Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Was Jöcker von Bohlen gelernt hat

1300 Kinderlied­er hat der Komponist und Liedermach­er verfasst – Nun wird er 70 Jahre alt

- Von Carsten Linnhoff

MÜNSTER (dpa) - Er hat mehrere Generation­en von Kindern mit seinen Liedern geprägt. Und nicht selten die Nerven der Eltern mit den dauernden Wiederholu­ngen durch den Kassettenr­ekorder ungewollt strapazier­t. Detlev Jöcker, der Komponist von Liedern wie „1, 2, 3 im Sauseschri­tt“, „Dicke rote Kerze“oder „SiSa-Singemaus“wird am heutigen Dienstag 70 Jahre alt. „Nach über 1300 komponiert­en Liedern bin ich so weit, dass ich keine neuen Lieder mehr schreibe“, sagt Jöcker.

Jöcker, der mit seiner Frau auf dem Land bei Münster wohnt, wird gern mit dem Autor von „In der Weihnachts­bäckerei“verwechsel­t: Rolf Zuckowski. Beide haben gemeinsam eine Ära geprägt. Auf unterschie­dliche Arten, wie Jöcker erklärt. „Viele Menschen kennen meine Lieder, aber bringen sie oft nicht mit meinem Namen in Zusammenha­ng. Das Phänomen begleitet mich bis heute“, sagt der Vater von vier Söhnen und Opa von sieben Enkelkinde­rn. Das liege daran, „dass ich anders als Rolf Zuckowski, der vor allem auch durch seine Medienpräs­enz sehr bekannt geworden ist, einen eigenen Weg eingeschla­gen habe. Ich schrieb Themenlied­er, die Kinder von klein an durch die Phasen ihrer Entwicklun­g begleiten, und das war etwas ganz Neues.“Bis heute hat Jöcker mehr als 13 Millionen Tonträger verkauft und mit Liederbüch­ern auch den Buchmarkt erobert.

So richtig verbreitet­en sich seine Lieder durch unzählige Seminare mit

Erzieherin­nen und Grundschul­lehrerinne­n. Es begann mit der Anfrage eines Pastors aus Schwerte. Der wollte ein Seminar mit einigen Religionsl­ehrerinnen zum Thema „Singen mit Kindern“anbieten. Neben vielen Liedern und praktische­n Tipps fürs Singen war es vor allen Dingen Jöckers Ziel, Mut zu machen, das „innere Kind“zum Leben zu erwecken und mit den Kindern zu agieren. „Ich bin dann über vier Jahre lang von Stadthalle zu Stadthalle getingelt und habe so mit Tausenden Erzieherin­nen und Grundschul­lehrerinne­n meine Lieder gesungen, die sie mit in ihre Einrichtun­gen und Schulen genommen haben.“

Am Wickeltisc­h seines ersten Sohnes begann Jöcker mit dem Komponiere­n, „weil ich sehr schnell merkte, das ich meinen Sprössling am besten mit einem Kinderlied bei Laune halten konnte“. Weiter ging es dann im Kindergart­en. Irgendwann hieß es: Welche Eltern können was machen? Da backten die einen Waffeln, die anderen betreuten die Spielecke, „und ich konnte meine ersten Kinderlied­er vorsingen. Das war mein erstes Kinderkonz­ert. Es kam so gut an, dass ich dann wegen der großen Nachfrage in immer größeren Räumen aufgetrete­n bin.“

An der klassische­n Gitarre galt der Teenager Jöcker, der in einfachen Verhältnis­sen in Münster aufwuchs, als hochbegabt. Am Konservato­rium der Westfälisc­hen Schule für Musik in Münster bestand er als 15-Jähriger die Aufnahmepr­üfung und wurde zum jüngsten Studenten in Deutschlan­d. „Meine unternehme­rische Karriere begann aber mit einem fatalen

Rechenfehl­er. Zu Beginn hatte ich die Idee, in einer Zeitschrif­t für Eltern Werbepostk­arten für mein Unternehme­n zu platzieren. Die Leute konnten dann ein Liederbuch und eine Musikkasse­tte bestellen. Ich hatte aber einen großen Fehler in der Kalkulatio­n gemacht und die Portogebüh­ren ganz vergessen. Es begannen die schlimmste­n 14 Tage meines Lebens. Ich wusste nicht, ob ich jetzt ruiniert war.“Doch es kam anders. Am Ende hatte er ein finanziell­es Polster, mit dem er den Schritt in die Selbststän­digkeit wagen konnte.

Aus Jöcker wurde ein Funkbassis­t, der viel im Studio arbeitete und Musik für Hörspiele komponiert­e. Anfang der 1970er-Jahre lernte er den Telgter Theater- und Kirchenmus­iker Peter Janssens kennen. Mit dem Erfinder des Sacropops, einer damals neuen Art, religiöse Texte und Melodien zu schreiben, spielte er vier Jahre lang in einer Band. Pro Jahr trat die Gruppe bis zu 240 Mal auf. „Er hat mich in meiner Art, Lieder zu schreiben, stark beeinfluss­t.“

Zu dieser Zeit lief er in einem Verlag in Hamburg dem damals noch unbekannte­n Dieter Bohlen über den Weg. „Er hörte sich meine Musik an und lobte meine Begabung, aber meinte auch, ich müsste noch ein bisschen weiter daran arbeiten. Und dann erzählte er mir, wie schwer es ist, Musik zu verkaufen“, erzählt Jöcker. Auch wenn er kein Fan von Bohlens Musik sei, so habe er aber von dieser Begegnung mitgenomme­n, dass man sich nicht durch andere Meinungen von seiner Überzeugun­g abbringen lassen sollte.

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Hat mehrere Generation­en von Kindern mit seinen Liedern, wie etwa „1, 2, 3 im Sauseschri­tt“, geprägt: Komponist Detlev Jöcker.

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