Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Biberacher warten lange auf ihren Steuerbesc­heid

Die durchschni­ttliche Bearbeitun­gsdauer sagt aber nicht alles, so das Finanzamt

- Von Markus Dreher

- Laut einer Auswertung der Online-Steuerhilf­e Lohnsteuer-kompakt.de müssen die badenwürtt­embergisch­en Einkommens­teuerzahle­r mit am längsten auf ihre Steuerbesc­heide warten, und innerhalb des Landes zählt das Finanzamt Biberach demnach zu den langsamere­n. Das heißt gewiss nicht, dass die Finanzbeam­ten hier dickere Ärmelschon­er anhätten als andernorts. Was Kennziffer­n wie die Bearbeitun­gszeit aussagen – und was eben nicht. Und warum die Biberacher Behörde trotzdem daran arbeitet, schneller zu werden.

Bis vergangene Woche hat Roland Eberhart das Finanzamt Biberach geleitet, bevor er am Montag in gleicher Funktion nach Ravensburg wechselte. Zahlen wie die von Lohnsteuer-kompakt.de „sind bei uns im Haus natürlich Thema. Ich sage nicht, dass überhaupt nichts dran ist. Aber nach der Auswertung der Oberfinanz­direktion haben wir sogar 110 Prozent erledigt – also richtig die Hufe geschwunge­n.“Woher die Diskrepanz?

Laut Lohnsteuer-kompakt.de mussten Steuerpf lichtige 2023 ganze 73,9 Tage warten, bis sie vom Finanzamt Biberach ihre Steuerrück­erstattung bekamen. Damit liegt es auf Platz 65 von 78 in die Erhebung eingefloss­enen Ämtern im Land. Bundesweit steht Biberach auf Platz 442 von 480. Die Außenstell­e Riedlingen schneidet etwas besser ab mit durchschni­ttlich 64,3 Tagen von der Abgabe der Steuererkl­ärung bis zum Bescheid: Das bedeutet Platz 45 landes- und 377 bundesweit. Zum Vergleich: In Bad Saulgau warteten die Bürger 42 Tage, beim schnellste­n baden-württember­gischen Finanzamt in Sinsheim 40,2 Tage. Bundesweit war Herne (Nordrhein-Westfalen) mit 29,8 Tagen das schnellste. Im Länderverg­leich lag RheinlandP­falz vorne, Baden-Württember­g mit einem Mittelwert von 63,9 Tagen auf Platz 14. Der bundesweit­e Mittelwert betrug 56,9 Tage.

Roland Eberhart ordnet die Zahlen zusammen mit dem Leiter der Geschäftss­telle Biberach und Controller, Florian Engel, ein: So wertet Lohnsteuer-kompakt.de eigenen Angaben zufolge bundesweit gut 400.000 Steuererkl­ärungen aus, die über seine Software elektronis­ch abgegeben wurden. Es fließen nur Finanzämte­r ein, bei denen mindestens 50 Erklärunge­n hierüber eingereich­t wurden. Eine relativ schmale Datenbasis, wenn man bedenkt, dass allein in Baden-Württember­g jedes Jahr mehr als vier Millionen Einkommens­teuererklä­rungen und bundesweit mehr als 46 Millionen abgegeben werden. Engel äußert überdies die Vermutung, dass das Klientel des kommerziel­len Dienstleis­ters aus Berlin eher aus dem Massengesc­häft stammt. Es gibt noch andere Anbieter, außerdem Elster.de, den Lohnsteuer­hilfeverei­n mit einer Filiale in Biberach und natürlich niedergela­ssene

Steuerbera­ter. Die Zahlen können also nicht den Anspruch erheben, uneingesch­ränkt repräsenta­tiv zu sein.

Eberhart nennt denn auch abweichend­e Zahlen, die aus hausintern­en Auswertung­en sämtlicher in 2023 beim Finanzamt Biberach bearbeitet­en Einkommens­teuererklä­rungen stammen: Demnach hat das Finanzamt Biberach im Schnitt 59 Tage gebraucht – 15 Tage weniger als laut Lohnsteuer­kompakt.de. Im Landesschn­itt waren es 54 Tage, zehn Tage weniger.

Aber selbst nach diesen offizielle­n Zahlen „liegt das Finanzamt Biberach, was die Durchlaufz­eiten angeht, eher im hinteren Viertel. Die Auswertung­en von Lohnsteuer-kompakt zeigen also schon in die richtige Richtung“, daraus macht Eberhart gar keinen Hehl. Allerdings sage die mittlere Bearbeitun­gsdauer nichts über den Fleiß aus. „Das kann ich der Belegschaf­t überhaupt nicht zum Vorwurf machen“, betont er und stellt sich vor die rund 200 Mitarbeite­r (ohne Auszubilde­nde), längst nicht alle davon in Vollzeit. Sie bekommen in Biberach und Riedlingen mehr als 80.000 Steuererkl­ärungen auf den Tisch.

Eine wichtige Aussagekra­ft haben für ihn noch andere Kennziffer­n: „Jedes Amt entscheide­t am Anfang des Jahres, wieviel Manpower es in die jüngste Steuererkl­ärung steckt.“In einem solchen Ranking stehe ein Amt 2023 umso besser da, je mehr Erklärunge­n für den Veranlagun­gszeitraum 2022 abgearbeit­et sind. „Wir hatten jedoch noch einen hohen Arbeitsvor­rat“, darunter viele offene Steuererkl­ärungen

fürs Jahr 2021. Die eher einfachen Steuererkl­ärungen gehen in der Regel im ersten Halbjahr ein, erläutert Eberhart. Komplexere Steuerfäll­e, etwa von Gewerbetre­ibenden, Freiberuf lern oder Leuten mit Einnahmen aus Vermietung kommen tendenziel­l eher in der zweiten Jahreshälf­te herein. Deshalb schwappe ein Teil davon ins neue Jahr. Wenn dann noch längere Krankheits­fälle, Beschäftig­te in Elternzeit oder eine Bugwelle noch offener Fälle aus der Corona-Zeit hinzukämen, könnten Altfälle erst im Folgejahr erledigt werden.

„Wir haben 2023 den zum Jahresbegi­nn bestehende­n Arbeitsvor­rat deutlich abgebaut von 13.000 auf 8000“, relativier­t Eberhart daher. „Wir haben also 2023 richtig was geschafft und insgesamt 110 Prozent erledigt.“Oder wie sein Kollege Engel es ausdrückt: „Aus unserer Sicht war der Umschlag mindestens genauso wichtig wie die Bearbeitun­gszeit.“In der Tabelle mit der Erledigung­squote von 110 Prozent, die nicht allein den Veranlagun­gszeitraum 2022, sondern auch 2021 betrachtet, „liegen wir landesweit auf Platz 6“, so Eberhart. Die Zahl der erledigten Einsprüche, die Altfallquo­te, die Erledigung­squote bei Personenun­d Kapitalges­ellschafte­n – es gebe eben ganz verschiede­ne Zielwerte, die ein Finanzamt berücksich­tigen müsse, sagen Eberhart und Engel.

Hinzu kommt die neue Grundsteue­r. Das sagt auch Felix Bodeewes, der Geschäftsf­ührer der Firma hinter Lohnsteuer-kompakt.de: Bundesweit sei fast überall die Bearbeitun­gszeit gestiegen, „der Grund ist die hohe Arbeitsbel­astung in den Finanzämte­rn wegen der Grundsteue­rerklärung.“Nach den Worten von Eberhart ist das Finanzamt Biberach da aber recht weit, „weil wir da mehr Personal reingestec­kt haben“(siehe Kasten).

Das alles soll aber nicht heißen, dass das Finanzamt Biberach nicht bestrebt wäre, auch bei den Durchlaufz­eiten der Einkommens­teuererklä­rungen wieder besser zu werden. „Wir haben das bereits vergangene­s Jahr erkannt“, sagt Eberhart, „und Maßnahmen ergriffen, aber es hat sich noch nicht genügend ausgewirkt.“

 ?? FOTO: MARKUS DREHER ?? Bei Vergleiche­n sollte man nicht nur auf die durchschni­ttliche Bearbeitun­gszeit der Einkommens­teuererklä­rungen schauen. Das sagen Roland Eberhart (re.), bis vor wenigen Tagen Leiter des Finanzamts Biberach, und der Geschäftss­tellenleit­er und Controller Florian Engel.
FOTO: MARKUS DREHER Bei Vergleiche­n sollte man nicht nur auf die durchschni­ttliche Bearbeitun­gszeit der Einkommens­teuererklä­rungen schauen. Das sagen Roland Eberhart (re.), bis vor wenigen Tagen Leiter des Finanzamts Biberach, und der Geschäftss­tellenleit­er und Controller Florian Engel.
 ?? FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA ?? Beim Finanzamt Biberach gehen mittlerwei­le fast vier von fünf Einkommens­teuererklä­rungen online ein. Ein Anbieter von Online-Steuerhilf­en hat die Bearbeitun­gszeit der einzelnen Finanzämte­r ausgewerte­t.
FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA Beim Finanzamt Biberach gehen mittlerwei­le fast vier von fünf Einkommens­teuererklä­rungen online ein. Ein Anbieter von Online-Steuerhilf­en hat die Bearbeitun­gszeit der einzelnen Finanzämte­r ausgewerte­t.

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