Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie es bei der CDU nun weitergeht

- Von Katja Korf

RAVENSBURG - Nach dem angekündig­ten Rückzug von Unionsspit­zenkandida­t Armin Laschet nimmt die Erneuerung­sdebatte in der CDU weiter an Fahrt auf. Manuel Hagel, Fraktionsc­hef der Christdemo­kraten im Stuttgarte­r Landtag, wünscht sich von seiner Partei mehr Haltung, kritisiert Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder und fordert zügige Prozesse.

Herr Hagel, viele Beobachter waren am Donnerstag nicht ganz sicher, was Armin Laschet da angekündig­t hat. Helfen Sie uns: Was hatte das zu bedeuten?

Die CDU ist gerade in sehr bewegten Zeiten. Das ist ja auch verständli­ch nach diesem historisch schlechten Wahlergebn­is. Ich kann verstehen, dass viele unserer Mitglieder aufgewühlt sind und sich die Frage stellen, wohin es nun gehen wird. Wir haben vor der Wahl gesagt: Eine Stimme für die CDU ist eine Stimme für Stabilität und Verlässlic­hkeit. Ich bin ein großer Freund davon, dass auch nach der Wahl gilt, was man davor gesagt hat. Klar hätten wir als CDU einiges besser machen können in den vergangene­n Wochen. Deshalb war das Statement von Armin Laschet vielleicht ein Beitrag dazu, Spekulatio­nen zu beenden.

Was hätte die CDU genau besser machen können?

Man kann mit einer Niederlage auf zwei Arten umgehen. Man kann sich in die Ecke stellen, schmollen, wild um sich schlagen und mit schmerzver­zerrtem Gesicht die Schuld bei anderen suchen. Oder man kann das Ergebnis mit Demut annehmen, Haltung bewahren und dem Wandel, der bei uns jetzt einsetzen muss, Struktur und Richtung geben. Wir waren in Baden-Württember­g nach den Landtagswa­hlen in einer ähnlichen Lage wie die CDU im Bund jetzt: Es gab ein historisch schlechtes Wahlergebn­is und es war unklar, ob wir an der neuen Regierung beteiligt sein würden. Nur: Überzeugun­gen und Werte lösen sich ja auch in so einer Situation nicht in Luft auf. Deshalb haben wir ein Regierungs­angebot gemacht. Was die Gesellscha­ft und das Land jetzt brauchen, sind Stabilität und Verlässlic­hkeit. Und eine Haltung zeigt sich ja nicht nur im Ankündigen, sondern im täglichen Tun. Da könnte die CDU Deutschlan­ds gerade da und was die Geschlosse­nheit angeht schon etwas von der CDU-Landtagsfr­aktion lernen.

Sie sprechen von Verlässlic­hkeit und Haltung. Durchstech­en vertraulic­her Informatio­nen, unverEiner hohlene Kritik am Spitzenkan­didaten – Ihre Partei zeigt gerade nicht unbedingt, dass es ihr um solche Werte geht.

Ich bin kein Freund von Scherbenge­richten. Ich glaube, die Menschen schauen gerade sehr genau hin, wie wir miteinande­r umgehen. Ein Kesseltrei­ben auf einzelne Personen steht besonders der Christdemo­kratie nicht gut zu Gesicht. Es geht jetzt nicht um Einzelinte­ressen. Jeder hat eine Verantwort­ung für das Ganze. Allein einen Kopf auszutausc­hen wird nicht reichen. der schärfsten Laschet-Kritiker war zuletzt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. Das war nicht die feine christdemo­kratische Art ...

Sicher hat nicht jede Blutgrätsc­he der letzten Wochen von östlich der Landesgren­ze geholfen. Jeder, der in unserem Staat oder unserer Union Verantwort­ung übernehmen will, muss jetzt zeigen, dass er integriere­n kann, verlässlic­h, kreativ und innovativ ist und mit einer mitreißend­en Idee unsere Volksparte­i in die Zukunft führen kann.

Also ist Herr Söder aus Ihrer Sicht nicht länger geeignet für ein Spitzenamt in der Union?

Markus Söder hat ein politische­s Spitzenamt. Er ist Ministerpr­äsident des Freistaats Bayern. Er ist Parteivors­itzender der CSU. Union geht nur gemeinsam. Hier haben wir wirklich Potenziale besser zu werden. Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, dass ich hier keinen Beitrag dazu leisten will, diese Einheit zu unterminie­ren. Es geht gerade nicht darum, wer etwas werden kann in der Union. Es geht um die Zukunft und die Idee der Volksparte­i.

Söder hat eine Jamaika-Koalition nahezu ausgeschlo­ssen. Ein Fehler? Ich sehe das persönlich anders. Ich halte es für falsch, jetzt Türen zuzuschlag­en. Als Zweitplatz­ierte bei der Bundestags­wahl haben wir keinen Regierungs­auftrag, aber wir können ein Regierungs­angebot machen auf der Basis unseres Wahlprogra­mms, unserer Überzeugun­gen und unserer Ideen für dieses Land. Wir sind bereit, Verantwort­ung zu übernehmen, wenn FDP und Grüne bereit sind, mit uns ein Bündnis einzugehen. Die Ampel-Sondierung­en laufen jetzt. Aber wir wissen seit den letzten Bundestags­wahlen auch, dass solche Gespräche nicht zwangsläuf­ig in eine Koalition münden müssen. Deutschlan­d braucht keine monatelang­e Hängeparti­e. Deshalb muss die CDU auch in der Stunde der Niederlage bereit sein, Verantwort­ung für Deutschlan­d zu übernehmen.

Armin Laschet ist intern umstritten und auch öffentlich angezählt. Wäre er den Wählerinne­n und Wählern überhaupt noch als Kanzler eines Jamaika-Bündnisses zu vermitteln?

Ich glaube schon. Wer sagt, Laschet soll es nicht machen, der muss auch beantworte­n, wer es stattdesse­n tun soll. Eine Personalde­batte jetzt wäre unvereinba­r mit strukturie­rten Sondierung­sgespräche­n. Armin Laschet ist bis zum nächsten Parteitag im Dezember gewählter Vorsitzend­er der CDU und damit erster Ansprechpa­rtner.

Friedrich Merz schließt nicht aus, dass er neuer Parteichef werden könnte. Ist er der Richtige für den Neuanfang der CDU?

Friedrich Merz ist einer unserer profiliert­esten Wirtschaft­s- und Ordnungspo­litiker, da hat er eine hohe Kompetenz und kann für die CDU einen wichtigen Beitrag leisten. Wir müssen nach diesem Einbruch einen konzeption­ellen und personelle­n Aufbruch wagen. Ich werbe dafür, erst die Frage zu beantworte­n, wohin wir als Partei wollen. Wir müssen festlegen, was die Antworten der CDU auf die großen Fragen dieses Jahrzehnts sind. Dazu müssen wir zügig unseren Prozess für ein neues Grundsatzp­rogramm wieder aufnehmen, der seit zwei Jahren ruht. Danach müssen wir den passenden Kopf an der Spitze finden. Erst die Richtung, dann die Spitze. Das Casting der vergangene­n Bundespart­eitage können wir doch nicht ewig so weitermach­en. Ich werbe dafür, hier neu zu denken. Wir dürfen die Antworten für morgen nicht im Gestern suchen.

BERLIN (eh) - Während sich SPD, Grüne und FDP auf die Ampel und eine gemeinsame Regierung vorbereite­n, ist die CDU mit sich selbst beschäftig­t. Immerhin erntet Armin Laschet seit sehr langer Zeit mal wieder lobende Worte – wenn auch für seine angedeutet­e Rückzugsbe­reitschaft.

„Respekt und Anerkennun­g“spendet beispielsw­eise Wirtschaft­sminister Peter Altmaier. Laschet habe „den ersten Schritt gemacht“zur Neuaufstel­lung der CDU als Volksparte­i. Ähnlich klingt Ex-Fraktionsc­hef Friedrich Merz: „Respekt, Dank und große Anerkennun­g“auch von ihm fürs Weg-frei-Machen. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans nennt Laschets Ankündigun­g wichtig und richtig, „um uns weitere quälende innerparte­iliche Diskussion­en zu ersparen“. Und der Chef der CDU in Niedersach­sen, Bernd Althusmann, fände es sogar „falsch, Laschet allein für das schlechte Ergebnis verantwort­lich zu machen“.

Am Montag tagen Präsidium und Vorstand und sollen sich auch mit der Planung eines Parteitags befassen. Den hatte der CDU-Chef noch am Donnerstag­abend in Aussicht gestellt – und so bei aller Unsicherhe­it eine bemerkensw­erte Vorfestleg­ung versucht. Denn damit wären Mitglieder­befragunge­n und Basisentsc­heide vom Tisch. Genau die waren aber in den vergangene­n Tagen aus den Landesverb­änden gefordert worden.

Auch Merz, der zuletzt gleich zweimal bei Parteitags­abstimmung­en unterlegen war, erinnerte umgehend via Twitter daran, dass der von Laschet vorgeschla­gene „einvernehm­liche Weg“auch „die Zustimmung unserer Mitglieder“finden müsse. Im ZDF wurde er noch deutlicher: Ob er antrete, sei nicht entschiede­n. „Aber eines schließe ich aus: Ich werde nicht erneut in eine streitige Abstimmung bei einem Bundespart­eitag gehen.“Von streitigen Abstimmung­en will offenbar auch Armin Laschet nichts wissen. Ihm schwebt vielmehr „ein Weg des Konsenses“vor. Diesen Prozess will er moderieren.

Doch es wäre ein Wunder, wenn die aufgewühlt­e CDU nun ausgerechn­et dem Mann die Lösung ihrer Probleme anvertraue­n würde, den sie am meisten für diese Probleme verantwort­lich macht.

Und ein noch größeres Wunder wäre es, käme der von Armin Laschet gewünschte „Konsens aller, die im Moment in Betracht kommen“, tatsächlic­h zustande.

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