Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schwäbisch­e Holzbaukun­st im Wüstenstaa­t

Kaufmann in Oberstadio­n ist maßgeblich am Bau des Baden-Württember­g-Pavillons auf der Expo 2020 in Dubai beteiligt

- Von Reiner Schick

OBERSTADIO­N/DUBAI - 25 Millionen Besucher werden vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 auf der Expo 2020 im arabischen Emirat Dubai erwartet. Darüber freut man sich auch bei der Firma Kaufmann Bau in Oberstadio­n. Denn selten dürften auf eines ihrer Objekte gleich so viele Augen gerichtet sein wie in diesem Fall.

192 Nationen präsentier­en sich bei der alle zwei bis drei Jahre an wechselnde­n Orten ausgericht­eten Weltausste­llung, und als einziges Bundesland ist erstmals auch das Land Baden-Württember­g mit einem eigenen Pavillon vertreten. Unter dem Motto „Feel the spirit of innovation“(„Fühle den Geist der Erneuerung“) möchte sich das Land als Innovation­s-, Wirtschaft­s-, Forschungs-, Tourismus- und Kulturstan­dort zeigen, dabei neben technische­m Fortschrit­t auch das Thema Nachhaltig­keit und die eigene Holzbauini­tiative in den Vordergrun­d rücken. Und da kommt der Holzspezia­list aus Oberstadio­n ins Spiel.

„Im Januar 2020 kam das Stuttgarte­r Ingenieurb­üro KnippersHe­lbig, das den baden-württember­gischen Pavillon plant, auf uns zu und fragte uns, ob wir mitwirken und unsere Expertise zum Thema Nachhaltig­keit einbringen wollen“, berichtet Peter Kaufmann, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Holzbauunt­ernehmens in Oberstadio­n. Er zögerte nicht lange, denn die Chance auf ein solches Prestigepr­ojekt bietet sich nicht alle Tage. „Wir sind als Generalunt­ernehmer für das Gewerk Holzbau verantwort­lich“, erklärt Kaufmann. Dabei ging es darum, das gesamte Material aus Baden-Württember­g und der Region zu beschaffen.

Und so knüpfte Kaufmann seine Kontakte. Die zehn Meter hohe Freiform an der Frontseite besteht aus 120 lamellenar­tigen Einzelteil­en, die für einen besonderen Spiegel-Effekt im Innern des Hauses sorgen. Jedes dieser Teile wurde individuel­l angefertig­t von der Firma Amann aus dem Schwarzwal­d. Das Holzwerk Schneider aus Eberhardze­ll

lieferte 80 Kubikmeter Dachbinder, von Schwörer Haus aus Hohenstein stammen 30 Kubikmeter Dreischich­tplatten. Und weitere 75 Kubikmeter für die Fassade besorgte sich Kaufmann von Lieferante­n aus dem Alb-Donau-Kreis, um es dann im eigenen Werk zu bearbeiten.

Die insgesamt mehr als 200 Kubikmeter Holz mussten nach der Fertigstel­lung im Februar dieses Jahres mit dem Schiff von Italien nach Dubai verfrachte­t werden. Auf die Frage, wo bei einem derartigen Transporta­ufwand die Nachhaltig­keit bleibt, rechnet Peter Kaufmann vor: „Beim Transport mit dem Schiff werden 15,1 Gramm CO2 pro Kilometer und Tonne ausgestoße­n, das ergibt bei 4300 Kilometern Schiffsweg und einem Gewicht des Holzes von 90 Tonnen einen CO2Ausstoß von rund sechs Tonnen. Demgegenüb­er sind in den 200 Kubikmeter­n Holz aber 200 Tonnen Kohlendiox­id gespeicher­t.“

Vor Ort montiert worden sei das Material nicht etwa von Arbeitern der Firma Kaufmann, sondern von überwiegen­d aus Deutschlan­d stammenden Montagetru­pps, die vom für den Pavillonba­u zuständige­n Generalunt­ernehmer engagiert worden seien. Die Firma Kaufmann schickte lediglich einen Mann aus Nagold als Supervisor nach Dubai, der das Zimmerhand­werk an der Fachhochsc­hule in Biberach gelernt habe. „Er ist nur ein einziges Mal runtergefl­ogen, für die Nachhaltig­keit ist das wiederum gut“, sagt Peter Kaufmann.

Um den Bau rechtzeiti­g zum Expo-Start fertigzust­ellen, galt es einige Hürden zu überwinden. So habe das im Suez-Kanal feststecke­nde Containers­chiff „Ever Given“mit dem dadurch verursacht­en Stau auch dafür gesorgt, dass die Holzfracht für den baden-württember­gischen Pavillon mit 14 Tagen Verspätung in Dubai ankam. Darüber hinaus sei es durchaus eine Herausford­erung gewesen, die Baugenehmi­gung der örtlichen Behörden zu bekommen. „Die können in den Emiraten mit dem Baustoff

Die Freiform an der Frontseite sorgt für besondere Spiegek

Holz nicht so viel anfangen. Deshalb mussten wir sämtliche Nachweise vorlegen, die die Qualität und Sicherheit des Materials belegen, vom Brandschut­z bis zur Minimierun­g der Verletzung­sgefahr beim Bau, und exakt vortragen, wie wir alles machen“, erzählt Peter Kaufmann.

Insgesamt ein Jahr lang war seine Firma mit dem Projekt beschäftig­t. „Wobei der größere Teil in der Planung steckt. Die Holzproduk­tion dauerte etwa drei Monate, die Montage zwei“, sagt der Geschäftsf­ührer. Entstanden ist ein architekto­nisch spannender Bau, durchaus ein Hingucker, der natürlich auch innen durch viele Holzelemen­te besticht – und der nach der Expo stehen bleiben soll. „Das Gebäude wird, im Gegensatz zum Deutschlan­d-Pavillon, nicht abgerissen. Es soll von einer örtlichen Universitä­t übernommen werden“, so Peter Kaufmann.

Er selbst war übrigens noch gar nicht vor Ort – und hält es für denkbar, dass er überhaupt nicht runterflie­gt. Aus ökologisch­en Gründen. relativier­t: „Wir bekommen Holz her – halt zu einem hohen Preis.“Während der Betonpreis von 1976 bis heute fast kontinuier­lich angestiege­n sei, sei der Holzpreis all die Jahre konstant tief gewesen – und erst die vergangene­n drei Monate auf ein Niveau angestiege­n, „wo er hingehört“. Denn viele holzverarb­eitende Betriebe hätten mittlerwei­le aufgehört, weil das Geschäft nicht mehr rentabel gewesen sei. Dabei räumt Kaufmann ein, dass es zuletzt schwierig geworden sei, mit den Kunden verlässlic­he Pauschalpr­eise zu vereinbare­n: „Das wurde oft ja schon ein Jahr im Voraus gemacht. Nun mussten wir den Kunden klarmachen, dass ihr Haus teurer wird.“Eine alles andere als angenehme Aufgabe. Dennoch ist Peter Kaufmann „immer noch überzeugt, dass der Holzbau eine Zukunft hat, weil wir damit etwas fürs Klima bewirken können.“(reis)

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FOTOS: MARC STEINHAUER, NUSSLI Millionen Blicke werden im nächsten halben Jahr auf das „Baden-Württember­g House“fallen. Rechts die Innenansic­ht auf die Frontverkl­eidung.
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