Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weichen in Richtung Ampel gestellt

Grüne und FDP sondieren zunächst mit der SPD – CDU-Vize Strobl kritisiert eigene Partei

- Von Claudia Kling, Katja Korf und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Es ist eine Richtungse­ntscheidun­g: Grüne und FDP wollen zunächst mit der SPD über eine mögliche Regierungs­koalition verhandeln. Nach mehreren bilaterale­n Gesprächen werden sie in einer ersten Dreierrund­e an diesem Donnerstag Chancen für eine sogenannte Ampelkoali­tion ausloten. Die Spitzen von Grünen und FDP machten jedoch zugleich klar, dass ein Jamaika-Bündnis mit der Union noch nicht gänzlich vom Tisch ist. Die Reaktionen in der Union fielen unterschie­dlich aus. Kanzlerkan­didat und CDU-Chef Armin Laschet bekräftigt­e die Bereitscha­ft zu weiteren Gesprächen. Der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder wertete die Entscheidu­ng indes als „De-facto-Absage an Jamaika“.

SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz zeigte sich erfreut. „Es ist jetzt an uns, das auch umzusetzen“, sagte er am Mittwoch in Berlin. Es gehe um den Fortschrit­t Deutschlan­ds. In Angriff genommen werden müsse die wirtschaft­liche und industriel­le Modernisie­rung und der verstärkte Kampf gegen den Klimawande­l. „Das war heute ein Schritt in die richtige Richtung – und zwar in Richtung Ampel“, sagte auch Andreas Stoch, der Vorsitzend­e der Südwest-SPD, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die bisherigen Gespräche sind atmosphäri­sch sehr gut verlaufen, damit haben wir eine Grundlage geschaffen, auf der es nun um die Inhalte gehen kann. SPD, Grüne und FDP denken in die Zukunft und wollen gemeinsam den Fortschrit­t organisier­en.“Jedoch räumte Stoch ein, dass es auch „in dieser Konstellat­ion viel zu diskutiere­n“gebe.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock war zuvor in Berlin als Erste an die Öffentlich­keit gegangen: Ihre Partei sei zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll sei, nun vertieft mit FDP und SPD weiter zu sprechen. Deutschlan­d stehe vor großen Herausford­erungen, die rasch angepackt werden müssten, deshalb seien die Grünen der Überzeugun­g, „dass sich dieses Land keine lange Hängeparti­e leisten kann“. FDP-Chef Lindner nahm den Vorschlag eines Dreigesprä­chs

mit Grünen und SPD an. Er sagte, seine Partei trete nur in eine Regierung der Mitte ein, die den „Wert der Freiheit“stärke. Es komme auf liberale Inhalte an. Lindner betonte, mit der Union gebe es die größten inhaltlich­en Überschnei­dungen. Ein Jamaika-Bündnis bleibe für die FDP eine tragfähige Option.

Die Union zeigte sich danach gespalten. CDU-Chef Laschet sieht offenbar weiterhin Chancen für Jamaika. „Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen

bereit, aber die Entscheidu­ng, mit wem man in welcher Reihenfolg­e spricht, liegt bei FDP und Grünen“, sagte er in Düsseldorf. CSU-Chef Söder hingegen sprach von einer „klaren Vorentsche­idung“. In München erklärte er: „FDP und Grüne haben sich entschiede­n für diesen Weg der Ampel. Den müssen sie jetzt auch konsequent gehen.“Die CSU respektier­e die Entscheidu­ng. Es müsse jetzt die Realität anerkannt werden. Man müsse sich damit vertraut machen, dass es sehr wahrschein­lich eine Regierung ohne die Union geben werde. Es gehe nun auch um „Selbstacht­ung und Würde“.

CDU-Vize und Südwest-Chef Thomas Strobl kritisiert­e derweil die eigene Partei. „Für uns ist besonders bitter und hoffentlic­h eine Mahnung, dass die Entwicklun­gen, die uns an den heutigen Punkt gebracht haben, selbst verschulde­t sind“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Zunächst haben zu viele zu intensiv nicht an einem Strang für die CDU und die Union gezogen, sondern versucht, einen persönlich­en Vorteil für sich zu ziehen.“Strobl, der auch Innenminis­ter der grün-schwarzen Regierung in Stuttgart ist, fügte hinzu: „Und jetzt während der Vorsondier­ungen haben wir zu wenig das beachtet, was uns nach der Landtagswa­hl in BadenWürtt­emberg geholfen hat: gute Arbeit, strengste Verschwieg­enheit, höchste Disziplin – das ist das Fundament nicht nur für ein vertrauens­volles Miteinande­r, sondern auch für Aufbruch und Erneuerung.“

Gänzlich aufgeben möchte Strobl ein Jamaika-Bündnis jedoch noch nicht. „Jamaika wäre gut für unser Land, deshalb halte ich diese Konstellat­ion nach wie vor für die beste der möglichen Optionen.“

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die Ampel rückt näher: Zuversicht im Willy-Brandt-Haus, der Berliner Parteizent­rale der SPD.

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