Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Leichtigkeit, Humor und ein bisschen Drama
Eine Studie hat das Genre der „Wohlfühlfilme“untersucht
FRANKFURT (epd) - In nüchterner Betrachtung grenzt mancher Streich, den die einsame Pariserin Amélie ihren Mitmenschen spielt, an Stalking. Und doch verlässt man die märchenhafte Komödie „Die fabelhafte Welt der Amélie“wahrscheinlich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Das französische Filmmärchen von 2001 ist ein Feelgood-Film par excellence.
„Feelgoodmovie“, auf Deutsch „Wohlfühlfilm“, ist eine schillernde Kategorie, die laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik vorrangig von drei Eigenschaften definiert scheint: Ein Feelgood-Film erzeugt gute Laune, er findet über Jahrzehnte hinweg ein ergebenes Publikum – und er wird von der Filmkritik mit spitzen Fingern angefasst.
In der im Mai veröffentlichten Studie wurde erstmals untersucht, welche Filme aus Zuschauersicht als Wohlfühlfilme gelten und warum. Laut Studienleiter Keyvan Sarkosh lassen sie sich keinem bestimmten Genre zuordnen, obwohl sie sehr oft, wie etwa der Dauerbrenner „Pretty Woman“, romantische Komödien seien.
Ein Wohlfühlfilm bedarf vor allem einer glaubhaften dramatischen Komponente, also einer mitreißenden Komposition aus Dur und Moll. Neben der Suche nach der wahren Liebe gehe es oft um „Figuren, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, etwa leicht nerdige Underdogs“. Im Kampf gegen Widrigkeiten finden sie aber ihren Platz in der Gesellschaft. Ein wichtiges Element von Wohlfühlfilmen, sagt Sarkosh, sei außerdem eine oft märchenhaft getönte Leichtigkeit – und vor allem Humor.
Diese Muster gelten alters- und geschlechtsübergreifend, besagt die Studie, an der 450 Menschen aus dem deutschsprachigen Raum ab 25 Jahren teilnahmen. In schriftlichen Rückmeldungen betonten diese, dass sie ihre Lieblingsfilme als handwerklich sehr gut gemacht und, obwohl sentimental, nicht als kitschig empfänden. Dennoch gab es große Unterschiede: Während fast alle beispielsweise „Amélie“und „Tatsächlich Liebe“mögen, bevorzugten darüber
Die Komödie „Die fabelhafte Welt der Amélie“mit Schauspielerin Audrey Tautou ist ein typischer „Feelgoodmovie“.
hinaus Männer Komödien wie „Little Miss Sunshine“, „The Big Lebowski“oder „Und täglich grüßt das Murmeltier“, Frauen dagegen Filme wie „Schokolade zum Frühstück“, „Notting Hill“und „Dirty Dancing“.
Zu Hause werden Wohlfühlfilme offenbar zudem gezielt zum Stressabbau angeschaut. Dabei sind sie, wie Teilnehmer schrieben, „zu alten Bekannten“, also tatsächlich „ziemlich besten Freunden“geworden.
Während Wohlfühlfilme oft über Jahre hinweg populär sind, werden sie von der professionellen Filmkritik oft negativ beurteilt. Dies liege auch daran, dass man als Kritikerin „automatisch eine Art von Hartgesottenheit“entwickle, so erklärt es Felicitas Kleiner, Redakteurin beim katholischen „Filmdienst“.
Als Vielseherin sei man wiederkehrenden dramaturgischen und filmsprachlichen Mitteln ausgesetzt, mit denen Filmemacher und -macherinnen auf der Gefühlsklaviatur des Publikums spielten. „Dann fängt man an, diese Mittel bewusster als solche wahrzunehmen und schneller gelangweilt zu werden“, sagt Kleiner. Die Wirkung stumpfe ab.
Originelle, über Genremuster hinausgehende Impulse würden dagegen von der Kritik begrüßt, wie etwa in „Little Miss Sunshine“, einem Roadmovie über eine Familie, deren kleine Tochter an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen will. Kleiners persönlicher Wohlfühlfavorit ist die Science-Fiction-Komödie „Zurück in die Zukunft“von Steven Spielberg.
Gisela Meuser, die viele Jahren mit ihrer PR-Agentur „Filmpresse Meuser“Filme betreute, definiert einen gelungenen Wohlfühlfilm als einen Film, der „wichtige Themen mit Leichtigkeit behandelt“, und nennt als Beispiel den Oscargewinner „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Ihr ist aufgefallen, dass Filmjournalisten und -journalistinnen während der Vorstellung bestimmter Filme „emotional mitgehen“, letztendlich aber dennoch negativ darüber schrieben.
Eine Vielseherin ist auch Ursula Simgen-Buch, Betreiberin des „Provinzkinos“, eines traditionsreichen Programmkinos in der Pfalz. Sie orientiert sich bei der Programmplanung sowohl an subjektiven Präferenzen – intelligente, anregende Filme wie beispielsweise ihr WohlfühlFavorit „Saving Mr. Banks“– und an bereits erfassten Besucherzahlen und Listen. In Filmkritiken hat sie weniger Vertrauen.
Selbst sie aber hat als langjährige Praktikerin noch Aha-Erlebnisse, etwa bei „Monsieur Claude und seine Töchter“– einer Komödie, die sie angesichts des öffentlichen Lobs unbesehen bestellt hatte und bei der Sichtung „vor Scham fast zwischen den Sitzen versunken ist“. Der Multikulti-Ulk, den sie und viele Kollegen „einfach nur albern“fanden, wurde zu einem der größten Besucherhits.
Die in der Studie von den Befragten genannten Wohlfühlfilme sind fast ausschließlich britischer, amerikanischer oder französischer Herkunft. Deutsche Filme, etwa betagte Heinz-Erhardt-Komödien, kommen nur vereinzelt vor. „Deutschen Produktionen“, sagt Sarkosh, wurde „primär die Qualität von Wohlfühlfilmen abgesprochen“.
Trotz ihrer Beliebtheit – qualitätvolle Wohlfühlfilme werden seltener, meint Ursula Simgen-Buch: „Pandemieunabhängig gibt es immer mehr Filme, aber immer weniger gute Feelgood-Filme.“