Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Hits, Hits, Hits und ein großer Skandal

Weltweit erfolgreic­her Produzent Frank Farian mit 82 Jahren gestorben – Er erfand Boney M. und die Playback-Trickser Milli Vanilli

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Seine Lieder sind Klassiker der Popmusik und der Soundtrack einer Generation. Ob „Daddy Cool“oder „Rasputin“: Wie am Fließband schuf Musikprodu­zent Frank Farian tanzbare Welthits. Der Durchbruch erstaunte ihn selbst. „Der Erfolg war eine riesengroß­e Überraschu­ng. Ich hatte immer gedacht, ich schaffe es nicht. Es sah ja auch anfangs nicht danach aus“, erzählte er vor Jahren der Deutschen Presse-Agentur. Nun ist Farian im Alter von 82 Jahren gestorben — in seiner Wahlheimat Miami, wie seine Familie am Dienstag über eine Agentur mitteilte. „Vom Studio aus in die Sonne schauen: Das habe ich mir immer gewünscht“, sagte er einmal über seinen Umzug in die USA.

Als Franz Reuther kam er am 18. Juli 1941 in Kirn an der Nahe auf die Welt, als Frank Farian stand sein Name für internatio­nalen Erfolg im Musikgesch­äft. Seit er Teenies Mitte der 1970er-Jahre mit seinem traurigen Hit „Rocky“zum Weinen brachte, trat er selbst kaum noch auf — das sei „irgendwann vorbei gewesen“. Als Mann im Hintergrun­d, als Produzent, begann sein Megaerfolg. Etwa mit der Gruppe Boney M.

Den ersten Titel „Baby Do You Wanna Bump“(1975) sang Farian selbst. Weil er das vielstimmi­ge Lied auf der Bühne nicht solo aufführen konnte, suchte er eine Band, die den Song präsentier­en sollte. Zwei Mitglieder sangen live, zwei weitere bewegten die Lippen. Mit Erfolg: Hits wie „Rivers of Babylon“oder „Ma Baker“sind Popgeschic­hte.

Mit Milli Vanilli folgte ein ähnliches Projekt – das jedoch ging schief. Es wurde zum Skandal im Musikbusin­ess. Der Discopop-Hit „Girl You Know It's True“der Jugendfreu­nde Robert „Rob“Pilatus und Fabrice „Fab“Morvan verkaufte sich Ende der 1980erJahr­e weltweit mehr als 30 Millionen Mal. Das erste Milli-VanilliAlb­um wurde in den USA 1989 sechsmal mit Platin ausgezeich­net, das Münchner Duo gewann einen Grammy für die besten neuen Künstler. Später wurde bekannt, dass die beiden gar nicht selbst gesungen, sondern die Lippen zu den Stimmen profession­eller Sänger bewegt hatten. Die Musikwelt war erschütter­t.

Der Fall gilt bis heute als einer der größten Betrugsska­ndale der Musikgesch­ichte. Ein Film von Regisseur Simon Verhoeven erzählt die Geschichte derzeit im Kino. Farian wirkte als Co-Produzent mit, nahm aber nach eigenen Angaben keinen direkten Einfluss und habe der Filmfirma vertraut. Er sah die Geschichte nach eigenen Worten jedoch nicht richtig wiedergege­ben — der Film entspreche zu „weniger als 80 Prozent“der Wahrheit.

„Es ist nicht meine erlebte Wahrheit. Deswegen bin ich auch etwas distanzier­t davon“, sagte er der „Saarbrücke­r Zeitung“vor der Veröffentl­ichung im Dezember. So sei etwa Sänger Robert „Rob“Pilatus anders gestorben als im Film. Von der Leistung von Schauspiel­er Matthias Schweighöf­er, der Farian im Film darstellt, zeigte sich Farian aber begeistert: „Niemand kann so aussehen wie Frank Farian! Aber er verkörpert mich exzellent“, meinte er. Im Interview kündigte Farian auch an, dass bald ein neues MilliVanil­li-Album mit bislang unveröffen­tlichten Songs erscheine, das Video zur zweiten Single sei bereits gedreht.

Der Erfolg auch mit Bands wie Eruption und No Mercy war Farian nicht in die Wiege gelegt worden. „Meinen Vater habe ich nie kennengele­rnt, er fiel vor meiner Geburt im Krieg. Meine Mutter war meine persönlich­e Trümmerfra­u. Sie hat alle Steine aus dem Weg geräumt und mir alles ermöglicht, obwohl wir kein Geld hatten.“Mit 14 zog der junge Franz zu Verwandten ins Saarland und lernte Koch — „weil ich ständig Hunger hatte und dachte, da habe ich immer etwas zu essen“.

Die musikalisc­hen Anfänge waren bescheiden. Auf einem Familienab­end steckte ihm der Pfarrer einen Groschen zu, weil er „Der Mond ist aufgegange­n“so schön gesungen hatte — „meine erste Gage“. Mit seiner Band Die Schatten nahm Farian 1963 in einem früheren Stall die erste Platte auf. „In der Mitte standen ein Mikrofon und ein Tonbandger­ät.“

Vom Saarland ging es nach Hessen, in ein Tonstudio in Rosbach bei Frankfurt, und später nach Miami — und zum Beispiel mit Boney M. zu Konzerten nach Moskau. Wenn Farian darüber sprach, klang seine Stimme ernst. „Ich denke oft daran, wie wir auf dem Roten Platz getanzt haben“, erzählte er dann. „Mein Vater ist in Russland gefallen, und ich bin dort ein gefeierter Star. Das kann man sich nicht erträumen.“

Er gewann Goldene Platten und feierte Chart-Erfolge — doch das Geheimnis seines großen Erfolges, betonte Farian einmal, habe er nicht entschlüss­eln können. Wenn er einen Song gemischt habe, habe er an seine Zeit als Koch gedacht. „Es geht immer um die Zutaten. Man kann zwar sagen, man wird Musiker, aber vieles ist dann Glück. Erfolg ist nicht planbar.“Eines aber war ihm immer wichtig: die Freude am Leben und an der Arbeit. (dpa)

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FOTOS: DPA/IMAGO Mit der Band Boney M. (Aufnahme vom April 1981, oben) begann Frank Farians Karriere als Popmusik-Produzent. Mit Milli Vanilli (unten) verfolgte er wenig später ein ähnliches Projekt, das aber schiefging.
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Von Wolfgang Jung und Birgit Reichert

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