Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Stern, der spaltet

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Debatten über Genderpoli­tik haben etwas Ermüdendes. Vor allem, weil Argumente oft mit einer Verbissenh­eit vorgetrage­n werden, die Kompromiss­e ausschließ­t. Gerade die SPD ist in dieser Hinsicht nicht über jeden Verdacht erhaben. Das hat im Frühjahr die Diskussion um Wolfgang Thierse gezeigt, der sich mit Schwulen-, Lesben-, Bi- und Transgende­r-Aktivisten angelegt hat – und somit auch mit seiner Parteichef­in Saskia Esken.

Eine Selbstvers­tändlichke­it ist es darum nicht, dass die amtierende Familienmi­nisterin Christine Lambrecht Ministerie­n und Behörden jetzt den Verzicht auf gendergere­chte Sonderzeic­hen nahelegt, vom Binnen-Doppelpunk­t bis zum BinnenUnte­rstrich. Die Begründung ist angenehm unaufgereg­t: Die Verständli­chkeit sei nicht sichergest­ellt, die Verwendung entspreche nicht den Rechtschre­ibregeln.

Das Streben nach Gleichbeha­ndlung von Frauen und sexuellen Minderheit­en ist zweifellos ein berechtigt­es Anliegen. Fragen darf man aber, ob die Sprache dafür wirklich das richtige Mittel ist. Der Genderster­n stellt manche Menschen zufrieden – anderen geht er gehörig auf die Nerven. Konsens schafft er nicht, im Gegenteil. Die Nennung der weiblichen Form neben der männlichen, wie es Lambrecht empfiehlt, ist rechtschre­ibkonform und spaltet die Gesellscha­ft deutlich weniger. Und dass Menschen mit diversem oder ohne Geschlecht­seintrag nicht berücksich­tigt sind, ist nach Ansicht der Ministerin kein Problem, da diese Gruppe „sehr wenige“Menschen umfasst. So viel Pragmatism­us hätte man in der Genderdeba­tte kaum für möglich gehalten.

Von Behörden darf man erwarten, dass sie sich an die Rechtschre­ibregeln halten. Und nicht nur von denen. Dasselbe muss auch für andere öffentlich­e Einrichtun­gen gelten, für Schulen und Universitä­ten etwa. In Baden-Württember­g aber will Kultusmini­sterin Theresa Schopper es den Schüler_innen, SchülerInn­en, Schüler*innen, Schülerinn­en und Schülern selbst überlassen, wie diese sich bezeichnen. Das schafft nur Verwirrung, keine Klarheit.

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