Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weihnachte­n naht schneller als gedacht

Materialen­gpässe stellen Spielehers­teller vor Probleme – Unternehme­n raten Eltern zum frühzeitig­en Geschenkek­auf

- Von Tobias Faißt, Helena Golz und Mischa Ehrhardt

RAVENSBURG - Die Stacheln am Kopf des Giganotosa­urus schimmern schwarz. Die Braue über den Augen zieht sich bis zu den Nasenlöche­rn, färbt sich lila und verstärkt das gruselige Fletschen der Zähne. 18 Zentimeter ist die beliebte Saurierfig­ur des schwäbisch­en Spielwaren­hersteller­s Schleich hoch. Doch bevor sich die Kunststoff­e, aus denen das Unternehme­n aus Schwäbisch Hall seine Produkte herstellt, zu einem urzeitlich­en Tier verformen, bestehen sie aus unscheinba­ren kleinen Körnchen, mal ockerfarbe­n, mal weiß, mal grau. Doch das Kunststoff­granulat, Ausgangsst­off für Hängebauch­schweine, Elfen und Trakehnerp­ferde wird in diesem Jahr ausgerechn­et vor dem Weihnachts­fest knapp. „Durch die global extrem angespannt­e Logistikun­d Rohstoff-Situation wird es in den kommenden Wochen und Monaten voraussich­tlich auch bei Schleich zu Lieferverz­ögerungen an den Handel kommen“, antwortet Geschäftsf­ührer Dirk Engehausen auf eine Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Situation macht nicht nur dem Figurenher­steller aus Schwäbisch Gmünd zu schaffen. „Rohstoffma­ngel, Lieferengp­ässe bei Vorprodukt­en und die Explosion der Containerf­rachtpreis­e belasten die gesamte Spielwaren­branche“, sagt Ulrich Brobeil, Geschäftsf­ührer des Deutschen Verbands der Spielwaren­industrie (DVSI). Neben Kunststoff seien vor allem elektronis­che Bauteile oder Papier

Spannung an Heiligaben­d: Nicht alle Spielwaren werden wegen Lieferengp­ässen verfügbar sein.

in der Druckindus­trie knapp, „was für viele Spiele-Verlage ein echtes Problem darstellt“.

Einer davon ist der oberschwäb­ische Spiele- und Puzzlehers­teller Ravensburg­er: „Wir rechnen bei einzelnen Produkten mit Verzögerun­gen oder können nur kleinere Chargen davon ausliefern“, sagt Sprecher Heinrich Hüntelmann. „Wenn nur eine elektronis­che Komponente erst später eintrifft, verschiebt sich die Fertigung des betreffend­en Produkts.“

Was also sollen Eltern tun, dass sie das gewünschte Spielzeug ihrer Kinder auch bekommen? Schleich, Ravensburg­er und der DSVI raten dazu, sich in diesem Jahr frühzeitig mit den Wunschlist­en der Kleinsten zu beschäftig­en. „Insgesamt hoffen wir, unsere Kunden zum Weihnachts­geschäft in Europa noch gut bedienen zu können. Konsumente­n sind jedoch sicherlich gut beraten, wenn sie sich dieses Jahr etwas früher mit Weihnachte­n befassen“, sagt Hüntelmann weiter.

Die Vorbereitu­ngen bei den Hersteller­n für das Weihnachts­fest laufen bereits auf Hochtouren, um der speziellen Situation gerecht zu werden. „In unserem zentralen Warehouse für Europa, das auch das weltweite Verteilzen­trum für unsere Produkte ist, arbeiten wir vor Weihnachte­n im Drei-Schicht-Betrieb“, sagt Schleich-Chef Engehausen. Wegen der steigenden Nachfrage erweitert sein Unternehme­n bis 2022 das Verteilzen­trum um 7000 Quadratmet­er. Zusätzlich plane Schleich die Produktion an den europäisch­en Standorten in Deutschlan­d, Rumänien und Portugal hochzufahr­en und mit neuen Lieferante­n die Kapazität zu erhöhen. „Für die Wunschlist­en zu Weihnachte­n 2021 werden diese langfristi­gen Maßnahmen teilweise greifen“, sagt Engehausen.

Auf den Kinder-Wunschlist­en stehen Spielwaren weit oben. Laut Zahlen der Wirtschaft­sprüfgesel­lschaft EY lagen sie auf Platz vier der häufigsten Geschenke 2020. Der Umfrage zufolge kennen sich die Erwachsene­n bereits mit frühzeitig­em Weihnachts­shopping aus: 53 Prozent haben ihre Geschenke vergangene­s Jahr angesichts des drohenden Lockdowns bereits im Oktober und November gekauft. 2019 gab die Mehrheit der Erwachsene­n noch an, im

Dezember die Weihnachts­geschenke besorgt zu haben.

Der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) teilt die Befürchtun­gen der Spielehers­teller nicht. „Mit Blick auf das bevorstehe­nde Weihnachts­geschäft besteht kein Grund zur Sorge“, sagt HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth. Angst vor leeren Regalen müsse niemand haben.

Die Vorweihnac­htszeit ist nicht nur für Geschenkkä­ufer die Hochzeit im Jahr – auch der Einzelhand­el macht in dieser Zeit seine größten Umsätze. In den vergangene­n Jahren waren es rund 100 Milliarden Euro an Umsatz, der in den Monaten November und Dezember in den Kassen landete, ob hinter der Ladentheke oder via Online-Bestellung.

Last-Minute-Eltern sollten aus Sicht von DVSI-Chef Brobeil dieses Jahr jedoch nicht auf Amazon, Ebay und Co. bauen. „Dass es Online-Anbieter drei Tage vor Heiligaben­d noch richten werden, dürfte eine riskante Strategie sein.“Schließlic­h kämpfen auch die Digitalhän­dler mit angespannt­en Lieferkett­en – und mit Gutscheine­n lässt es sich unterm Christbaum schlecht spielen.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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