Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie stark ist Donald Trump?

Wahl des republikan­ischen US-Präsidents­chaftskand­idaten startet am Montag in Iowa – Erster Härtetest für den Ex-Präsidente­n

- Von Thomas Spang

- Sharon McNutt bereitet sich auf alle Eventualit­äten vor. Wenn am Montagaben­d die Temperatur­en draußen auf bis zu minus 15 Grad Celsius fallen, warten in ihrem historisch­en Haus an der Hauptstraß­e von Silver City im Südosten Iowas warmer Kaffee und frisch gebackene Plätzchen auf die Nachbarn. Dem Wall Street Journal verrät die 77-jährige Bürgermeis­terin, dass sie die Weihnachts­dekoration­en weggeräumt und zusätzlich­e Stühle besorgt hat.

Ob an diesem bitterkalt­en Winteraben­d fünf oder fünfzig Nachbarn zu der „Caucus“genannten Parteivers­ammlung der Republikan­er kommen, macht für die Bürgermeis­terin des 245Seelenn­ests keinen Unterschie­d. Diesmal rechnet sie eher mit einer regen Beteiligun­g wie 2016, als Donald Trump erstmals zur Wahl stand. Das französisc­he Fernsehen hat sich bei ihr einquartie­rt, um live aus ihrer Wohnstube zu berichten. Dem letzten „Haus“-Caucus in Iowa, wie die Republikan­ische Partei bestätigt. Alle anderen 1657 Versammlun­gen finden am Montag in Schulen, Bibliothek­en, Kirchen oder anderen öffentlich­en Plätzen statt.

Für die Kandidaten macht es sehr wohl einen Unterschie­d, wer sich am Montagaben­d dazu aufraffen kann, Wind und Wetter zu trotzen und an einem der Caucuses teilzunehm­en. Es kommt auf die Motivation der Wähler an und wie gut die Wahlkampft­eams organisier­t sind. Dies sind Faktoren, die Meinungsfo­rscher selten richtig einfangen können. Weshalb die Prognosen im Mittleren Westen oft danebenlie­gen.

Die letzten Umfragen sehen Trump mit über 50 Prozent vorn. Die ehemalige UN-Botschafte­rin Nikki Haley (17 Prozent) und der Gouverneur von Florida Ron DeSantis (15 Prozent) kämpfen um Platz zwei. Die übrigen Kandidaten spielen keine Rolle. Für DeSantis geht es am Montagaben­d

um alles. Er hat alle 99 Wahlkreise besucht und versucht, sich als Trump ohne Drama zu verkaufen. Einer, der die Mauer an der Grenze zu Mexiko wirklich baut und Abtreibung­en tatsächlic­h verbietet. Er sicherte sich die Unterstütz­ung zweier Königsmach­er von Iowa. Die beliebte Gouverneur­in Kim Reynolds und der Führer der Evangelika­len Bob Vander Plaats sprachen sich bereits im November für DeSantis aus.

Da zwei von drei Wählern bei den Caucuses aus dem Lager der Evangelika­len stammen, hofft

DeSantis darauf, die Demoskopen am Montag Lügen zu strafen. „Er hat bei Weitem die beste Organisati­on vor Ort“, sagt Vander Plaat, der vor vier Jahren dem texanische­n Senator Ted Cruz geholfen hatte, die Caucuses zu gewinnen. „Ich erwarte, dass DeSantis einen guten Abend haben wird.“

Wenn nicht, dürfte es für DeSantis schwer werden, weiterzuma­chen. In einem Interview mit NBC konnte er keinen zweiten Bundesstaa­t nennen, den er nach Iowa gewinnen könnte. Gewiss nicht das liberalere New Hampshire, der nächste Bundesstaa­t

mit Vorwahlen am 23. Januar. Während DeSantis seit Wochen im Sinkflug ist, stieg Nikki Haley in den Umfragen wie eine Rakete auf. In New Hampshire kam sie zuletzt bis auf sieben Punkte an Trump heran. Fünf Tage vor den Caucuses in Iowa sorgte der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, für einen Paukenschl­ag, als er seinen Rückzug erklärte. Seine rund zwölf Prozent an Unterstütz­ern in dem Neuengland­staat dürften nach übereinsti­mmender Ansicht von Experten Haley in den Schoß fallen.

Das Ausscheide­n Christies verleiht der ehemaligen Gouverneur­in von South Carolina im Endspurt des Wahlkampfs von Iowa Rückenwind. Ihr helfen auch die Ressourcen, die sie seit Ende 2023 von den steinreich­en Koch-Brüdern erhält.

Politisch hat die Ex-Gouverneur­in in Iowa eine Gratwander­ung vollzogen, die darauf abzielte, sich von Trump abzugrenze­n, ohne dessen Anhänger zu verärgern. Sie profiliert­e sich als SparKommis­sarin, stellte sich hinter Israel und die Ukraine und bewies Fingerspit­zengefühl beim Abtreibung­sthema.

In ihren mehr als 69 Auftritten pflegt die „PalmettoTh­atcher“zu sagen, dass sich „ein Land im Durcheinan­der in einer brennenden Welt nicht weitere vier Jahre an Chaos vertragen kann“.

Niemand erwartet, dass Haley die Caucuses gewinnen wird. Aber bei den Vorwahlen geht es immer um Momentum. Und das könnte sie mit einem Achtungser­folg erzielen. Wenn sie an DeSantis vorbeizieh­t, hätte sie in New Hampshire die Chance, sich als klare Alternativ­e zu Donald Trump anzubieten. Plötzlich müsste Trump Wahlkampf machen, um nicht nur dort, sondern anschließe­nd auch in Haleys Heimatstaa­t South Carolina nicht unter die Räder zu kommen.

Nach den traditione­llen Spielregel­n Iowas haben hier Politiker Erfolg, die an den Graswurzel­n arbeiten. Trump setzt dagegen auf einen nationalis­ierten Wahlkampf. Er tauchte nur etwas mehr als zwei Dutzend Mal vor Ort auf, bevorzugte Großverans­taltungen und vermied weitgehend den direkten Wählerkont­akt. Wie ein Amtsinhabe­r ignorierte er seine Herausford­erer und nahm an keiner der sechs Debatten teil. Stattdesse­n inszeniert­e er sich mit Auftritten bei verschiede­nen Prozessen als Opfer einer politische­n Justiz.

Gemessen an den Umfragen geht Trumps Strategie auf. Die offene Frage bleibt, wie hoch die Motivation seiner Anhänger sein wird, bei dem eisigen Winterwett­er zu den Caucuses zu kommen. Einige werden bestimmt auch im Wohnzimmer von Sharon McNutt auftauchen, wo ein lokaler Wahlkapitä­n mit weiß-goldener Trump-Kappe eine Rede für ihn halten wird.

Am Ende des Abends schreiben die Anwesenden den Namen ihres Kandidaten auf den Wahlzettel. Dann werden die Stimmen ausgezählt und Gastgeberi­n McNutt telefonier­t die Ergebnisse zur Zentrale nach Des Moines. Um Mitternach­t dürfte dann klar sein, wer in Iowa gewonnen hat.

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FOTO: MICHELLE GUTIERREZ/IMAGO Donald Trump bei seinem letzten Interview bei Fox News, bevor die Amerikaner am Montag in Iowa den republikan­ischen US-Präsidents­chaftskand­idaten wählen. Der Ex-Präsident hat gute Siegchance­n.

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