Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mutter muss in Haft
Urteil im Münsteraner Missbrauchsprozess
MÜNSTER (dpa) - Sie hatte die Qualen, die ihr Sohn erlitt, nicht verhindert: Nun soll die Mutter eines Opfers im Missbrauchskomplex Münster nach dem Urteil des Landgerichts wegen Beihilfe durch Unterlassung für sieben Jahre und neun Monate in Haft. Nach Überzeugung der Richter wusste die Frau, dass ihr damaliger Lebensgefährte ihren Sohn schwer sexuell missbrauchte. Die heute 32-Jährige habe die Vergewaltigungen aber nicht verhindert.
Der Vorsitzende Richter Oliver Pleus fand in der Urteilsbegründung deutliche Worte: „Sie hätten als alleinerziehende Mutter einschreiten müssen. Ihre Verantwortung war gewaltig. Die Folgen für das Kind sind gewaltig. Seine Entwicklung ist schwer gefährdet.“Das sei eine Folge ihres Nichthandelns. „Sie ließen es zu, dass der Stiefvater in den Jahren 2018 bis 2019 189-mal alleine mit dem Jungen übernachtet hat“, sagte Pleus in seiner rund einstündigen Urteilsbegründung. Da sei es immer wieder zum schweren sexuellen Missbrauch durch den hochmanipulativen Täter gekommen. Dieser Mann gilt als Drahtzieher in dem Komplex, der sich um Vergewaltigungen von Kindern in einer Gartenlaube in Münster und anderen Orten in Deutschland dreht. Der IT-Techniker wurde im Mai 2020 festgenommen und zu 14 Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Der heute zwölf Jahre alte Junge ist schwer traumatisiert. Das Gericht ist überzeugt: Zumindest die Folgen durch Vernehmungen bei der Polizei und die folgenden Prozesse hätte die Mutter verhindern können, wenn sie sich früher geäußert hätte.
Die Frau hatte vor den Plädoyers überraschend ein Teilgeständnis abgelegt – und eingeräumt, seit Oktober 2019 den Missbrauch für möglich gehalten zu haben. Sie sei aber nicht in der Lage gewesen, die Beziehung zu beenden. In ihrem letzten Wort vor Gericht äußerte sie Bedauern.
Nach Überzeugung des Gerichts wusste die Frau seit Jahren von der sexuellen Neigung ihres Lebensgefährten zu Kindern. Die hatte er ihr zu Beginn der Beziehung gestanden und versprochen, dass es bei ihrem Sohn nicht passieren würde. Der Mann baute eine enge Bindung zu dem Jungen auf. Er vertrat ihn nach außen, auch gegenüber der Schule, als Vater. Die Angeklagte habe offenbar dieses Gefühl der Familie nicht gefährden wollen. Sie selbst war ein Trennungskind, wurde vom neuen Freund ihrer Mutter geschlagen und als Jugendliche auch sexuell missbraucht. Diese Details wurden im Prozessverlauf bekannt.
Beim Strafmaß entschied sich das Gericht, noch unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von zehn Jahren Haft zu bleiben. Zur Begründung gab Richter Pleus den selbst erlebten Missbrauch der Frau und das, wenn auch späte, Teilgeständnis an.