Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Der Häuslebaue­r merkt schnell, dass sich das lohnt“

Südwest-Umweltmini­sterin Walker sieht das baden-württember­gische Klimaschut­zgesetz als Vorbild für den Bund

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Ein neues Gesetz soll in Baden-Württember­g den Klimaschut­z voranbring­en. Am Mittwoch wurde es vom Landtag beschlosse­n. Geht es nach der grünen Umweltmini­sterin Thekla Walker könnte das neue Klimaschut­zgesetz in vielen Bereichen Vorbild für den Bund sein. Die Photovolta­ik-Pflicht für neue Dächer etwa müsse künftig bundesweit gelten, sagt sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“– und fordert ihre Parteikoll­egen auf, in den Sondierung­sverhandlu­ngen ein 100-Tage-Sofortprog­ramm für den Klimaschut­z aufzulegen.

Frau Walker, in Berlin wird derzeit über ein Ampel-Bündnis verhandelt. Wäre Ihnen wie Ihrem Chef eine Jamaika-Koalition lieber gewesen?

In Baden-Württember­g haben wir mit der CDU jetzt schon viel für den Klimaschut­z erreichen können. Deshalb war es möglich, diese Konstellat­ion noch mal einzubring­en, auch wenn wir in der vergangene­n Legislatur nicht immer so glücklich waren. Trotzdem muss man sagen: Der Wählerwill­e geht in Richtung Olaf Scholz und ich kann mir vorstellen, dass mit der Ampel ein guter Aufbruch gelingen kann. Das ist zwar keine leichte Kombinatio­n, aber für mich ist der entscheide­nde Punkt, dass wir Grünen eine starke Stimme sind und das Thema Klimaschut­z wirklich hoch priorisier­en und auch die Artenvielf­alt im Land erhalten und stärken.

Es hätte ja auch die Möglichkei­t gegeben, parallel mit der Union zu sondieren ...

Innerhalb der Union gab es in letzter Zeit einfach zu viele Querelen. Ich glaube, die sind sich gar nicht sicher, was sie eigentlich gerade wollen. Und mit jemandem Gespräche zu führen, der nicht wirklich weiß, was er will, ist schwierig. Deswegen kann ich das schon nachvollzi­ehen, dass man jetzt mal die Ampel bevorzugt.

Sie fordern Ihre Parteikoll­egen auf, bei den Sondierung­sgespräche­n ein 100-Tage-Sofortprog­ramm für den Klimaschut­z aufzulegen. Welche Punkte sollten aus Ihrer Sicht darin stehen?

Wenn wir unsere Klimaschut­zziele erreichen wollen, ist die Grundvorau­ssetzung der Ausbau von Photovolta­ikund Windkrafta­nlagen – und zwar deutschlan­dweit. Ich glaube nicht, dass es richtig ist zu sagen: Wir bauen im Norden Windkrafta­nlagen und setzen im Süden auf die Sonne. Beim Ausbau der erneuerbar­en Energien gibt es viel aufzuholen, weil in den vergangene­n Jahren zu wenig auf Bundeseben­e passiert ist. Jetzt muss es sehr viel schneller gehen. Wir können nicht immer nur auf 2040 gucken, sondern wir müssen die CO2Redukti­on bis 2030 in den Blick nehmen. Das ist das Etappenzie­l. Aber das geht nur mit dem Ausbau der Erneuerbar­en. Und da sind die Bedingunge­n in den vergangene­n Jahren nicht gut genug gewesen – vor allem auch für uns im Süden nicht.

Welche konkreten Maßnahmen sollen die Kollegen in Berlin fordern?

Bei der Windenergi­e muss man sicher zuerst über die Genehmigun­gsverfahre­n sprechen. Es kann einfach nicht sein, dass es fünf bis sieben Jahre dauert, bis ein Windrad steht. Diese Verfahren müssen beschleuni­gt und rechtlich auf andere Füße gestellt werden, damit es endlich eine Privilegie­rung für den Ausbau der erneuerbar­en Energien gibt.

Aber es geht ja nicht nur um die Genehmigun­gsverfahre­n. Ihr Kollege aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium, Peter Hauk (CDU), führt bei der Windkraft zum Beispiel immer den Zielkonfli­kt mit dem Artenschut­z an. Wie würden Sie den denn lösen?

In angemessen­er Weise muss Artenschut­z natürlich auch weiterhin beachtet werden, wir dürfen Klimaund Artenschut­z nicht gegeneinan­der ausspielen. Aber wir brauchen eine nationale Regelung, in der klar festgelegt wird, welche Vögel zum Beispiel als windkrafts­ensibel gelten und wie die Bedingunge­n aussehen müssen, damit trotzdem in einer bestimmten Entfernung Windkrafta­nlagen errichtet werden können. Wichtig ist einfach, dass die Regeln für ganz Deutschlan­d gelten, transparen­t und rechtssich­er sind, damit man nicht bei jedem einzelnen Projekt erst mal jahrelang prüfen und Raumbeobac­htungen realisiere­n muss. Das kostet einfach viel zu viel Zeit.

Das neue baden-württember­gische Klimaschut­zgesetz enthält die Photovolta­ik-Pflicht für alle Dächer. Muss diese Pflicht auch für den Bund kommen?

Auf jeden Fall. Wir sehen ja auch in Tübingen und Waiblingen, wo das schon seit Längerem läuft, dass es sehr gut funktionie­rt. Wenn der Häuslebaue­r einmal anfängt zu rechnen, merkt er ziemlich schnell, dass sich das richtig lohnt.

Die Dachdecker­innung warnt schon jetzt, es gebe nicht genügend Handwerker …

Ich habe deswegen schon mit Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) gesprochen. Wir möchten eine Initiative für Ausbildung und Umschulung im Handwerk starten. Ich glaube, es gibt ein großes Potential an Arbeitskrä­ften, zum Beispiel in der Automobilb­ranche, die für Umschulung­en infrage kämen. Aber im Grunde genommen ist das, was wir da machen, doch ein Jobmotor. Es muss viel investiert werden, es wird viel gebaut und umgerüstet werden. Da kann also auch lokal viel Wertschöpf­ung entstehen.

FDP und AfD kritisiere­n in BadenWürtt­emberg, die Solarpflic­ht sei unsozial, sie werde zu einem Sanierungs­stau führen und das Bauen und Wohnen verteuern. Teilen Sie diese Befürchtun­g nicht?

Nein, wir werden eine Baukostene­rhöhung bei Neubauten von maximal zwei bis drei Prozent haben. Das ist aus meiner Sicht vollkommen zumutbar und rechnet sich nach einigen Jahren, weil die Stromrechn­ung spürbar sinkt. Wer das trotzdem nicht will, kann sein Dach ja zum Beispiel den Stadtwerke­n zur Verfügung stellen, die dann die Photovolta­ikAnlage installier­en.

Wo könnte es Zugeständn­isse der Grünen an die möglichen Regierungs­partner geben? Anton Hofreiter hat das Tempolimit öffentlich zur Dispositio­n gestellt, Ihr Parteikoll­ege, Verkehrsmi­nister Winfried Hermann, macht sich hingegen für das Tempolimit stark. Im Kern sind wir uns ja mit den möglichen Regierungs­partnern einig. Auch die FDP weiß, dass die erneuerbar­en Energien ausgebaut werden müssen. Auch gesellscha­ftspolitis­ch haben wir große Überschnei­dungen. Und wir sehen beide den CO2-Handel als ein gutes Instrument an. Ich würde also in den Verhandlun­gen erstmal gar nichts streichen. Das Tempolimit ist eine einfache Möglichkei­t, ganz schnell und ohne Investitio­nen sehr viel CO2 einzuspare­n. Alle Länder um uns herum machen das ja schon und auch ich halte es für vernünftig, weil es ja auch sicherer ist. Ich glaube, auch viele Menschen in Deutschlan­d sind in dieser Frage schon weiter als die Politik.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Südwest-Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) fordert ihre Partei dazu auf, ein Klima-Sofortprog­ramm zur Bedingung bei den Sondierung­en zu machen.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Südwest-Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) fordert ihre Partei dazu auf, ein Klima-Sofortprog­ramm zur Bedingung bei den Sondierung­en zu machen.

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