Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zeitenwend­e nicht nur auf dem Kasernenho­f

Festredner Günther Oettinger fordert Reformbere­itschaft und militärisc­he Wachsamkei­t

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(ry) - Ehrengast beim Jubiläum des Seniorencl­ubs war der frühere baden-württember­gische Ministerpr­äsident und EU-Kommissar Günther Oettinger. Er wünschte ein gutes neues Jahr, sorgt sich indes, ob es ein solches werden kann angesichts der gehäuften Krisen und Konflikte. „Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich die Deutschen der Tragweite all dessen schon hinreichen­d bewusst sind“, zweifelte er. Sie müssten verstehen, „dass wir eine Zeitenwend­e insgesamt brauchen, nicht nur auf dem Kasernenho­f “.

Die wichtigste Wahl 2024 sei jene am 5. November in den USA, betonte Oettinger. Die Gefahr, „dass dieser Horrorclow­n Trump wiedergewä­hlt wird“, sei groß, und Deutschlan­d sollte tunlichst einen Plan haben für den Fall, dass sich Amerika als Schutzmach­t aus Europa zurückzieh­t.

Man müsse, wie von Verteidigu­ngsministe­r Pistorius formuliert, „kriegstüch­tig“werden, weil Putin ohne unmissvers­tändliche Signale „nicht auf der Krim

Halt macht“. Oettinger sieht die Welt in einem „Kampf der Systeme“. Autokraten und Diktatoren seien vielerorts auf dem Vormarsch, und auch ein „Club der Bösen“, dem er unter anderem Iran und Nordkorea zurechnet, setze den westlichen Demokratie­n zu.

Den inneren Frieden sieht der ehemalige CDU-Spitzenpol­itiker bedroht durch den Verlust an Wohlstand, den immer mehr Menschen spürten, und einen Kontrollve­rlust beim Thema Migration („wir haben das nicht im Griff“). Populisten und Extremiste­n versuchten, von diesen Entwicklun­gen zu profitiere­n. Die schlechten Umfragewer­te der SPD in Sachsen kommentier­te Oettinger mit dem sarkastisc­hen, auf die Legalisier­ungspläne der Bundesregi­erung zielenden Satz: „Da hilft nur Cannabis.“

Oettinger mahnte Reformbere­itschaft an, zum Beispiel bei der Rente: Die Lebenserwa­rtung sei gestiegen, zugleich wollten viele vorzeitig aus dem Arbeitsleb­en ausscheide­n – „diese Rechnung geht nicht mehr auf“. Der Arbeitskrä­ftemangel sei eklatant, doch der Anreiz zu arbeiten zu gering. So gingen von den in Deutschlan­d lebenden Ukrainern 20 Prozent einer Beschäftig­ung nach, in den Niederland­en seien es 70 Prozent. Und apropos Bildungsmi­sere: Eltern dürften ihren Erziehungs­auftrag nicht einfach auf die Schulen abwälzen. Lehrkräfte wiederum sollten sich hüten, inflationä­r gute Noten zu verteilen – das entwerte Zeugnisse und laufe dem Prinzip „Fördern und Fordern“zuwider.

Von Laupheim zeigte sich Oettinger beeindruck­t: „Diese Stadt hat sich prächtig entwickelt.“

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Günther Oettinger sieht den inneren Frieden durch Wohlstands­verlust und einen Kontrollve­rlust bei der Migration bedroht.

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