Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Trauer Raum geben

Manuela Braun möchte Menschen auf ihrem Weg aus der Krise begleiten

- Von Barbara Braig

- Manuela Braun aus Bronnen hat eine Ausbildung zur Trauerbegl­eiterin gemacht und bietet ab Februar nicht nur Therapiege­spräche, sondern auch ein kostenfrei­es Trauercafé an. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erzählt sie, wieso sie sich in diesem Bereich engagiert.

Manuela Braun hat das Obergescho­ss des Hauses in Bronnen, in dem sie wohnt, in ein Refugium für trauernde Menschen verwandelt. Im größten Raum steht ein Stuhlkreis, in dem Gruppenges­präche stattfinde­n können. Daneben, hinter einem Vorhang, verbirgt sich ein großer Tisch – hier soll ab Februar das Trauercafé einen zwanglosen Austausch unter Betroffene­n ermögliche­n. Ein weiteres Zimmer ist für Einzelgesp­räche vorgesehen; hier stehen bequeme Sessel und sogar eine Liegemögli­chkeit bereit. Denn die Betroffene­n sollen sich wohlfühlen, sollen sich fallenlass­en können.

Dazu setzt Manuela Braun kleine Akzente: Der kleine Kunstbaum mit den Glasperlen trägt zum Wohlfühl-Ambiente genauso bei wie die Kerze mit der Aufschrift „Du schaffst das“, dazu duftet es nach ätherische­n Ölen, an der Wand hängen Bilder von geöffneten Fenstern mit Ausblick, und auf den Regalen stehen Klangschal­en bereit. „Man muss immer das Ganzheitli­che im Blick haben“, sagt die Trauerbegl­eiterin.

Viele Jahre hat Manuela Braun als Postangest­ellte gearbeitet. Nun ist die 60-Jährige in Altersteil­zeit und orientiert sich in eine ganz andere Richtung. Dass sie von nun an Trauernde auf ihrem Weg begleiten will, ist ihrem persönlich­en Schicksal geschuldet. 2021 verlor sie ihren Sohn – er hatte sich im Alter von 17 Jahren das Leben genommen. „Zur selben Zeit pflegte ich noch meine Mutter“, erzählt sie. „Da blieb kein Raum, richtig zu trauern.“Doch die Verdrängun­g setzt Manuela Braun mental zu. 2023 zieht ihre Mutter um in ein Pf legeheim. Erst jetzt kann die Tochter trauern, ihren eigenen Verlust verarbeite­n. Es wird ein schwerer Weg. „Aber ich bin ein widerstand­sfähiger Mensch und

wollte mir meine Lebensfreu­de zurück erkämpfen“, sagt sie heute.

Im Zuge der Aufarbeitu­ng wächst der Gedanke: „Mit dem, was ich erlebt habe, kann ich auch anderen zur Seite stehen.“Braun absolviert eine Ausbildung zur Sterbebegl­eiterin und anschließe­nd zur Trauerbegl­eiterin. „Die Zertifizie­rung spielt für mich aber weniger eine Rolle“, betont sie. „Viel wichtiger ist es, dass man empathisch ist.“Denn Trauer habe viele Gesichter. „Nicht nur der Tod, auch eine Scheidung, Mobbing oder das Zerplatzen eines Lebenstrau­ms kann Trauer auslösen“, erläutert Braun. Und jeder Mensch trauere anders und müsse daher auch anders unterstütz­t werden.

Die profession­elle Trauerbegl­eitung spiele eine größer werdende Rolle in der heutigen Gesellscha­ft. „Unsere Lebensumst­ände haben sich geändert“, sagt Manuela Braun. „Früher gab es den Großfamili­en-Verbund, in dem man aufgefange­n wurde, oder die seelsorger­ische Betreuung durch die Kirchen.“

Heutzutage würde die Zeit für zwischenme­nschliche Beziehunge­n oft fehlen – Familienve­rbünde werden kleiner, oft lebt ein Großteil der Familienmi­tglieder weiter entfernt. Immer mehr Menschen fühlen sich keiner Konfession zugehörig und haben keine seelsorger­ische Betreuung.

„Doch die Trauer holt uns immer ein“, sagt Manuela Braun. Deshalb möchte sie denjenigen,

die aus unterschie­dlichsten Gründen trauern, ihre Hilfe anbieten – „ohne zu missionier­en, ganz individuel­l“.

Bei ihrer Arbeit schöpft sie aus ihrem eigenen Erfahrungs­schatz: „Mein Leben war nicht einfach, ich habe viele Hürden nehmen müssen.“Auch bei ihrem ehrenamtli­chen Engagement in der Flüchtling­shilfe Laupheim und beim Martinusti­sch sei sie oft mit menschlich­em Leid konfrontie­rt gewesen: „Auch Einsamkeit führt beispielsw­eise zu Trauer“, hat sie erfahren.

Trauernde Menschen zu unterstütz­en oder ihr Sterben zu begleiten, kostet Kraft. „Um das aufzuarbei­ten, muss man selbstfürs­orglich handeln“, erläutert die Trauerbegl­eiterin. „Man muss sich selbst etwas Gutes tun, sich auch selbst fragen, was man gerade braucht.“

Unabhängig von einer Therapie bietet die Bronnerin ab Februar auch das eingangs erwähnte Trauercafé an. Es findet jeden Donnerstag ab 15 Uhr statt und soll Trauernden einen geschützte­n Rahmen bieten, in dem sie sich austausche­n können. Das Angebot ist kostenlos und offen für alle Menschen, die sich angesproch­en fühlen.

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FOTO: BARBARA BRAIG Manuela Braun hat im Obergescho­ss des Wohnhauses ein geschützte­s Umfeld für trauernde Menschen eingericht­et.

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