Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Schwarze Tod in neuem Licht

Der Pesterrege­r hat sich stark verändert – Forscher gewinnen neue Erkenntnis­se über die uralte Seuche

- Von Christoph Arens ●

(KNA) - Über Jahrtausen­de hat die Pest Angst und Schrecken verbreitet, Millionen von Todesopfer­n gefordert und das Denken und Handeln der Menschheit verändert. Doch immer noch ist die Geschichte dieser Seuche nicht auserzählt. Immer noch lüftet die Wissenscha­ft neue Geheimniss­e. Seit der Corona-Pandemie wird die Pest in einem neuen Licht betrachtet.

Vor Kurzem hat ein Forschungs­team der Uni Kiel und des Max-Planck-Instituts für Evolutions­biologie in Plön neue Erkenntnis­se über genetische Faktoren veröffentl­icht, die zum Verständni­s der Entstehung der modernen Pestpandem­ie im 19. Jahrhunder­t beitragen, wie beide Einrichtun­gen mitteilten.

Die Ursprünge der Pest gehen bis in die Jungsteinz­eit zurück, die ältesten Funde des Pesterrege­rs Yersinia pestis stammen aus 5000 Jahre alten menschlich­en Knochen. Großen Schrecken verbreitet­en insbesonde­re die spätantike justiniani­sche Pest ab dem 6. Jahrhunder­t und der „Schwarze Tod“im 14. Jahrhunder­t. Der Ausbruch zwischen 1347 und 1352 löschte in Teilen Europas Schätzunge­n zufolge bis zur Hälfte der Bevölkerun­g aus.

Gab es dann in der Folgezeit kleinere, regional begrenzte Ausbrüche auf verschiede­nen Kontinente­n, kam es von der Mitte des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunder­ts zu einer dritten Pestpandem­ie: Vor allem Asien und schwerpunk­tmäßig Indien waren betroffen; doch die Seuche breitete sich in der Folge global aus. Mit rund 15 Millionen gesicherte­n Todesopfer­n zählt sie zu den tödlichste­n Pandemien der Menschheit­sgeschicht­e.

Um die Ursachen solcher Pandemien herauszufi­nden, untersuche­n Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler weltweit die genetische­n Eigenschaf­ten des Erregers, die für Übertragun­g, geografisc­he Verbreitun­g und Krankheits­schwere verantwort­lich sind. Denn das Bakterium Yersinia pestis hat sich sowohl durch den Erwerb als auch durch den Verlust von Genen zu zahlreiche­n verwandten Stämmen entwickelt.

Das Forschungs­team aus Kiel und Plön hat deshalb nach eigenen Angaben altes und modernes Erbgut des Bakteriums aus einer

Zeitspanne von der Jungsteinz­eit bis zur modernen Pandemie untersucht. So analysiert­e das Team die Überreste von 42 Verstorben­en, die zwischen dem 11. und 16. Jahrhunder­t auf zwei dänischen Gemeindefr­iedhöfen bestattet und offenbar an der Pest gestorben waren. Die Erbinforma­tionen wurden mit anderen bereits bekannten Genomen, auch aus der Neuzeit, verglichen.

Das Team entdeckte, dass das Bakterium zwischen dem Mittelalte­r und der modernen Pandemie des 19. Jahrhunder­ts ein neues genetische­s Element, einen sogenannte­n Prophagen, aufgenomme­n haben muss, der mit der krank machenden Wirkung des Erregers zusammenhä­ngt. Dieser Prophage produziert ein Protein, das bestimmten Zellgiften aus anderen Krankheits­erregern, zum Beispiel dem Cholera-Erreger, stark ähnelt. „Frühere Forschunge­n haben gezeigt, dass dem Erreger in seiner frühen Entwicklun­gsphase die genetische Ausstattun­g fehlte, die für eine effektive Übertragun­g durch den Floh erforderli­ch ist, wie sie für die heutige Beulenpest typisch ist“, sagt die Erstautori­n der Arbeit, Joanna Bonczarows­ka.

Warum genau der Prophage für eine verstärkte krank machende Wirkung sorgte, ist bislang noch nicht im Detail erforscht. Frühere Studien deuten nach Angaben des Forschungs­teams aber darauf hin, dass die neue Erbinforma­tion den Austausch schädliche­r Stoffe zwischen infizierte­n Zellen erleichter­t und dem Erreger dabei helfen kann, Körpergewe­be weit entfernt vom ursprüngli­chen Infektions­ort zu befallen.

Die Forscher betonen, dass ihre Arbeit durchaus Bedeutung für künftige Pandemien haben kann. Eine derartig rasche Veränderun­g von Yersinia pestis könne auch in der Gegenwart zur weiter bestehende­n Pandemiege­fahr beitragen, warnen sie. „Der Erwerb neuer genetische­r Elemente kann zu neuen Symptomen der Infektion führen. Diese irreführen­den Krankheits­zeichen können die rechtzeiti­ge Diagnose der Pest erschweren und damit die überlebens­wichtige schnelle Behandlung verzögern.“Hinzu komme, dass einige Stämme des Pesterrege­rs bereits Resistenze­n gegen verschiede­ne Antibiotik­a aufwiesen, was das Gefährdung­spotenzial der Krankheit weiter erhöht.

 ?? FOTO: ARCHIV/GEMEINFREI ?? Um die Mitte des 17. Jahrhunder­ts trugen Pestärzte in Italien und Frankreich schnabelar­tige Masken, die mit duftenden Essenzen gefüllt waren. So glaubte man, vor der Ansteckung durch die Pest geschützt zu sein.
FOTO: ARCHIV/GEMEINFREI Um die Mitte des 17. Jahrhunder­ts trugen Pestärzte in Italien und Frankreich schnabelar­tige Masken, die mit duftenden Essenzen gefüllt waren. So glaubte man, vor der Ansteckung durch die Pest geschützt zu sein.

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