Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zeiterfassung gegen Klischees
Gegen Vorurteile gibt es nur ein probates Mittel: Fakten. Das Klischee der faulen Lehrkräfte, die vormittags recht, nachmittags frei und 75 Tage im Jahr Urlaub haben, ist nur dadurch zu widerlegen, dass ihre tatsächliche Arbeit erfasst wird. Wenn sich die Gesetzgeber in Berlin – mal wieder – gegenseitig blockieren, könnte es einmal mehr den Gerichten zufallen, Fortschritt zu schaffen. Erfreulich also, dass zwei Gymnasiallehrkräfte aus Baden-Württemberg vorpreschen und darauf klagen, ihre tatsächliche Arbeitzeit dokumentiert zu wissen.
Eine Studie nach der anderen kommt zum immer gleichen Ergebnis: Die durchschnittliche Lehrkraft arbeitet deutlich mehr als sie vertraglich muss. Nicht nur während der Schultage, sondern auch am Wochenende und in der Nacht. Aufs Jahr gerechnet können sie mit den Ferienzeiten die geleistete Arbeit gar nicht ausgleichen. Das Problem hierbei ist nicht der Unterricht, denn der ist zeitlich vorgegeben. Was viele Pädagogen derweil an den Rand des Burnouts oder vielfach darüber hinaus treibt, ist die Arbeit, die niemand sieht: Korrekturen, Konferenzen, Klassenfahrten, Elterngespräche, Fortbildungen und vieles mehr. Im Gegensatz zu anderen Beamten und den allermeisten Angestellten bekommen sie aber keine Kompensation für ihre Überstunden.
Die Folge dieser sich verschärfenden Entwicklung: Der Lehrerberuf wird immer unattraktiver. Die Verbeamtung verliert unter jungen Menschen an Strahlkraft, die flexible Teilzeitgestaltung ist aufgrund des massiven Lehrkräftemangels inzwischen vielerorts eingeschränkt. Was wieder mehr Menschen für diesen Job motivieren könnte, wären also gute Arbeitsbedingungen, in denen endlich Arbeitsschutzverordnungen eingehalten werden und geleistete Arbeit anerkannt wird.
Dafür muss das Deputatsmodell fallen, das Lehrkräften nur Unterrichtszeit verordnet. Sie verdienen zugeteilte Zeit für alle Tätigkeiten – für Unterricht abgestuft nach Klassenstufe, Fach und Schulart, aber auch weitere Aufgaben. Dann müssten zum Beispiel vielleicht Sportlehrer mehr unterrichten und schulische Aufgaben übernehmen, andere Lehrkräfte aber würden entlastet.