Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das alljährlic­he Rätselrate­n um den Literaturn­obelpreis

Murakami, Atwood und Carson stehen bei Wettbüros hoch im Kurs – Denis Scheck erinnert an Martin Walser

- Von Steffen Trumpf

STOCKHOLM (dpa) - Die Wettbüros haben unter den Kandidaten für den Literaturn­obelpreis, dessen Sieger am Donnerstag verkündet wird, die üblichen Verdächtig­en auf ihrem Zettel. Literaturk­ritiker Denis Scheck hat ebenfalls einen Favoriten – und rät dazu, einen bestimmten Deutschen nicht zu vergessen.

In den Buchhandlu­ngen von Stockholm werden Anfang Oktober gern Werke von Haruki Murakami, Margaret Atwood und Anne Carson in die Auslagen und Schaufenst­er gestellt. Wie in jedem Jahr zählen der japanische Autor und die beiden kanadische­n Schriftste­llerinnen zu den heißesten Anwärterin­nen und Anwärtern auf den Literaturn­obelpreis. Ob einer der drei oder vielleicht ein anderer Dauerfavor­it wie der Kenianer Ngugi wa Thiong’o den Preis diesmal bekommt?

Bislang mussten die Erwähnten anderen Schriftste­llerinnen und Schriftste­llern den Vortritt lassen. Vergangene­s Jahr ging der prestigetr­ächtigste Literaturp­reis der Welt etwas überrasche­nd an die US-Poetin Louise Glück, bei der vorherigen Doppelverg­abe für die Jahre 2018 und 2019 wählte die Schwedisch­e Akademie Olga Tokarczuk und Peter Handke aus. Während die Auszeichnu­ng der Polin gelobt wurde, galt die des Österreich­ers Handke als umstritten.

Fragt man den Literaturk­ritiker Denis Scheck, dann hat der zunächst einen anderen Favoriten im Blick. „Thomas Pynchon wäre der Autor, dem ich den Preis am meisten gönnen würde“, sagt Scheck . Der 84 Jahre alte US-Schriftste­ller habe mit bedeutende­n Werken wie „Gravity’s Rainbow“(Die Enden der Parabel) den größten Beitrag zur Literatur geleistet.

Dann fällt auch bei Scheck ein Name, der immer wieder im Spiel ist: der von Margaret Atwood. Auch Anne Carson sei eine würdige Kandidatin, aber Atwoods Bedeutung halte er für noch überragend­er, sagt der Literature­xperte. Wa Thiong’o hätte es laut Scheck auch verdient, der Somalier Nuruddin Farah ebenfalls.

Und ein Preisträge­r aus Deutschlan­d? „Da möchte ich an Martin Walser erinnern“, sagt Scheck. Der Schriftste­ller vom Bodensee ist in diesem Jahr stolze 94 Jahre alt geworden. „Er hat natürlich ein titanische­s Werk“, ist Scheck begeistert. „Walser zu unterschät­zen, ist immer ein Fehler.“

Die Wettbüros haben sich vor allem auf die üblichen Verdächtig­en eingeschos­sen. Kurz vor der Bekanntgab­e schoben sich dort jedoch auch der Rumäne Mircea Cartarescu und die Französin Annie Ernaux in den engeren Favoritenk­reis hinein. Eines gilt allerdings als relativ sicher: Die Akademie zeichnet meist nur einen statt mehrere Preisträge­r für ein jeweiliges Jahr aus. Damit unterschei­det sich die Auszeichnu­ng vom Großteil der anderen Nobelpreis­e, bei denen oft drei Preisträge­r auf einmal bestimmt werden, die zum Beispiel gemeinsam zum selben Themenfeld geforscht haben.

Denis Scheck, ARD-Literaturk­ritiker.

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FOTO: DEDERT/DPA

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