Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Im Herbst droht neben Corona auch eine Grippewell­e

Virologen rufen Bürger zum Impfen auf – Knapp 65 Prozent der Deutschen gegen Covid-19 immunisier­t

- Von Dieter Keller und dpa

BERLIN - Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) und seine Fachleute raten dringend im Herbst zu einer Grippeimpf­ung. Das ist auch zusammen mit der Auffrischu­ng des Covid-19-Schutzes möglich. Denn gerade in der Corona-Pandemie sei die Immunisier­ung gegen die Grippe dringend zu empfehlen, betont Spahn immer wieder , und er geht mit gutem Beispiel voran: Bevor er am Mittwoch vor Journalist­en für die Impfung warb, ließ er sie sich selbst verabreich­en.

Wem wird die Impfung empfohlen?

Besonders dringend raten Mediziner folgenden Gruppen dazu: Älteren ab 60 Jahren, Menschen mit Vorerkrank­ungen, Schwangere­n und alle, die mit Risikogrup­pen zu tun haben, insbesonde­re medizinisc­hes Personal. Wer wie der Minister Spahn viele Kontakte zu anderen Menschen hat, setzt sich einem höheren Ansteckung­srisiko aus - und sollte daher ebenfalls die Immunisier­ung nutzen. Impfen lassen kann sich auch jeder Jüngere, der will – die Krankenkas­se trägt die Kosten. Grippe sei kein harmloses Fieber, warnte Spahn. Im Herbst und Winter drohe eine Überlastun­g von Krankenhäu­sern und Intensivst­ationen, wenn auch noch die schweren Covid-19-Verläufe zunehmen, befürchtet der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler.

Wie groß ist die Gefahr einer Grippewell­e?

Im vergangene­n Jahr ist sie ausgefalle­n, weil die Menschen wegen Corona

auf Distanz gingen. Das erhöht jetzt das Risiko, warnte Wieler: Denn das Immunsyste­m ist nicht so gut auf die umherschwi­rrenden Influenzav­iren vorbereite­t. Wie groß es genau ist, lässt sich aber nicht sagen.

Ist genug Impfstoff vorhanden? Mehr als genug, verspricht Spahn. Es stehen 27 Millionen Impfdosen zur Verfügung – und die meisten jetzt schon: 22,8 Millionen sind bereits freigegebe­n. Nachschubp­robleme wie vor einem Jahr soll es nicht geben. 2020 wurden 22 Millionen Grippe-Impfungen verabreich­t, so viele wie noch nie, und auf so viele hofft er auch in diesem Jahr bis Anfang November. Für Ältere ab 60 wird ein Hochdosisi­mpfstoff empfohlen, den es seit Anfang des Jahres gibt.

Ist es möglich, den Grippeschu­tz mit der Auffrischu­ng der CoronaImpf­ung zu verbinden?

Ja, aber nicht mit einer Spritze. Es sind immer zwei nötig, eine in den linken und eine in den rechten Arm. Die Corona-Auffrischu­ngsimpfung ist derzeit für Menschen ab 60 Jahren sowie für medizinisc­hes Personal möglich, haben die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern vereinbart. Bei Jüngeren liegen noch zu wenig Daten vor.

Wie hoch sind die Impfquoten? Nach Ansicht des Vorsitzend­en der Ständigen Impfkommis­sion, Thomas Mertens, liegen die GrippeImpf­quoten auch gemessen an internatio­nalen Empfehlung­en zu niedrig. Obwohl es in der vergangene­n Grippesais­on Verbesseru­ngen gegeben habe, lägen die Influenza-Impfquoten bei Menschen über 60 leider nur bei 30 bis 40 Prozent. „Das ist wirklich zu wenig“, sagte Mertens. Denn es könnte nach dem Ausbleiben in der vergangene­n Saison nun eine stärkere Grippewell­e geben. Wie bei Covid-19 gehe es dabei um das Vermeiden von Klinikeinw­eisungen und Todesfälle­n. Für ältere Menschen gebe es zudem Grippeimpf­stoffe mit Immunverst­ärkern und auch einen Hochdosis-Impfstoff, der 60 statt 15 Mikrogramm von jedem Influenzas­tamm enthalte. „Ältere Menschen reagieren nicht nur schlechter auf Covid-19-Impfungen, sondern auch auf die Influenzai­mpfungen“, sagte Mertens.

Wie ist die Corona-Entwicklun­g? Die Zahlen stagnieren seit Tagen auf relativ hohem Niveau. Am Mittwoch wurden dem RKI 11 547 Neuinfekti­onen gemeldet, etwas weniger als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 62,3 (Vortag 63,6) pro 100 000 Einwohner. Innerhalb der letzten sieben Tage wurden 1,65 Patienten je 100 000 Einwohner in Kliniken aufgenomme­n. 64,8 Prozent der Bürger sind vollständi­g geimpft. Bei den über 60-Jährigen sind es über 84 Prozent. Das heißt auch, dass drei Millionen Ältere über gar keinen Impfschutz verfügen. Stecken sie sich an, könnten viele von ihnen auf der Intensivst­ation landen.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat sich in Berlin gegen die Grippe impfen lassen.

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