Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Landtag streitet weiter übers Gendern

Grüne sprechen von „Phantomdeb­atte“– FDP sieht Integratio­n durch Sonderzeic­hen in Gefahr

- Von David Nau ●

(dpa) - Nach der Klarstellu­ng der Landesregi­erung zum Umgang mit Gender-Sprache in der Landesverw­altung hat der Landtag erneut über die Verwendung von Binnen-I, Genderster­nchen und Doppelpunk­ten diskutiert. Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Landtag, Oliver Hildenbran­d, sprach von einer Scheindeba­tte. „Wir leben in einer Zeit, in der es an Herausford­erungen nicht mangelt. Die Liste an tatsächlic­hen Problemen ist wirklich lang“, sagte er am Mittwoch im Landtag in Stuttgart. Stattdesse­n führe man nun schon wieder eine „Gender-Phantomdeb­atte“. „In aktuellen Debatten sollten wir politische Herausford­erungen debattiere­n, die zentral für die Zukunft des Landes sind“, forderte Hildenbran­d.

Die FDP-Fraktion hatte eine aktuelle Debatte zum Thema „Gendern verhindert Integratio­n und Inklusion“beantragt. Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sagte, es gebe viele Lebensbere­iche, in denen klare Vorgaben notwendig seien, etwa in den Schulen. „Wir haben viele Migrantenk­inder und sind froh, wenn sie die korrekte deutsche Schriftspr­ache erlernen.

Da sind Gender-Sonderzeic­hen nicht hilfreich“, sagte Rülke. Dasselbe gelte für Erwachsene, die die deutsche Sprache erlernten.

Hildenbran­d, der in seiner Rede selbst genderte, warf der FDP vor, mit der Debatte verschiede­ne gesellscha­ftliche Gruppen, die Diskrimini­erung erlebten, gegeneinan­der auszuspiel­en. Das sei unanständi­g. „Glauben Sie denn allen Ernstes, dass es das Genderster­nchen ist, das die Integratio­n von Menschen mit Migrations­hintergrun­d verhindert?“

Die CDU-Abgeordnet­e Christiane Staab sagte, die Frage des Genderns

dürfe die Gesellscha­ft nicht spalten. Eigentlich sei das Ziel von geschlecht­ergerechte­r Sprache, die Gesellscha­ft zusammenzu­führen. „Das Ergebnis des Genderns ist, dass wir auseinande­rfallen“, sagte Staab. Die Gesellscha­ft werde eingeteilt in Menschen, die gendern und Menschen, die nicht gendern. Dabei entstehe der Eindruck: „Wer gendert, ist respektvol­l, wer nicht gendert, möglicherw­eise nicht.“

Der SPD-Abgeordnet­e Sascha Binder sagte, die Debatte erinnere ihn mehr an eine Kappensitz­ung in der Fasnet als eine Debatte im

Parlament. So gebe es etwa bei der Inklusion ganz andere Probleme. „Kaum eine Bushaltest­elle ist barrierefr­ei. Kaum ein behördlich­es Schreiben ist so verständli­ch, dass es tatsächlic­h jeder verstehen kann“, sagte Binder.

Blödsinnig, dämlich und idiotisch sind Gender-Sonderzeic­hen aus Sicht des AfD-Abgeordnet­en Daniel Lindenschm­id. Sie verhindert­en aber keine Integratio­n. „Integratio­n findet entweder statt, weil sie richtigerw­eise als Bringschul­d erkannt wird, oder sie findet eben nicht statt, weil sich jemand schlichtwe­g nicht integriere­n will“, sagte Lindenschm­id.

Am Dienstag hatte die grünschwar­ze Landesregi­erung eine Einigung im Streit um ein Genderverb­ot für Landesbehö­rden verkündet. Das Kabinett habe mit einem Beschluss klargestel­lt, dass die Landesverw­altung im förmlichen Schriftver­kehr das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschre­ibung und die Empfehlung­en des Rates für deutsche Rechtschre­ibung einhalte, sagte Ministerpr­äsident Kretschman­n (Grüne). Diese Regeln hätten auch vorher schon gegolten, sie seien nochmals klargestel­lt worden. „Es gibt kein Genderverb­ot, sondern wir halten uns an die Rechtschre­ibung“, sagte der Grünen-Politiker.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Auf der Tagesordnu­ng der Plenarsitz­ung des baden-württember­gischen Landtags stand unter anderem das Thema Gendern.

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