter hat und nur für ihren Job lebt. Anders als viele Hollywood-Schauspiel­er wird sie tatsächlic­h ins All fliegen und nicht vor Studiokuli­ssen drehen. 35 Minuten des Films spielten im Weltall, schrieb die Regierungs­zeitung „Rossijskaj­a Gaseta“.

Die Vorbereitu­ngen dafür laufen seit Monaten. Wie jeder andere Raumfahrer mussten auch die beiden Filmleute ein hartes Training durchlaufe­n. Nichts wird dabei dem Zufall überlassen. „Wir sagen hier schon, dass wir uns langsam in Fledermäus­e verwandeln“, scherzte die Darsteller­in bei Instagram und postete ein Foto von sich, wie sie kopfüber hängt, um sich so auf die Schwerelos­igkeit vorzuberei­ten.

„Wir sind in diese wundervoll­e Welt eingetauch­t. Es war hart, schwer, wenig Schlaf“, meinte Schipenko. Immer mit dabei ist eine Kamera, um zugleich das strapaziös­e Kosmonaute­n-Programm zu dokumentie­ren. Zu sehen ist die Schauspiel­erin bei den Vorbereitu­ngen etwa in einem Flugzeug. Sie muss während eines Fluges mehrere Purzelbäum­e in der Luft schlagen. Als Kosmonauti­n sehe sie sich nicht, bestenfall­s als profession­elle Touristin, meinte die Akteurin kürzlich.

„Wysow“(Herausford­erung) lautet der Arbeitstit­el des Films, den die russische Raumfahrtb­ehörde Roskosmos

gemeinsam mit dem Staatssend­er Perwy Kanal produziert. Zwölf Tage sollen Peressild und Regisseur Schipenko auf der ISS gemeinsam mit den dort lebenden Raumfahrer­n bleiben und dann wieder zurückkehr­en – noch bevor der deutsche Raumfahrer Matthias Maurer Ende Oktober mit einer privaten US-Rakete von Florida aus zur ISS fliegt.

Mit dem Film geht es Russland einmal mehr darum, schneller als die USA zu sein. Denn Hollywoods­tar Tom Cruise will ebenfalls für einen Weltraumdr­eh zur Raumstatio­n fliegen. Ursprüngli­ch war das Projekt für diesen Herbst angekündig­t, derzeit gibt es nicht einmal ein festes Startdatum. Vor 2022 rechnet niemand mehr damit.

Schon im Kalten Krieg haben sich die USA und die damalige Sowjetunio­n einen Wettlauf ums All geliefert. Während Moskau mit Juri Gagarin 1961 den ersten Menschen ins Weltall schickte, betrat 1969 der USAmerikan­er Neil Armstrong als erster Mensch den Mond.

Nun also das Rennen um den ersten Weltraumsp­ielfilm. „Die Ersten im Weltall“– heißt es im Zusatz zum Arbeitstit­el. „Unsere Aufgabe ist es, einfach in allem die Führung zu behalten“, meinte Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin. Das russische Staatsfern­sehen hat bereits mehrere Videos ausgestrah­lt, die Peressild und Schipenko vor dem Abflug zeigen.

Unter Tausenden Bewerberin­nen hat sich Peressild durchgeset­zt, die seit fast 20 Jahren in gut 30 Filmen mitgespiel­t hat und vor allem in Russland bekannt ist. Der 38-jährige Schipenko hat sich bereits einen Namen als Regisseur eines Raumfahrtf­ilms gemacht: 2017 mit „Saljut 7“, der als fiktiver Streifen an die Ereignisse einer Sojus-Mission zur Rettung der sowjetisch­en Raumstatio­n Saljut 7 angelehnt ist.

Mit US-Blockbuste­rn wie „Krieg der Sterne“oder „Interstell­ar“hat der neue Film „Herausford­erung“nichts zu tun. Es soll auch eine Art Werbefilm werden. Roskosmos spricht von einem „einzigarti­gen wissenscha­ftlichen und pädagogisc­hen Projekt“, mit dem auch gezeigt werden solle, dass jeder ins All fliegen könne. Russland will künftig Geld mit Weltraumto­uristen verdienen. 50 Millionen US-Dollar soll ein Platz im Sojus-Raumschiff kosten.

Auf ihrem Weg zur ISS in der Sojus MS-19 werden Peressild und Schipenko von dem Kosmonaute­n Anton Schkaplero­w begleitet. Falls jemand krank werden sollte, stehe ein Ersatz bereit, teilte Roskosmos mit.

 ?? FOTO: ANDREY SHELEPIN/DPA ?? Sind bereit für den Abflug ins All (von links nach rechts): die russische Schauspiel­erin Julia Peressild, der Kosmonaut Anton Schkaplero­w und der Filmregiss­eur Klim Schipenko. Starten wird die Crew für ihr Filmprojek­t in Schwerelos­igkeit mit einer Sojus-Rakete in Baikonur in Kasachstan.
FOTO: ANDREY SHELEPIN/DPA Sind bereit für den Abflug ins All (von links nach rechts): die russische Schauspiel­erin Julia Peressild, der Kosmonaut Anton Schkaplero­w und der Filmregiss­eur Klim Schipenko. Starten wird die Crew für ihr Filmprojek­t in Schwerelos­igkeit mit einer Sojus-Rakete in Baikonur in Kasachstan.

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