Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Behörden sollen auf Genderstern verzichten
Familienministerin Lambrecht empfiehlt Verzicht von Sonderzeichen in offiziellen Schreiben
BERLIN - Die amtierende Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD) empfiehlt Bundesbehörden, Sonderzeichen wie Gendersternchen in der offiziellen Kommunikation künftig „nicht zu verwenden“. Ebenso sei das generische Maskulinum zu vermeiden, also wenn zum Beispiel „der Bürger“angesprochen wird, aber alle Geschlechter gemeint sind. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie begründet Lambrecht ihr Vorgehen?
Sie stützt sich auf die Auffassung des Deutschen Rats für Rechtschreibung, wonach die Verwendung von Sonderzeichen wie Genderstern, Binnen-I, Schräg- oder Unterstrich „derzeit rechtswidrig“und auch „nicht allgemein verständlich“sei. Im privaten Sprachgebrauch seien aber „alle frei darin, die für sie passenden Ausdrucksweisen zu finden“, teilt das Familienministerium mit. Bei behördlichen Schreiben sei jedoch „barrierearme Kommunikation“nötig.
Welche Regeln gelten im Einzelnen?
Wortkonstruktionen wie „Student*innen“, „Professor/innen“, „Lehrer_innen“sollen fortan für Bundesbehörden (Kanzleramt, Ministerien, Bundesgerichte und -stiftungen) tabu sein. Wo es geht, soll die männliche und weibliche Form verwendet werden. Ausnahme ist zum Beispiel „der Arbeitgeber“als abstrakte Person.
Ein Wort wie „Ministerpräsidentenkonferenz“kann bleiben, auch wenn „Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder“laut Frauenministerin besser wäre. Sinnvoll sei auch, geschlechterneutrale Begriffe wie Fachkraft und Belegschaft zu verwenden.
Was bedeutet die Empfehlung für weitere Behörden, für Schulen und Universitäten?
Lambrecht richtet sich zunächst an Bundeseinrichtungen. Aber in allen sieben deutschsprachigen Staaten sind auch Landes- und kommunale Behörden an die geltende amtliche Orthografie gebunden, so die Geund schäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung, Sabine Krome. Sie sollten daher beim Ziel, geschlechterneutral zu formulieren, auf den Einsatz von Sonderzeichen verzichten. „Man muss sicherstellen, dass amtliche Texte für alle verständlich bleiben“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“. Deutschlernende, also Menschen mit Migrationshintergrund oder auch andere, die mit der Sprache nicht so vertraut sind, hätten oft große Schwierigkeiten, mit solchen verkürzenden Formen gebildete Wörter und Sätze zu verstehen. Da dürfe man nichts unnötig verkomplizieren.
Außerdem verstößt der Einsatz von Sonderzeichen im Wortinneren laut Krome gegen die orthografische und grammatische Systematik der deutschen Sprache. Schülerinnen und Schüler könnten solche Neuschöpfungen oft kaum nachvollziehen.
Ist dies der Anfang vom Ende des Gendersternchens?
Nein. „Wenn sich in der Gesellschaft ein Schreibwandel vollziehen sollte
in nicht offiziellen Texten immer öfter zum Beispiel die Schreibweise mit Genderstern zum Einsatz kommt, dann wird das im Nachgang in irgendeiner Form vielleicht auch in die amtliche Rechtschreibung aufgenommen“, erläutert Krome. Doch noch seien die Neuschöpfungen in der Bevölkerung kaum verbreitet.
Wie können Menschen, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, ohne Genderstern in der Sprache vorkommen?
Lambrecht empfiehlt Formulierungen wie Person „mit diversem oder offenem Geschlechtseintrag“. Bei Stellenausschreibungen bleibt es bei „m/w/d“, wobei d für divers (verschieden, uneindeutig) steht.
Es gibt manch skurrile Empfehlung zum Gendern. Welche zum Beispiel?
Der österreichische Aktionskünstler Hermes Phettberg verwendet seit fast 30 Jahren die Endung -y, um sich geschlechtsneutral auszudrücken. Im Singular heißt es dann zum Beispiel „das Arzty“, im Plural „die Arztys“.
Lann Hornscheidt, auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft tätige Person, die sich selbst als „genderfrei“sieht, empfiehlt die Silbe „ens“als Pronomen und Wortendung („ens“als Mittelteil von „Mensch“). „Ein Student“oder „eine Studentin“hieße dann „ens Studens“.
Warum hat sich bisher keine dieser Neuschöpfungen durchgesetzt?
Weil Sprache zwar lebendig, aber nicht beliebig formbar ist. Manche Feministinnen kritisieren die Ansätze auch mit der Begründung, dass lange darum gekämpft worden sei, dass Frauen in der Sprache präsenter sind. Sollten sich Endungen wie -y oder -ens durchsetzen, wären diese Anstrengungen zunichtegemacht.
Wie die „Schwäbische Zeitung“mit dem Gendern umgeht: www.schwaebische.de/gendern