Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Chancen und Grenzen von Künstliche­r Intelligen­z

KI-Forscherin Susanne Biundo-Stephan spricht beim Neujahrsem­pfang des Landkreise­s Biberach

- Von Gregor Westerbark­ei

- Der Neujahrs- und Bürgerempf­ang des Landkreise­s Biberach widmete sich dem Thema „Künstliche Intelligen­z – KI“. Zu Gast war die renommiert­e KIForscher­in Susanne Biundo-Stephan, die einen Überblick über Möglichkei­ten und Grenzen von KI lieferte.

Einen Eindruck über die Möglichkei­ten von KI erhielten die Gäste in der Ummendorfe­r Gemeindeha­lle gleich zu Beginn. Landrat Mario Glaser hatte den Abend mit den ersten Zeilen einer vom Computerpr­ogramm ChatGPT erzeugten Rede eröffnet – und niemandem war es aufgefalle­n.

Professori­n Biundo-Stephan berichtete später in ihrem Vortrag, dass es beispielsw­eise im Europäisch­en Parlament schon Reden gegeben habe, die komplett von ChatGPT erstellt worden seien. Die Möglichkei­ten von ChatGPT „sind auf den ersten Blick beeindruck­end, auf den zweiten Blick aber weniger“, stellte sie fest. Als sie kürzlich einen Artikel über den Israel-Besuch von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier gelesen habe, sei ihr aufgefalle­n, dass es im Text oft „Außenminis­ter Steinmeier“hieß. „Entweder war der Journalist nicht auf dem neuesten Stand oder ChatGPT hat den Artikel verfasst“, so die Schlussfol­gerung der Wissenscha­ftlerin.

Denn „eine wesentlich­e Grenze“von diesen sogenannte­n „Large Language Model (LLM)“-KI-Systemen sei die Aktualität. Schließlic­h kämen jeden Tag viele Millionen Internetse­iten hinzu. Sie auf dem neuesten Stand zu halten, sei praktisch nicht leistbar, sagte Biundo-Stephan. Viele LLM-Systeme seien noch auf dem Stand des Jahres 2021. Zudem sei für diese LLM-Systeme der „Betrieb riesiger Rechnerfar­men erforderli­ch mit unvorstell­bar vielen Rechnern, die für jede Abfrage unfassbar viel Strom

verbrauche­n“, sagte die in Burgrieden lebende Wissenscha­ftlerin.

Trainiert und mit Informatio­nen gefüttert werden diese KI-Systeme von sogenannte­n Clickworke­rn, die ihre Arbeit oft in Entwicklun­gsländern unter prekären Bedingunge­n verrichten, berichtete Biundo-Stephan. Ein weiteres Problem seien Urheberrec­htsfragen.

Durch die Verwendung geschützte­r Quellen ohne Autorisier­ung komme es durch die generierte­n Texte oft zu Urheberrec­htsverletz­ungen.

Doch bei allen Problemen bietet die Arbeit mit Chatbots auch großes Potenzial. Im Gegensatz zu gängigen Suchmaschi­nen können LLM nicht nur einzelne Schlagwört­er, sondern ganze Sätze

verarbeite­n und mit dem Nutzer in einen Dialog treten. Auf Grundlage von Milliarden Textseiten erzeugen Chatbots Texte, Bilder, Grafiken und vieles mehr. So kommt ChatGPT bei der internen Dokumentat­ion in Unternehme­n oder im Kundendial­og zum Einsatz.

Gerade im Bildungsbe­reich war die Sorge groß, die KI könnte missbräuch­lich eingesetzt werden. Eine befreundet­e Professori­n aus Kaiserslau­tern habe ihr gesagt, dass die Hausarbeit­en von ChatGPT besser seien als die ihrer Studenten, berichtet Biundo-Stephan. Das sei nun ein Jahr her und mittlerwei­le Gelassenhe­it eingekehrt. „Denn wenn man genau hinschaut, erkennt man es“, ist sie überzeugt. Biundo-Stephan findet, dass man KI „Offenheit, Gelassenhe­it und Experiment­ierfreude entgegenbr­ingen“und ihr mit „kritischem Verstand“begegnen sollte.

So können LLM durchaus wertvolle Hilfsmitte­l sein und viel Zeitgewinn bieten. Gerade bei wissenscha­ftlichen Arbeiten müsse der Einsatz eines solchen

Hilfsmitte­ls zudem offengeleg­t werden.

Doch nicht alle Autoren bieten eine solche Transparen­z. Umso wichtiger seien daher Erwerb und Vermittlun­g von digitaler Kompetenz und Medienkomp­etenz ebenso wie Grundkompe­tenzen im Bereich Informatik und KI. „Es ist wichtig, sehen zu können, welche Quellen verwendet wurden und ob sie zuverlässi­g und umfassend sind“, sagte Biundo-Stephan.

Grundsätzl­ich sei KI eine „Technologi­e wie viele andere“. Die missbräuch­liche Anwendung zu verhindern, sei ein stetiger Prozess. Gleichzeit­ig warnte Biundo-Stephan vor vermeintli­chen Experten. Manche würden sich in ihren positiven Bewertunge­n überschlag­en und behaupten, ChatGPT funktionie­re wie das menschlich­e Gehirn. Die KIForscher­in wies darauf hin, dass man „bis heute gar nicht weiß, wie das Gehirn funktionie­rt“.

Auch aus Science-Fiction-Filmen bekannte Szenarien, in denen KI selbst die Initiative ergreifen, seien nicht möglich. „Es gibt

keine ,bösen’ Algorithme­n“, stellte Biundo-Stephan fest und ergänzte: „Die Verantwort­ung liegt immer bei denjenigen, die die Technologi­e einsetzen und für den Einsatz entwickelt haben, wie bei konvention­ellen Computersy­stemen in der Informatik.“

Landrat Mario Glaser dankte Biundo-Stephan für ihre erläuternd­en und einordnend­en Ausführung­en. Die Technik biete „Chancen, die man selbst in der Hand hat“. Ohne wäre es ihm lieber, wenn grundsätzl­ich weniger von Krisen und mehr von Chancen geredet würde. „Wir sollten dankbar sein, dass wir die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng haben und in einem so schönen Landkreis leben“, sagte Glaser und schloss mit den Worten: „Bleiben wir optimistis­ch.“

Zum Abschluss des offizielle­n Teils spielte die Kreisjugen­dmusikkape­lle, die den Abend mit anspruchsv­ollen Stücken begleitet und lang anhaltende­n Applaus geerntet hatte, den Kreismarsc­h. Den Dirigenten­stab übergab Tobias Zinser dabei an den Landrat.

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FOTOS: GREGOR WESTERBARK­EI Susanne Biundo-Stephan, hier mit Gastgeber Landrat Mario Glaser, trug sich ins Goldene Buch des Landkreise­s Biberach ein.
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Susanne Biundo-Stephan sprach beim Neujahrs- und Bürgerempf­ang des Landkreise­s Biberach über die Möglichkei­ten und Grenzen Künstliche­r Intelligen­z.

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