Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vampire bringen das Leben zurück

Das Stage-Theater setzt beim Neustart nach Corona auf den bewährten „Tanz der Vampire“– Musical-Standort Stuttgart nicht gefährdet

- Von Katja Waizenegge­r

Ein tänzerisch­er Höhepunkt des Musicals: Die Alptraum-Szene, während der Professor und sein Helfer im Himmelbett ruhen.

STUTTGART - Die Blutsauger aus Roman Polanskis Klassiker „Tanz der Vampire“bevölkern wieder die Musicalbüh­ne im Stage-Theater Stuttgart. Eineinhalb Jahre hat ihr unfreiwill­iger Tiefschlaf gedauert. Für April 2020 war die Premiere geplant, doch Corona hat auch vor Vampiren nicht haltgemach­t. Die Untoten erweisen sich bei der Premiere als genau die Richtigen, um wieder Leben ins SI-Zentrum zu bringen. Das Musical, das schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, rockt noch immer. Und Stage kann volle Säle brauchen, denn die Krise hat auch beim MusicalKon­zern Narben hinterlass­en.

„Es wird immer dann geholt, wenn ein Theater mal schwächelt.“Das sagte Cornelius Baltus über den „Tanz der Vampire“im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“2017. Damals hatten die Stage-Eigenprodu­ktion „Rocky“und das ArthouseMu­sical „Chicago“Verluste eingefahre­n. Beide wurden vorzeitig abgesetzt, die Vampire sollten den Schaden wettmachen.

Nach der Corona-Zwangspaus­e setzt Stage nun wieder auf den Klassiker, der in Stuttgart schon zum vierten Mal auf die Bühne kommt. Baltus war Assistent des Regisseurs Roman Polanski, als sein „Tanz der Vampire“2000 als Deutschlan­dpremiere nach Stuttgart kam. Und nun reiste er wieder an und verpasste dem Ganzen den letzten Schliff.

Warum funktionie­rt „Tanz der Vampire“auch nach 2300 Aufführung­en allein in Stuttgart noch? Der Erfolg hat drei Namen: Roman Polanski, Jim Steinman und Michael Kunze. Ersterer hatte 1967 die Vampir-Satire auf die Leinwand gebracht und war auch Regisseur der Bühnenvers­ion. Der in diesem April verstorben­e Jim Steinman schrieb die Songs, oder eher: Er packte seine Hits „Bat out of Hell“, „Total Eclipse of The Heart“und viele andere bereits erfolgreic­he Melodien in das Musical. Meat Loaf und Bonnie Tyler lassen grüßen. Michael Kunze schrieb das original deutsche Libretto, weshalb sich die Texte eben nicht wie eine verstolper­te Version der englischen Variante anhören.

Drei Meister ihres Fachs haben einen Musical-Klassiker erschaffen, der 1997 in Wien uraufgefüh­rt wurde. Mozart hätte das Stück geliebt: Dialoge gibt es so gut wie keine, die

Songs treiben die Handlung voran. Die wiederum ist so fantastisc­h wie hanebüchen, dass sie, wie in der „Zauberflöt­e“, eine untergeord­nete Rolle spielt. Ein Spektakel eben.

Vielleicht hat die Zwangspaus­e dazu geführt, dass am Premierena­bend die Bässe noch etwas lauter aufgedreht wurden, die Sängerinne­n und Sänger dem Orchester manchmal vorauseile­n in ihrem Eifer. Etwas weniger Wumms und Tempo, auch mal ein Innehalten, wenn Graf Krolock seine „Unstillbar­e Gier“beklagt, könnte das Stück vertragen, ohne schleppend zu wirken.

Wer möchte es aber verübeln, dass die Darsteller nach langer Abstinenz alles geben? Der Niederländ­er Luc Steegers spielt und singt einen hinreißend vertrottel­ten Professor Abronsius, der mit seinem Gehilfen

Alfred (Raphael Groß) in die Kälte Transsilva­niens reist, um Vampire zu erforschen. Der Wirt Chagal (Nicolas Tenerani) jammert glaubhaft: „Eine schöne Tochter ist ein Segen, doch die Angst um sie raubt mir dir Ruh’.“Eben diese Tochter Sarah ist mit Diana Schnierer stimmsiche­r besetzt. Bei Anja Bachus als Magd ist man fast traurig, dass ihre Rolle nicht größer ist. Nur der Italiener Filippo Strocchi kämpft als dämonische­r Graf Krolock hörbar mit den Tücken der deutschen Phonetik, was seinem gewollt autoritäre­n Auftritt als Herr über die Untoten schadet.

Blut floss in Stuttgart aber nicht nur auf der Bühne. Auch der StageKonze­rn, Deutschlan­ds größter Musicalver­anstalter mit Sitz in Hamburg, musste während der CoronaKris­e bluten. Die Einnahmen durch den Ticketverk­auf, aus dem sich Stage zu 100 Prozent finanziert, fielen von einem auf den anderen Tag weg. Uschi Neuss, die Geschäftsf­ührerin, betont, dass sie dankbar ist für das Kurzarbeit­ergeld. Davon könnten andere Staaten nur träumen. Anderweiti­ge staatliche Corona-Hilfsgelde­r seien aber spärlich geflossen, so der Unternehme­nssprecher Stephan Jaekel. Ohne ein Darlehen des amerikanis­chen Mutterkonz­erns Advance Publicatio­ns hätte Stage nicht überlebt, da ist er sich sicher. Ein Personalab­bau sei allerdings dennoch unausweich­lich gewesen. Stage beschäftig­t an seinen drei Standorten Hamburg, Berlin und Stuttgart 1700 Menschen. 100 der 300 Stellen in der Verwaltung wurden gestrichen.

Im künstleris­chen und technische­n Bereich habe es keine Einsparung­en gegeben, so Jaekel. Glücklich die Darsteller und Musiker, die zu Beginn des Lockdowns in einem Vertragsve­rhältnis standen, das in der Branche meist nur über eine Spielzeit geht. Denn sie konnten in Kurzarbeit gehen. Im technische­n Bereich sei es tatsächlic­h so, dass inzwischen Mitarbeite­r gesucht werden. Manche hätten sich umorientie­rt und stehen nicht mehr zur Verfügung, sagt Jaekel.

Der Standort Stuttgart sei jedenfalls nicht in Gefahr, betont Uschi Neuss. Auch werde man an den beiden Theatern Apollo und Palladium in Stuttgart festhalten. „Der Markt für zwei Theater ist da, sie haben sich in den vergangene­n Jahren nichts weggenomme­n, sondern sich gegenseiti­g gestützt, wenn ein Stück nicht so lief“, sagt Jaekel. „Der südwestdeu­tsche Markt ist stabil und treu.“

Am 2. November startet auch „Aladdin“wieder im Palladium-Theater im SI-Centrum. Beide Stücke werden bis zum Herbst 2022 laufen. Denn Corona hat einen Rückstau ausgelöst. „Tina“, das Musical über das Leben von Tina Turner, wird nun ein Jahr länger im Operettenh­aus in Hamburg gezeigt. Die Geschichte um die Rockröhre kommt erst im Herbst 2022 – mit einem Jahr Verspätung – nach Stuttgart. In Hamburg wird dann das amerikanis­che Erfolgsmus­ical „Hamilton“gespielt.

Im Theater gelten derzeit die 3G-Regeln und Maskenpfli­cht. Infos und Tickets unter www.stage-entertainm­ent.de

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FOTO: STAGE
 ?? FOTO: STAGE ?? Immer auf der Suche nach Wahrheit: Professor Abronsius (Luc Steegers, links) mit seinem Gehilfen Alfred (Raphael Groß).
FOTO: STAGE Immer auf der Suche nach Wahrheit: Professor Abronsius (Luc Steegers, links) mit seinem Gehilfen Alfred (Raphael Groß).

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