Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Pipikacka in der Schniedelwutz-Arena
Hazel Brugger schwärmt in Neu-Ulm von Oliver Kahns Po – Fans sind aus dem Häuschen
ULM - Allzu Menschliches ist Hazel Brugger nicht fremd. Sie hat kein Problem damit, dass ihr ein Kamerateam folgt, wenn sie sich übergeben muss, weil sie eine viel zu scharfe Currywurst gegessen hat (zu sehen bei Youtube). Auch bei ihrem Auftritt am Donnerstagabend in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena ließ sie ihre Fans teilhaben an allerlei Vorgängen unterhalb der Gürtellinie.
341 000 Fans folgen ihr bei Instagram, Tendenz steigend. Hazel Brugger ist einer der aktuellen Stars der deutschen Comedy-Szene. Warum das so ist, wurde am Donnerstag vor rund anderthalb Tausend Gästen in der Neu-Ulmer Arena schnell deutlich.
Ihr aktuelles Programm „Kennen Sie diese Frau?“legt zwar unheimlich viele persönliche und durchaus interessante Facetten der 27-jährigen Deutsch-Schweizerin, die auch noch den US-Pass hat, offen. Zum Beispiel, dass sie kein Gluten verträgt, ansonsten wahre „Durchfall-Attacken“bekommt und deshalb auf Kriegsfuß steht mit der deutschen Brotkultur.
Einige Zeit lang sinniert sie über „Brotkot“und stellt fest, dass das deutsche Pumpernickel das einzige Brot weltweit sei, das dunkler in den Körper hinein gelange, als es wieder heraus kommt.
Warum Brugger so angesagt ist, wird klar, als ein Zuhörer daraufhin Einspruch erhebt. Das mit der Farbe des Brots hänge davon ab, aus welcher Körperöffnung genau dieses wieder ans Tageslicht gelange. Ein Einwurf, ganz nach dem Geschmack von Brugger. Es entspinnt sich ein längerer Dialog zwischen ihr, ganz leger in Schlabberlook auf der Bühne, und dem Gast im Rund der Arena.
Hazel Brugger ist – fast schon unheimlich – schlagfertig. Das zeigt sie mehrere Male an diesem Abend, als sie sich auf spontanes Geplänkel mit den Zuhörern einlässt. Wo sie dieses Talent gestählt haben dürfte: Wahrscheinlich bei der „heute Show“, woher sie auch dem breiten Publikum bekannt sein dürfte. Seit mehreren Jahren lässt sie die ZDF-ComedySendung bei Außeneinsätzen auf Politiker und andere Prominenz los. Und wer einen Peter Altmaier vorführen möchte, der muss schon Eier (stöcke) in der Hose haben.
Apropos Hose und alles, was sich
Hazel Brugger in der Ratiopharm-Arena.
unter oder in Hosen verbirgt. Brugger packt vor allem Pipikacka-Humor aus. Je derber die Witze, umso tosender der Applaus. Warum heißt die Ratiopharm-Arena nicht „Schniedelwutz-Arena“, fragt sie.
Und verfällt geradezu in Bewunderung, als sie von einer Begegnung hinter den Kulissen mit Oliver „Titan“Kahn erzählt, von der ihr eigentlich nur sein extrem männlicher Gang sowie seine „köstlichen Arschbacken“in Erinnerung geblieben sind.
Jedem männlichen Comedian würden Bemerkungen über Körperformen von Frauen heutzutage wohl als Sexismus ausgelegt, nicht so Hazel Brugger. Und das zurecht. Zum einen, weil sie ihren Furor nicht gegen Menschen richtet, die unter ihr in der „Nahrungskette“stehen, sprich: Es existiert schlicht kein Machtgefälle, das sie irgendwie ausnutzen könnte.
Zum anderen aber ist sie eine der wenigen, die bei möglichen Verfehlungen, auch von Kollegen, nicht komplett wegsieht.
Großes Gesprächsthema unlängst am Rande der Verleihung des deutschen Comedypreises war ihre gemeinsame T-Shirt-Aktion mit ihrem Mann Thomas Spitzer. „Künstler ohne Rückgrat sind Künstler ohne Geschmack“stand hinten drauf, vorne: „Konsequenzen für Comedian XY“. Damit gemeint war Luke Mockridge, dessen Ex-Freundin ihm vorwirft, sie zum Sex gezwungen zu haben.
Auch darauf geht Brugger in NeuUlm
ein, ohne jedoch tatsächlich Position zu beziehen (was ihr angesichts der etwas verklausulierten TShirt-Botschaft ebenfalls vorgeworfen wird).
Zur Causa Mockridge sagt sie nur so viel: Sie sehe ihren Job eher darin, auf Dinge aufmerksam zu machen. Inhaltliche Bewertungen zu treffen, das sei in einem solchen Fall nicht so ihre Sache. Das sei ähnlich wie bei Verkehrsunfällen. Nie und nimmer komme sie als Ersthelferin in Frage, sie würde jedoch die Polizei alarmieren, darauf aufmerksam machen, dass hier gerade etwas Schlimmes passiert sei.
Es war eine Art Heimspiel für Brugger in Neu-Ulm, die sich selbst als „angeheiratete Co-Ulmerin“bezeichnete. Denn ihr Mann Thomas Spitzer, der ziemlich oft vorkommt in ihrem neuen Programm (obwohl körperlich gar nicht anwesend), wuchs in Ulm auf, ging aufs KeplerGymnasium. Sein Vater ist der deutschlandweit bekannte Ulmer Psychiater Manfred Spitzer.
Ob sich die beiden, Brugger und Spitzer, in einer Selbsthilfegruppe für Professorenkinder, deren Väter beide Psychiater sind, getroffen haben? Vorstellbar ist es. Auch Bruggers Vater ist auf diesem Gebiet unterwegs.
Für sich behalten wollte Brugger, auch auf Nachfrage aus dem Publikum, den Namen ihrer sechs Monate jungen Tochter. Die einer der Gründe dafür sein könnte, warum Brugger derzeit eine solche Vorliebe für Kacka-Witzchen zu haben scheint.
Die „Leiden“einer jungen Mutter nehmen großen Raum ein in ihrem Programm. Schonungslos, mit viel liebe zum Detail, lässt Brugger das Publikum teilhaben an Herausforderungen wie Inkontinenz nach der Geburt oder Brüsten, die aussehen, als wären sie „mit nassem Vogelfutter ausgestopft“worden.
Es sitzen auffällig viele junge Frauen im Publikum. Vielleicht ist das einer der Gründe ihrer Popularität: Hazel Brugger beleidigt und schimpft und nimmt kein Blatt vor den Mund. Stets so furztrocken, als könne sie kein Wässerchen trüben. Sie ist die Haupternährerin der Familie, ihr Mann spielt (zumindest in der Öffentlichkeit) nur die zweite Geige. Für viele, Männer wie Frauen, ist dies das Modell der Zukunft. Gewiss ist es eines mit Charme.