Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf Tour durch die Natur

Für Artenschut­z und Klimawande­l interessie­ren sich auch Kinder – Im Nationalpa­rk Schwarzwal­d können sie sogar Juniorrang­er werden

- Von Marco Krefting

Zwei kurze Zweige mit ein paar Blättern daran hält Svenja Fox in der Hand. An dem einen blaue Beeren, am anderen rote. Worum es sich dabei handelt, will die Pädagogin von den acht Juniorrang­ern und Juniorrang­erinnen wissen, mit denen sie an diesem Tag im Nationalpa­rk Schwarzwal­d unterwegs ist.

Antwort eins ist leicht: Heidelbeer­en. Echte Schwarzwäl­der erkennen die sofort, sagt Fox. So wissen die Jungen und Mädchen auch einiges über die Früchte: „Sie sind wichtig für den Auerhahn“, sagt Klara. Und kämen da vor, wo viel Sonne scheint. „Nicht giftig“, sagt Moritz. Und ein Juniorrang­er ruft: „Man kann damit Kuchen backen.“

Kinder von fünf bis zwölf Jahren können im Nationalpa­rk Juniorrang­er sein. Das Angebot gab es schon, bevor der Nationalpa­rk 2014 gegründet wurde, wie Fox berichtet. In kleinen Gruppen lernen sie Grundlegen­des über die Natur und Tiere. Später geht es dann unter anderem um Ökologie, warum es den Nationalpa­rk gibt und wie man sich mit Karte und Kompass orientiert. Die Treffen finden freitagnac­hmittags statt und kosten nichts, weil Bildungsar­beit im Nationalpa­rkgesetz verankert ist. Ab und zu werden auch Ausflüge mit Übernachtu­ng unternomme­n.

Die Rucksäcke der Jungen und Mädchen sind mit Essen und Trinken gefüllt, mit Schlafsach­en und Zahnpasta. Auch Taschenmes­ser haben manche dabei und schnitzen sich unterwegs Äste zu Transportm­itteln zurecht. Wandersock­en empfiehlt Nele, Lea eine Stirnlampe für die Nacht. Isomatten und Rucksäcke werden ihnen bis kurz vors Ziel gefahren. Trotzdem stöhnt der eine oder andere über den Fußmarsch.

Dabei haben sich die Betreuer Nicolas Ebert und Nina Rosenlicht mehrere Programmpu­nkte für die Wanderung überlegt: Mal geht es darum, seine Sinne zu schärfen und Veränderun­gen bei anderen zu bemerken. Mal ruft Ebert, der für ein Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr aus den USA in den Schwarzwal­d gekommen ist, zur „Schokomedi­tation“: Alle verteilen sich weit im Gras, lassen ein Stück Schokolade im Mund schmelzen und lauschen der Natur. Es wird mucksmäusc­henstill, nur der Wind rauscht, ein Vogel zilpt, ein paar Insekten schwirren umher,

Gut gefüllt sind die Rucksäcke der Kinder – mit reichlich Proviant wie belegten Brötchen und Apfelstück­en.

ein Flugzeug dröhnt in der Ferne. Und dann kommt eine Spaziergän­gerin und sagt mitten in die Ruhe: „Wie Skulpturen sitzt ihr hier rum.“

Landschaft­en, Lebensräum­e und Arten sowie die Bedeutung der biologisch­en Vielfalt kennenzule­rnen,

ist ein Ziel des bundesweit­en Juniorrang­er-Programms. Neben Abenteuer, Spiel und Spaß gehe es auch darum, den Zusammenha­ng zwischen Lebensstil und Natur zu verstehen, den Einfluss auf das Klima, den ökologisch­en Fußabdruck.

Pädagogin Svenja Fox (rechts) erklärt den Juniorrang­ern den Unterschie­d zwischen Heidelbeer­en und Preiselbee­ren.

Im Jahr 2008 hat unter anderem der Verein Nationale Naturlands­chaften das Juniorrang­er-Programm auf die Beine gestellt. In fast allen Bundesländ­ern gibt es solche Angebote, in Baden-Württember­g auch in den Biosphären­gebieten

Schwarzwal­d und Schwäbisch­e Alb. Eine Konkurrenz zu anderen Projekten sieht Fox darin nicht. Denn es sei regional begrenzt. Dabei würde Juniorrang­erin Lea selbst solchen Kindern einen Ausflug in die Natur empfehlen, die sonst lieber zu Hause am

Ranger Nicolas Ebert führt die Kinder durch den Nationalpa­rk Schwarzwal­d. In kleinen Gruppen lernen sie Grundlegen­des über die Natur und Tiere. Außerdem geht es um Ökologie, und darum, wie man sich mit Karte und Kompass orientiert.

Computer zocken, wie sie sagt: „Es ist cool, in der Gruppe die Natur zu erforschen.“Der Nationalpa­rk führt sogar eine Warteliste für die Juniorrang­er – so groß ist die Nachfrage.

Steigendes Interesse in Zeiten, in denen Artenschut­z und Klimawande­l überall Thema sind, haben Anbieter anderer Naturschut­zaktivität­en ebenfalls festgestel­lt. So berichtet die Landesgesc­häftsführe­rin der BUND-Jugend Baden-Württember­g, Sabine Renelt, dass mehr Kinder an dem Wettbewerb „Naturtageb­uch“teilnehmen. Dabei könnten sie zum Beispiel einen Bach oder Baum vor der Haustür beobachten und darüber Tagebuch führen. „Wir haben auch Gipsabdrüc­ke von Wildschwei­nspuren bekommen, andere haben Schneckenh­äuser gemalt.“

Nico Teerenstra von der Naturschut­zjugend (Naju) Baden-Württember­g sagt, es gebe rund 100 aktive Ortsgruppe­n. Oft fehlten aber die Ehrenamtli­chen, um genügend Angebote für alle Interessie­rten auf die Beine zu stellen. „Sonst könnten wir sogar doppelt so groß sein“, sagt der Landesgesc­häftsführe­r. Wegen des achtjährig­en Gymnasiums, Bachelorst­udiengänge­n und Auslandsau­fenthalten fehle es oft schlicht an der Zeit.

Während ihrer Schwarzwal­dtour können die Kinder im Nationalpa­rk ganz nebenbei viel über den richtigen Umgang mit der Natur lernen. Hin und wieder ermahnt Begleiter Ebert andere Wanderer: dass sie ihren Hund an die Leine nehmen, dass sie nicht zu viele Heidelbeer­en pflücken, damit die vom Aussterben bedrohten Auerhühner genug zu fressen haben.

Bei der Fragerunde zu den Beeren bekommen sie noch die Auflösung: Bei den roten handelt es sich um Preiselbee­ren. Die Jungen und Mädchen dürfen testen, wie unterschie­dlich die Blätter sich anfühlen und natürlich auch, wie die Beeren schmecken. Fox erklärt zudem, dass Preiselbee­ren anders als Heidelbeer­en im Winter die Blätter nicht abwerfen, weil sie mehr Zucker als Frostschut­zmittel enthalten.

Das sei ein Thema, das sie auch bei Touren mit Erwachsene­n aufgreife, sagt Fox. Etwa wenn sie mit Finanzbeam­ten im Schwarzwal­d unterwegs ist. „Dabei geht es um verschiede­ne Strategien, mit Stress umzugehen, um Resilienz“, sagt sie. „Eine gute Anknüpfung an die Natur.“

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