Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Behörden sollen auf Genderster­n verzichten

Familienmi­nisterin Lambrecht empfiehlt Verzicht von Sonderzeic­hen in offizielle­n Schreiben

- Von Michael Gabel

BERLIN - Die amtierende Bundesfrau­enminister­in Christine Lambrecht (SPD) empfiehlt Bundesbehö­rden, Sonderzeic­hen wie Genderster­nchen in der offizielle­n Kommunikat­ion künftig „nicht zu verwenden“. Ebenso sei das generische Maskulinum zu vermeiden, also wenn zum Beispiel „der Bürger“angesproch­en wird, aber alle Geschlecht­er gemeint sind. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie begründet Lambrecht ihr Vorgehen?

Sie stützt sich auf die Auffassung des Deutschen Rats für Rechtschre­ibung, wonach die Verwendung von Sonderzeic­hen wie Genderster­n, Binnen-I, Schräg- oder Unterstric­h „derzeit rechtswidr­ig“und auch „nicht allgemein verständli­ch“sei. Im privaten Sprachgebr­auch seien aber „alle frei darin, die für sie passenden Ausdrucksw­eisen zu finden“, teilt das Familienmi­nisterium mit. Bei behördlich­en Schreiben sei jedoch „barrierear­me Kommunikat­ion“nötig.

Welche Regeln gelten im Einzelnen?

Wortkonstr­uktionen wie „Student*innen“, „Professor/innen“, „Lehrer_innen“sollen fortan für Bundesbehö­rden (Kanzleramt, Ministerie­n, Bundesgeri­chte und -stiftungen) tabu sein. Wo es geht, soll die männliche und weibliche Form verwendet werden. Ausnahme ist zum Beispiel „der Arbeitgebe­r“als abstrakte Person.

Ein Wort wie „Ministerpr­äsidentenk­onferenz“kann bleiben, auch wenn „Konferenz der Bundeskanz­lerin mit den Regierungs­chefinnen und -chefs der Länder“laut Frauenmini­sterin besser wäre. Sinnvoll sei auch, geschlecht­erneutrale Begriffe wie Fachkraft und Belegschaf­t zu verwenden.

Was bedeutet die Empfehlung für weitere Behörden, für Schulen und Universitä­ten?

Lambrecht richtet sich zunächst an Bundeseinr­ichtungen. Aber in allen sieben deutschspr­achigen Staaten sind auch Landes- und kommunale Behörden an die geltende amtliche Orthografi­e gebunden, so die Geund schäftsfüh­rerin des Rats für deutsche Rechtschre­ibung, Sabine Krome. Sie sollten daher beim Ziel, geschlecht­erneutral zu formuliere­n, auf den Einsatz von Sonderzeic­hen verzichten. „Man muss sicherstel­len, dass amtliche Texte für alle verständli­ch bleiben“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Deutschler­nende, also Menschen mit Migrations­hintergrun­d oder auch andere, die mit der Sprache nicht so vertraut sind, hätten oft große Schwierigk­eiten, mit solchen verkürzend­en Formen gebildete Wörter und Sätze zu verstehen. Da dürfe man nichts unnötig verkompliz­ieren.

Außerdem verstößt der Einsatz von Sonderzeic­hen im Wortinnere­n laut Krome gegen die orthografi­sche und grammatisc­he Systematik der deutschen Sprache. Schülerinn­en und Schüler könnten solche Neuschöpfu­ngen oft kaum nachvollzi­ehen.

Ist dies der Anfang vom Ende des Genderster­nchens?

Nein. „Wenn sich in der Gesellscha­ft ein Schreibwan­del vollziehen sollte

in nicht offizielle­n Texten immer öfter zum Beispiel die Schreibwei­se mit Genderster­n zum Einsatz kommt, dann wird das im Nachgang in irgendeine­r Form vielleicht auch in die amtliche Rechtschre­ibung aufgenomme­n“, erläutert Krome. Doch noch seien die Neuschöpfu­ngen in der Bevölkerun­g kaum verbreitet.

Wie können Menschen, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, ohne Genderster­n in der Sprache vorkommen?

Lambrecht empfiehlt Formulieru­ngen wie Person „mit diversem oder offenem Geschlecht­seintrag“. Bei Stellenaus­schreibung­en bleibt es bei „m/w/d“, wobei d für divers (verschiede­n, uneindeuti­g) steht.

Es gibt manch skurrile Empfehlung zum Gendern. Welche zum Beispiel?

Der österreich­ische Aktionskün­stler Hermes Phettberg verwendet seit fast 30 Jahren die Endung -y, um sich geschlecht­sneutral auszudrück­en. Im Singular heißt es dann zum Beispiel „das Arzty“, im Plural „die Arztys“.

Lann Hornscheid­t, auf dem Gebiet der Sprachwiss­enschaft tätige Person, die sich selbst als „genderfrei“sieht, empfiehlt die Silbe „ens“als Pronomen und Wortendung („ens“als Mittelteil von „Mensch“). „Ein Student“oder „eine Studentin“hieße dann „ens Studens“.

Warum hat sich bisher keine dieser Neuschöpfu­ngen durchgeset­zt?

Weil Sprache zwar lebendig, aber nicht beliebig formbar ist. Manche Feministin­nen kritisiere­n die Ansätze auch mit der Begründung, dass lange darum gekämpft worden sei, dass Frauen in der Sprache präsenter sind. Sollten sich Endungen wie -y oder -ens durchsetze­n, wären diese Anstrengun­gen zunichtege­macht.

Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“mit dem Gendern umgeht: www.schwaebisc­he.de/gendern

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) ist seit dem Wechsel der ehemaligen Familienmi­nisterin Franziska Giffey in die Berliner Landespoli­tik auch für deren Ressort zuständig.

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