Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Stellen die Kinder Fragen, brauchen sie auch Antworten“

Mädchen und Jungen werden zwangsläuf­ig mit Krieg und Krisen auf dieser Welt konfrontie­rt – Wie Eltern damit umgehen können

- Christina Bachmann ●

(dpa) - Auch wenn sie selbst nicht von Krieg oder Flucht betroffen sind: Kinder bekommen von Konflikten in der Welt immer etwas mit. Schon Grundschul­kinder bekommen über Netz, Fernsehen und Apps Bilder und Nachrichte­n von Krieg und Gewalt zu sehen, selbst wenn sie nicht danach suchen. Zudem rückt mit Flüchtling­skindern in der Klasse der Krieg auf einmal ganz nah. Da kommen Fragen und Ängste auf. Wie sollten Eltern damit umgehen? Psychologi­n Elisabeth Raffauf erklärt im Interview, wie Eltern kindgerech­te Antworten auf Kinderfrag­en finden können.

Inwieweit können und sollten Eltern ihre Kinder vor Kriegsnach­richten bewahren?

Erst einmal kann man total gut verstehen, dass Eltern das gerne möchten. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder sich Sorgen machen und von solchen Dingen wissen. Aber man kann nicht verhindern, dass sie Bilder sehen, Nachrichte­n hören und die Aufregung der Erwachsene­n mitbekomme­n, und deshalb können Eltern ihre Kinder nicht davor bewahren. Es ist vielmehr wichtig zu gucken: Inwieweit beschäftig­t das mein Kind? Stellen die Kinder Fragen, dann brauchen sie auch Antworten. Sagt man ihnen bloß: „Ach, da ist ja gar nichts“, dann

machen sie sich ihre eigenen Gedanken, und die sind manchmal bedrohlich­er als die Realität. Manche Kinder brauchen auch Informatio­nen, sie haben eine konkrete Frage.

Was haben Kinder für Fragen, wenn sie von Krieg und Flucht hören oder die Folgen im eigenen Land erleben?

Manche machen sich Sorgen: „Kann das auch bei uns passieren? Was machen wir, wenn der Krieg auch zu uns kommt?“Andere haben vielleicht Flüchtling­skinder in der Klasse und machen

sich Gedanken: „Wie sind die hierhergek­ommen, was haben sie erlebt und wie geht es ihnen damit?“Wieder andere bekommen vielleicht einen Streit auf dem Schulhof mit von Kindern aus Ländern, die sich gerade bekriegen. Und sie fragen sich: „Das sind doch meine Freunde, wieso streiten die sich so heftig?“Und manche Kinder wollen wissen, was sie tun können, wenn sie Angst haben.

Wie können Eltern auf die Angst der Kinder reagieren?

Es ist wichtig, diese Angst zuzulassen

und sie den Kindern nicht auszureden. Denn es ist ein Gefühl an der richtigen Stelle und es ist erst mal eine Sicherheit für die Kinder, zu wissen: Mein Gefühl stimmt. Eltern können sagen: „Da hat man auch Angst, da machen sich auch Erwachsene Sorgen.“Das vermittelt Kindern, dass sie ihrem Gefühl trauen können, dass sie damit nicht allein sind und dass es gut ist, die Angst auf mehrere Schultern zu verteilen. Bei kleineren Kindern können Eltern auch sagen: „Komm, wir versuchen mal, die Angst zu malen. Und dann malen wir ein

Bild, wo wir uns vorstellen, wie es aussieht, wenn Frieden ist.“

Wie kann man Kindern die meist hochkomple­xen Konflikte erklären?

Das kommt immer auf das Alter an und darauf, was die Kinder wissen wollen. Grundsätzl­ich kann man erklären, dass das, was da passiert ist, eigentlich nicht passieren sollte, weil es einfach nur schrecklic­h ist. Und dass Terroriste­n Angst und Schrecken verbreiten wollen. Sie wollen, dass Menschen sich nicht sicher fühlen. Wenn Kinder wissen wollen, warum diese Menschen das tun, kann man ihnen antworten: „Sie haben nicht gelernt, dass man mit Worten etwas erreichen oder auch Kompromiss­e schließen kann. Sie meinen, nur mit Gewalt etwas durchsetze­n zu können.“Man kann auch erklären, dass zwei Völker glauben, Anspruch auf das gleiche Land zu haben, und sich nicht friedlich einigen können.

Eltern sollten den Blick dabei auch auf sich richten: Habe ich selbst vielleicht große Angst und ein Mitteilung­sbedürfnis? Dann sollte ich das lieber mit anderen Erwachsene­n besprechen, um meine Angst nicht auf mein Kind zu übertragen.

Kinder müssen sich manchmal nur ein Stück Sicherheit holen. Sie haben vielleicht nur eine Frage und wenn die beantworte­t ist, wollen sie weiterspie­len. Wenn Eltern unsicher sind, können sie auch nachfragen: „Ist das okay für dich oder willst du noch mehr wissen?“Auf keinen Fall sollte man ein Gespräch aufdrängen.

Welchen Rat geben Sie Kindern, denen die Kriegserei­gnisse Angst machen?

Ich habe mit ukrainisch­en, syrischen und afghanisch­en Kindern gesprochen. Und ein syrisches Kind sagte mir sofort: „Wenn ich Angst habe, dann spreche ich mit meiner Freundin und meinen Eltern und die helfen mir dann.“Das Wichtigste ist, nicht allein zu bleiben, sondern mit jemandem zu sprechen, dem ich vertraue. Es kann aber auch helfen, aktiv zu werden und aus der Ohnmacht, die einen befällt, herauszufi­nden. Man kann zum Beispiel für Kinder in Kriegsgebi­eten sammeln oder Flüchtling­skinder in der Schule ansprechen. Man kann in der Klasse über das Thema reden. Als der Ukraine-Krieg anfing, haben Kinder in Schulen Friedensze­ichen gemalt oder Sätze aufgeschri­eben und sie als Girlanden aufgehängt. So setzen wir Zeichen, dass wir Frieden wollen.

 ?? FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA ?? Eltern können nicht verhindern, dass ihre Kinder Bilder und Nachrichte­n von Kriegen sehen. Sie sind auch im Netz unterwegs und bekommen die Aufregung der Erwachsene­n mit.
FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Eltern können nicht verhindern, dass ihre Kinder Bilder und Nachrichte­n von Kriegen sehen. Sie sind auch im Netz unterwegs und bekommen die Aufregung der Erwachsene­n mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany