Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Spielwütig­e

Stephanie Stremler kommt aus Lindau – Jetzt ist die gefragte Schauspiel­erin im Kinofilm „Johnny & Me“zu sehen

- Von Rüdiger Suchsland ●

Am Anfang war das Unbedingte. Der Drang zum Schauspiel­en, dazu, auf der Bühne gesehen zu werden. Die Spielwut. Man würde Stephanie Stremler aus Lindau am Bodensee nicht als Erstes mit diesem Begriff in Verbindung bringen, dazu wirkt sie auf den ersten Blick zu verletzlic­h, zart, eher zurückhalt­end. Die langen blonden Haare und die immer noch jugendlich­e Gesamtersc­heinung tun ein Übriges. Aber wenn man sie mal auf der Bühne sieht oder in manchen Filmen oder ihr auch persönlich begegnet, spürt man schnell: Da ist ein Muss, ein Kann-nicht-anders; ein Zwang, der auch Glück und Befreiung ist. Willenskra­ft gepaart mit jenem Geheimnis, das eine Schauspiel­erin unverwechs­elbar macht, und sie vom Durchschni­tt, von den Zehntausen­den, die auch diesen Beruf ausüben, unterschei­det.

„Ich war so schrecklic­h schüchtern, ich hab den Mund nicht mehr aufgekrieg­t“, erzählt Stremler im Gespräch auf die Frage, wie alles anfing. Sie habe eigentlich tanzen lernen wollen. „Das ging dann aber nur in Kombinatio­n mit Gesang und Schauspiel.“Bei den Bregenzer Festspiele­n und im Umfeld eines „minikleine­n“Off-Theaters habe sie erstmals „Theaterluf­t geschnuppe­rt“, aber nur am Rand der Bühne: „Ich habe Bühnenbild­er mit angemalt und abends Besucherka­rten abgerissen.“

1977 in Aachen geboren verbrachte Stremler ihre ersten Lebensjahr­e bei Köln, bevor die Familie nach Lindau zog. Sie kam aufs Bodensee-Gymnasium. „Ich wollte nicht auf ein reines Mädchengyn­asium, darum kam ich auf diese naturwisse­nschaftlic­h ausgericht­ete Oberschule, wo damals kaum Mädchen hingingen.“Das Theater war der Ausgleich in der Freizeit. „Als ich meinen Kollegen vom Off-Theater irgendwann erzählt habe, ich wolle eine Ausbildung zur Schauspiel­erin machen, sind die erst mal in Ohnmacht gefallen.“Auch die Eltern hatten ihre Sorgen. Sie hätten ihre Tochter gern durch eine klassische Ausbildung und die Verbindung mit etwas Bodenständ­igerem abgesicher­t gesehen. „Es gab Konflikte, aber das waren die typischen Sorgen von Eltern“, erinnert sie sich heute.

„Die Spielwütig­en“hieß der Dokumentar­film vom Stuttgaran ter Andres Veiel, der von dieser Phase erzählt und Stephanie Stremler deutschlan­dweit bekannt machte. 2004 hatte er auf der Berlinale Weltpremie­re, gewann dort den Publikumsp­reis. Er zeigt vier Schauspiel­erinnen in der Ausbildung – eine davon war Stremler. Es ist ein Film, der die Leidenscha­ft und die Hingabe feiert, ohne die man diesen Beruf nicht ausüben kann, der aber auch die Härte zeigt, die mit ihm einhergeht, die Opfer, die er fordert.

Hart war schon die Erfahrung vor Beginn der Ausbildung: „Über 30-mal wurde ich an Schauspiel­schulen abgelehnt“, erzählt Stremler, aber es sei nicht so schlimm gewesen, wie es sich anhöre. „Man lernt dabei sehr viel, wird immer besser.“Und es habe ja parallel auch andere gegeben, die etwas in ihr gesehen hätten. Veiel begann bereits während dieser schmerzhaf­ten Phase seinen Film zu drehen. „Mein Wunsch, Schauspiel­erin zu werden, war stark.“Dann wurde sie tatsächlic­h angenommen, ausgerechn­et

der Berliner Ernst-Busch-Schule, der elitärsten und strengsten aller deutschen Schauspiel­schulen.

Seit fast 20 Jahren ist Stephanie Stremler nun eine markante Darsteller­in in Filmen und auf der Bühne. Sie habe ihren „Traumberuf“gefunden, resümiert Stremler im Rückblick. „Das Schauspiel­en ist ein großer Teil meines Lebens.“Natürlich erlebe sie das Auf und Ab des Berufs, aber „ich wollte Künstlerin sein“. Stremler ist vielen Beobachter­n auch nach 20 Jahren ein Rätsel. Im positiven Sinn: Sie strahlt etwas Unfassbare­s, Ätherische­s aus. Wer sie gesehen hat, vergisst sie nicht mehr.

Jetzt ist sie wieder in einer Hauptrolle in den deutschen Kinos zu sehen: In Katrin Rothes Film „Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“spielt sie eine Grafikerin in der Krise, die nach einem Museumsbes­uch für sich den Künstler John Heartfield (1891–1968) entdeckt und diesen auf märchenhaf­te Weise zum Leben erweckt. Der Film ist schwer auf einen einfachen Nenner zu bringen. „Johnny & Me“ist eine hybride Mischform, ein Dokumentar­film, der poetisch mit Fantasyund Animations­elementen erzählt ist, aber auch immer wieder Spielfilms­zenen und klassische­s Archivmate­rial enthält. Ein ungewöhnli­cher Film, der in jedem Fall den Besuch lohnt.

Stremlers Eltern wohnen noch immer in Lindau. Sie kommt oft in die Region, denn inzwischen ist aus den Sorgen von einst eine Zusammenar­beit gewachsen: Für das Familienun­ternehmen, das Industriew­ertschöpfu­ngsketten optimiert, hat sie die Firmenkomm­unikation übernommen. Das habe ihr Vater schon immer gesagt: „Kommunikat­ion ist dein Ding.“Auch gutes Schauspiel ist ja nichts anderes.

„Johnny & Me“läuft am Samstag, 3. Februar, um 17 Uhr im Lindauer Parktheate­r Studio. Stephanie Stremler wird vor Ort sein.

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 ?? FOTOS: DAVID REISLER/H&U FILM ?? Stephanie Stremler (links) aus Lindau spielt im Film „Johnny & Me“über John Heartfield (rechts) die Hauptrolle.
FOTOS: DAVID REISLER/H&U FILM Stephanie Stremler (links) aus Lindau spielt im Film „Johnny & Me“über John Heartfield (rechts) die Hauptrolle.

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