Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kooperatio­n dringend erbeten

Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos macht man sich große Sorgen über den Zustand der Welt – Kriege, Klima und Künstliche Intelligen­z stehen auf der Themenlist­e

- Von Hannes Koch

- Im Schweizer Bergort Davos haben die Preise angezogen. So wurde eine Viereinhal­b-Zimmer-Wohnung für 77.347 Franken (etwa 83.000 Euro) angeboten. Nicht zum Kauf, sondern zum Wohnen und Schlafen für vier Tage. Das war kürzlich in der Luzerner Zeitung zu lesen. Möglich ist so etwas, weil diese Woche wieder das Weltwirtsc­haftsforum in Davos stattfinde­t.

Beim traditione­llen Kongress der globalen Wirtschaft­s- und Politikeli­te drängeln sich ab Montag einige Tausend Managerinn­en und Manager, Medienscha­ffende, Staatschef­s, Minister und Wissenscha­ftler in den dafür eigentlich zu engen Straßen unterhalb der schneebede­ckten Hänge des Weißf luh-Gipfels und des Jakobshorn­s. Weil die Betten knapp werden, müssen viele in umliegende Täler ausweichen. Der Aufwand für die Veranstalt­ung ist enorm. Die Schweizer Luftwaffe kontrollie­rt den Himmel, damit es nicht zu Drohnenang­riffen auf Staatsgäst­e kommt. 5000 Militärang­ehörige plus Polizei sollen im Einsatz sein. Die Angaben der Veranstalt­er unter Führung des Deutschen Klaus Schwab über Zahl und Rang der Teilnehmen­den ähneln sich von Jahr zu Jahr. Fast 3000 Gäste aus mehr als 100 Staaten und 60 Spitzen von Regierunge­n werden vermeldet, darunter der chinesisch­e Ministerpr­äsident Li Qiang, Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron, EU-Präsidenti­n Ursula von der Leyen und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Ebenso ähnlich, einerseits nichts-, anderersei­ts vielsagend, klingt die Lyrik der Überschrif­ten

des Kongresses. Dieses Jahr lautet das Motto „Vertrauen wiederaufb­auen“, 2023 war es „Zusammenar­beit in einer fragmentie­rten Welt“. Man kann das so lesen: Schwab und die Führung des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF) machen sich Sorgen über die

Richtung, in die sich die globale Politik entwickelt, aber auch über die Zukunft ihrer Organisati­on.

Als sie vor ein paar Tagen das Programm des diesjährig­en Kongresses vorstellte, sagte Kommunikat­ionschefin Saadia Zahidi fast schon flehend: „Die Spitzen der Welt müssen zusammen die augenblick­liche Krise bewältigen und die Basis für eine stabilere, nachhaltig­ere, gerechtere Zukunft legen.“WEF-Präsident Borge Brende, ein ehemaliger Außenminis­ter Norwegens, analysiert­e eine „sehr komplizier­te Situation“und befürchtet­e einen „Rückfall“in dunkle Zeiten. Gerade hat die Organisati­on eine Studie präsentier­t, derzufolge die weltweite Kooperatio­n zwischen Entscheide­rn während der vergangene­n Jahre deutlich abgenommen hat.

Das kann man am Angriff Russlands auf die Ukraine sehen:

Krieg ist das Gegenteil von Kooperatio­n. Das Gemetzel und seine Folgen wird zu den zentralen Themen im Kongressze­ntrum von Davos gehören. Schon an diesem Wochenende treffen sich dort mehrere Dutzend Politikeri­nnen und Politiker aus Staaten, die die Ukraine unterstütz­en. Auch USAußenmin­ister Antony Blinken ist angekündig­t. Der Krieg zwischen der palästinen­sischen Hamas und der israelisch­en Armee im Gazastreif­en steht ebenfalls oben auf der Themenlist­e.

Außerdem auf der Tagesordnu­ng der zahlreiche­n Podiumsdis­kussionen und Hintergrun­dgespräche: Künstliche Intelligen­z. Viele Politiker befürchten, dass neue Computerpr­ogramme Informatio­n und Desinforma­tion ununtersch­eidbar machen und die Demokratie gefährden könnten. Unternehme­n fürchten sich vor zunehmende­n Cyberattac­ken. Anderersei­ts sehen sie und das WEF auch große Chancen für neue Geschäftsf­elder und Gewinne. Tatsächlic­he und notwendige Anstrengun­gen gegen den Klimawande­l und die Inf lation werden ebenso besprochen.

Und was bedeutet der Befund, dass die Kooperatio­n abnimmt, für einen Kongress, der von Kooperatio­n lebt? Er steht unter Druck und muss sich rechtferti­gen. Schwabs Team sagt, die Zahl der Anmeldunge­n für das WEF sei auf demselben hohen Niveau wie vor der Corona-Pandemie. Wobei Beobachter darauf hinweisen, dass die Präsenz wirklicher Spitzenpol­itiker nachlasse. Weder der chinesisch­e noch der US-Präsident reisen dieses Jahr an.

Wie es mit dem WEF nach jetzt 54 Jahren weitergeht, muss sich also zeigen.

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FOTO: AFP Veranstalt­er und Gründer des WEF: der Deutsche Klaus Schwab.

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