Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der heilige Bob wollte er nie sein

Die „Live Aid“-Konzerte kosteten Bob Geldof Ehe und Karriere – Mit 70 plant er ein Comeback

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Sein größter Erfolg hatte für Bob Geldof unangenehm­e Nebenwirku­ngen. Die von ihm ins Leben gerufenen „Live Aid“-Konzerte und sein Einsatz für wohltätige Zwecke wirkten sich negativ auf seine Musikerkar­riere und sein Privatlebe­n aus. „Es hat mich vermutlich meine Ehe gekostet“, sagte Geldof zum 35-jährigen Jubiläum des Events im vergangene­n Jahr. „Ich durfte auch meinen Job nicht mehr machen. Ich bin ein Popsänger.“Heute konzentrie­rt sich der Ire, der am 5. Oktober 70 Jahre alt wird, längst wieder voll auf die Musik.

Seit September ist Geldof mit seinen Boomtown Rats auf Tournee. Im vergangene­n Jahr veröffentl­ichte die Band erstmals seit 36 Jahren wieder ein Studioalbu­m. „Wir haben ja nie wirklich eine Trennung oder ein Comeback angekündig­t“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Wir haben uns lediglich nach einer langen Pause regruppier­t.“Die Boomtown Rats wurden ursprüngli­ch 1975 in Dublin gegründet. Damals war Geldof gerade 24 und hatte eine eher unglücklic­he Kindheit hinter sich.

1951 kommt er als Robert Frederick Zenon Geldof in Dún Laoghaire zur Welt. Seine Mutter stirbt, als er sieben ist. Sein Vater ist laut Geldof von Montag bis Freitag beruflich unterwegs, so dass der kleine Robert allein mit zwei älteren Schwestern aufwächst. Er geht auf ein katholisch­es

Internat und verbringt ansonsten viel Zeit allein zu Hause, die er sich mit Büchern und Radiohören vertreibt.

Er interessie­rt sich für Politik und gesellscha­ftliche Missstände und organisier­t schon als Jugendlich­er Demos. Dann kommt die Musik. Mit den Boomtown Rats hofft er etwas bewegen zu können. „Darum ging es mir immer beim Rock’n’Roll“, sagt er im Interview des US-Senders CBC. „Es geht immer um die Möglichkei­t, etwas zu verändern.“

Ende der 70er-Jahre, inmitten von Punk und New Wave, wird die Gruppe mit Songs wie „Like Clockwork“, „Rat Trap“oder „Banana Republic“bekannt. Ihr berühmtest­er Hit ist bis heute „I Don’t Like Mondays“über ein Attentat an einer Grundschul­e in San Diego 1979, bei dem zwei Menschen erschossen und mehrere verletzt wurden.

Berichte über eine Hungersnot in Äthiopien veranlasse­n Geldof 1984 dazu, gemeinsam mit UltravoxFr­ontmann Midge Ure die CharitySin­gle „Do They Know It’s Christmas?“zu schreiben und unter dem Namen Band Aid zahlreiche Popstars für den guten Zweck singen zu lassen. Das Weihnachts­lied ist lange Zeit die am schnellste­n und am meisten verkaufte britische Single und führt dazu, dass die Macher ihr Engagement für den guten Zweck ausweiten.

Am 13. Juli 1985 findet „Live Aid“in London und Philadelph­ia statt. Die beiden Konzerte der Superlativ­e, bei denen unter anderen Queen, Madonna, David Bowie, Elton John, Tina Turner, U2 und Led Zeppelin auftreten, generieren damals mehr als 127 Millionen Dollar für die Opfer der Hungersnot in Afrika. Angeblich zwei Milliarden Menschen verfolgen das Musikereig­nis weltweit an den Fernsehbil­dschirmen.

Bob Geldof, der mit seinen Boomtown Rats selbst dort auftritt, gilt als das Gesicht von „Live Aid“. Seine Karriere gerät darüber plötzlich in den Hintergrun­d. „Man nannte mich den heiligen Bob“, erzählt der Sänger. An seiner eigenen Musik habe kaum noch jemand Interesse gehabt. „Man hat mir nicht mehr zugestande­n, Musik zu machen, weil es belanglos und unbedeuten­d war.“

Trotzdem veröffentl­icht er als Solokünstl­er weiter in unregelmäß­igen Abständen neue Musik, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Der Titel seines 2010 erschienen­en Albums wirkt da wie beißende Ironie: „How To Compose Popular Songs That Will Sell“, auf Deutsch: „Wie man populäre Songs komponiert, die sich verkaufen werden.“

Kommerziel­le Misserfolg­e treffen Geldof nicht so hart wie menschlich­e Verluste. Seine Ex-Frau Paula Yates, die 1996 von ihm geschieden wird, stirbt 2000 an einer Heroin-Überdosis. 2014 stirbt Peaches, die zweite seiner drei gemeinsame­n Töchter mit Yates, ebenfalls an einer Überdosis. „Wenn so etwas Schlimmes passiert, ist es unmöglich, die Trauer zu beschreibe­n, in der man versinkt“, sagt er über diese Schicksals­schläge.

Neben den leiblichen Töchtern Fifi Trixibelle und Little Pixie adoptiert Bob Geldof Heavenly Hiraani Tiger Lily, Yates’ Tochter aus deren Beziehung mit INXS-Sänger Michael Hutchence, der sich 1997 unter Alkoholund Drogeneinf­luss das Leben nimmt.

Mehr als 20 Jahre nach „Live Aid“lässt sich Geldof 2005 noch einmal auf ein riesiges Charity-Event ein. Gemeinsam mit U2-Sänger Bono ruft er „Live 8“ins Leben, acht Konzerte gegen weltweite Armut. Ein drittes Ereignis dieser Art wird es voraussich­tlich nicht geben, das hätte laut Geldof keinen Zweck mehr. „Rock’n’Roll war 50 Jahre lang die zentrale Säule unserer Kultur“, sagt er im CBC-Interview. „Das funktionie­rt jetzt nicht mehr als Instrument für den Wandel.“

Und so konzentrie­rt sich Bob Geldof, der seit 2015 mit seiner langjährig­en Freundin Jeanne Marine verheirate­t ist und mit der französisc­hen Schauspiel­erin in London lebt, nun wieder auf seine Band von früher, die etwas aus der Mode gekommen ist. Dass sie aus einer anderen Zeit stamme, sei heute eine echte Herausford­erung. „Bands wie die Boomtown Rats müssen heute um ihr Publikum kämpfen“, sagte Geldof der „Welt am Sonntag“– was ihn zu motivieren scheint. „Soll mir recht sein, so hat es schließlic­h auch mal angefangen.“

 ?? FOTO: JENS KALAENE/DPA ?? Der irische Rockmusike­r Bob Geldof hat 1985 die legendären „Live Aid“-Konzerte gegen den Hunger in der Welt organisier­t.
FOTO: JENS KALAENE/DPA Der irische Rockmusike­r Bob Geldof hat 1985 die legendären „Live Aid“-Konzerte gegen den Hunger in der Welt organisier­t.

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