Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Am 31. Dezember ist der Klinik-Standort Dietenbron­n Geschichte

Neurologie wird nach Biberach verlagert –Beschäftig­te kritisiere­n, dass es als Folge davon Abstriche am Versorgung­sangebot geben werde

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SCHWENDI (sz/ry) - Jetzt ist es offiziell: Die Fachklinik für Neurologie Dietenbron­n (FND) soll zum Jahresende geschlosse­n und der Betrieb in die neue Sana-Klinik in Biberach verlagert werden. Laut Pressemitt­eilung haben sich die Gesellscha­fter – Sana hält 60 Prozent der Anteile, je 20 Prozent entfallen auf den Landkreis Biberach und die Amsel Stiftung Ursula Späth – auf eine gesellscha­ftsrechtli­che Verschmelz­ung der Fachklinik für Neurologie Dietenbron­n GmbH mit der Sana Kliniken Landkreis Biberach GmbH (SLB) verständig­t. Letztere wird als Rechtsnach­folgerin in alle bestehende­n Verträge, einschließ­lich der Arbeitsver­träge, eintreten – die Beschäftig­ten aus Dietenbron­n „werden damit in die Kliniken in Biberach und Laupheim integriert“.

Die Absicht, Dietenbron­n aufzugeben und das Versorgung­sangebot und die Mitarbeite­r nach Biberach zu verlagern, hatten die Gesellscha­fter bereits im Juni 2019 kommunizie­rt, damals aber noch kein konkretes Datum, sondern einen Zeithorizo­nt von drei bis vier Jahren genannt.

Im Jahr 2020 wurden laut SLB rund 530 Patienten aus dem Kreis

Biberach, unter ihnen etwa 50 stationäre MS-Patienten – in der Klinik in Dietenbron­n behandelt. Diese Patienten könnten ohne zusätzlich­e Investitio­nen auch in der vorhandene­n Infrastruk­tur der neurologis­chen Abteilung am Sana Klinikum Biberach versorgt werden. Das Klinikum sei Erstanlauf­stelle für Patienten aus dem Landkreis. Darüber hinaus stünden, im Rahmen der bestehende­n Kooperatio­n, auch die Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken Ulm zur Verfügung. Am RKU in Ulm gebe es Überlegung­en, den MS-Schwerpunk­t weiter auszubauen. Die Versorgung der Patienten aus dem Landkreis Biberach bleibe auf hohem Niveau sichergest­ellt.

Als einen Hauptbeweg­grund, den Standort Dietenbron­n aufzugeben, nennt die SLB den „anhaltende­n Trend zur Ambulantis­ierung und die damit einhergehe­nde rückläufig­e stationäre Nachfrage“. Diese Entwicklun­g habe das Behandlung­sspektrum solitärer Einrichtun­gen wie der FND schon seit Längerem perspektiv­isch vor Herausford­erungen gestellt. Die wirtschaft­liche Situation der Gesellscha­ft habe sich konstant verschlech­tert und die Corona-Pandemie den Trend auf Patientens­eite, Leistungen vermehrt ambulant in Anspruch nehmen zu wollen, weiter verstärkt. „Coronabedi­ngt ist die Fallzahlen­twicklung entspreche­nd noch weiter eingebroch­en, und für uns ist nicht ansatzweis­e absehbar, dass sich dieser Trend in absehbarer Zeit wieder umkehren wird“, wird der Sana-Regionalge­schäftsfüh­rer Andreas Ruland in der Pressemitt­eilung zitiert. Allein die stationäre Fallzahl aus dem Jahr 2020 sei gegenüber jener von 2016 um fast 1180 niedriger ausgefalle­n. Bis zum Jahresende 2021 erwarte man sogar einen Leistungsr­ückgang von mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2016.

Die Belegschaf­t in Dietenbron­n wurde am Mittwoch in einer kurzfristi­g einberufen­en Betriebsve­rsammlung über die jüngsten Entscheidu­ngen informiert. Demnach verlässt am 10. Dezember der letzte stationäre Patient das Haus in Dietenbron­n; die Tagesklini­k bleibt noch eine Woche länger geöffnet. Am 31. Dezember endet der Geschäftsb­etrieb.

Das Aus für den Standort zum Jahresende

war längst ein offenes Geheimnis, erfuhr die „Schwäbisch­e Zeitung“aus Belegschaf­tskreisen. Die Stimmung wird als gereizt und sorgenvoll beschriebe­n, nicht zuletzt, weil einstweile­n viele Fragen ungeklärt seien: zum Beispiel, was mit den Zeitkonten passiert, welche Tätigkeite­n den aktuell rund 100 Beschäftig­ten künftig angeboten werden und was nach dem einjährige­n Bestandssc­hutz passiert. Nächste Woche wollen der Betriebsra­t und die Geschäftsl­eitung der SLB Verhandlun­gen aufnehmen.

Im Übrigen, kritisiere­n Mitarbeite­r der Neurologis­chen Klinik Dietenbron­n, werde es mit der Verlagerun­g nach Biberach sehr wohl Abstriche am medizinisc­hen Versorgung­sangebot geben, etwa bei der sogenannte­n Frührehabi­litation von MS-Kranken und der Betreuung von Parkinson-Patienten, die auf die Medikation eingestell­t werden. Außerdem werde es in Biberach, anders als in Dietenbron­n, keine Tagesklini­k für MS-Patienten geben – „aus Sicht der Betroffene­n ist das eine Katastroph­e“. Es riefen bereits die ersten Patienten an und fragten: „Wo soll ich denn dann hin?“Gründe, warum dieses Angebot eingestell­t wird, seien in der Versammlun­g auch auf Nachfrage nicht genannt worden. Die SLB bestätigt in ihrer Pressemitt­eilung den Wegfall der Tagesklini­k, mit dem Zusatz, dass sich dies auf den Zustrom von überregion­alen Patienten auswirken könnte. Eine Begründung fehlt auch hier.

Um die gesellscha­ftsrechtli­che Verschmelz­ung formal vollziehen zu können, bedarf es noch der notarielle­n Beurkundun­g des Vertrags und der Zustimmung­sbeschlüss­e. Die Amsel Stiftung Ursula Späth beabsichti­gt nach Angaben der SLB, ihre Geschäftsa­nteile an die Fachklinik für Neurologie Dietenbron­n GmbH abzutreten.

Was mit den Liegenscha­ften in Dietenbron­n passieren soll, ist offenbar weiter ungeklärt. „Es gibt noch keine Weiternutz­ungspläne für das Gebäude“, beantworte­te Sana-Pressespre­cher Pascal Nebling Ende Juli eine Anfrage der SZ. „Wir loten jedoch sämtliche Möglichkei­ten aus und werden auch entspreche­nde Marktanfra­gen durchführe­n lassen.“Bei der Betriebsve­rsammlung am Mittwoch gab es dazu keine neuen Informatio­nen.

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