Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Weichen in Richtung Ampel gestellt
Grüne und FDP sondieren zunächst mit der SPD – CDU-Vize Strobl kritisiert eigene Partei
BERLIN/STUTTGART - Es ist eine Richtungsentscheidung: Grüne und FDP wollen zunächst mit der SPD über eine mögliche Regierungskoalition verhandeln. Nach mehreren bilateralen Gesprächen werden sie in einer ersten Dreierrunde an diesem Donnerstag Chancen für eine sogenannte Ampelkoalition ausloten. Die Spitzen von Grünen und FDP machten jedoch zugleich klar, dass ein Jamaika-Bündnis mit der Union noch nicht gänzlich vom Tisch ist. Die Reaktionen in der Union fielen unterschiedlich aus. Kanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet bekräftigte die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder wertete die Entscheidung indes als „De-facto-Absage an Jamaika“.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zeigte sich erfreut. „Es ist jetzt an uns, das auch umzusetzen“, sagte er am Mittwoch in Berlin. Es gehe um den Fortschritt Deutschlands. In Angriff genommen werden müsse die wirtschaftliche und industrielle Modernisierung und der verstärkte Kampf gegen den Klimawandel. „Das war heute ein Schritt in die richtige Richtung – und zwar in Richtung Ampel“, sagte auch Andreas Stoch, der Vorsitzende der Südwest-SPD, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die bisherigen Gespräche sind atmosphärisch sehr gut verlaufen, damit haben wir eine Grundlage geschaffen, auf der es nun um die Inhalte gehen kann. SPD, Grüne und FDP denken in die Zukunft und wollen gemeinsam den Fortschritt organisieren.“Jedoch räumte Stoch ein, dass es auch „in dieser Konstellation viel zu diskutieren“gebe.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock war zuvor in Berlin als Erste an die Öffentlichkeit gegangen: Ihre Partei sei zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoll sei, nun vertieft mit FDP und SPD weiter zu sprechen. Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, die rasch angepackt werden müssten, deshalb seien die Grünen der Überzeugung, „dass sich dieses Land keine lange Hängepartie leisten kann“. FDP-Chef Lindner nahm den Vorschlag eines Dreigesprächs
mit Grünen und SPD an. Er sagte, seine Partei trete nur in eine Regierung der Mitte ein, die den „Wert der Freiheit“stärke. Es komme auf liberale Inhalte an. Lindner betonte, mit der Union gebe es die größten inhaltlichen Überschneidungen. Ein Jamaika-Bündnis bleibe für die FDP eine tragfähige Option.
Die Union zeigte sich danach gespalten. CDU-Chef Laschet sieht offenbar weiterhin Chancen für Jamaika. „Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen
bereit, aber die Entscheidung, mit wem man in welcher Reihenfolge spricht, liegt bei FDP und Grünen“, sagte er in Düsseldorf. CSU-Chef Söder hingegen sprach von einer „klaren Vorentscheidung“. In München erklärte er: „FDP und Grüne haben sich entschieden für diesen Weg der Ampel. Den müssen sie jetzt auch konsequent gehen.“Die CSU respektiere die Entscheidung. Es müsse jetzt die Realität anerkannt werden. Man müsse sich damit vertraut machen, dass es sehr wahrscheinlich eine Regierung ohne die Union geben werde. Es gehe nun auch um „Selbstachtung und Würde“.
CDU-Vize und Südwest-Chef Thomas Strobl kritisierte derweil die eigene Partei. „Für uns ist besonders bitter und hoffentlich eine Mahnung, dass die Entwicklungen, die uns an den heutigen Punkt gebracht haben, selbst verschuldet sind“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. „Zunächst haben zu viele zu intensiv nicht an einem Strang für die CDU und die Union gezogen, sondern versucht, einen persönlichen Vorteil für sich zu ziehen.“Strobl, der auch Innenminister der grün-schwarzen Regierung in Stuttgart ist, fügte hinzu: „Und jetzt während der Vorsondierungen haben wir zu wenig das beachtet, was uns nach der Landtagswahl in BadenWürttemberg geholfen hat: gute Arbeit, strengste Verschwiegenheit, höchste Disziplin – das ist das Fundament nicht nur für ein vertrauensvolles Miteinander, sondern auch für Aufbruch und Erneuerung.“
Gänzlich aufgeben möchte Strobl ein Jamaika-Bündnis jedoch noch nicht. „Jamaika wäre gut für unser Land, deshalb halte ich diese Konstellation nach wie vor für die beste der möglichen Optionen.“