Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ziel ist ein „Maßanzug“für den lokalen Bedarf
Offenbar hohe Investitionsbereitschaft der Wainer auf dem Hirsch-Areal soll jetzt konkretisiert werden
- Lange hat sich die Gemeinde Wain um das Hirsch-Areal bemüht, jetzt kann sie darüber verfügen. Gemeinderat und Verwaltung möchten dort gemeinsam mit der Bürgerschaft eine „Neue Ortsmitte“entwickeln, maßgeschneidert für lokale Bedürfnisse. Das Projekt nimmt weiter Fahrt auf – ein Rückblick und der aktuelle Stand.
Welche Chance sich bietet
Das Hirsch-Areal eröffne eine „historische Chance“, die Ortsmitte neu zu gestalten, sagte Bürgermeister Stephan Mantz im Juli 2023 bei einer Informationsveranstaltung. Ergänzt um das Gelände, auf dem sich die alte TSVHalle befand, stehen rund 0,9 Hektar Fläche bereit.
Mantz lud die Wainerinnen und Wainer ein, sich aktiv in das Projekt einzubringen. Gemeinderat und Verwaltung hätten sich „bewusst dagegen entschieden, den klassischen Weg einzuschlagen und das Areal an einen Großinvestor zu vergeben“, erklärte er. Stattdessen wolle man versuchen, die „Neue Ortsmitte“so weit wie möglich „aus Wain heraus“zu realisieren. Dem Ratsgremium sei wichtig, dass dabei der dörfliche Charakter gefestigt wird und Neubauten sich an den umliegenden Häusern orientieren; angestrebt werde eine gemischte Nutzung mit begrüntem Dorfplatz und den Schwerpunkten Wohnen/Wohnen im Alter, Gastronomie, Dienstleistungen und Gesundheitsvorsorge/Pflege.
Ein Fragebogen, im Herbst an alle Haushalte verteilt, sollte ausloten, welche Bedarfe die Menschen in Wain sehen und wie viele sich eine finanzielle Beteiligung an Bauvorhaben auf dem Hirsch-Areal oder ein ehrenamtliches Engagement für künftig dort wohnende Senioren vorstellen können.
Wie das Vorhaben ankommt
Die Ergebnisse der Umfrage wurden vorige Woche rund 200 Zuhörern in der Gemeindehalle präsentiert. 1415 Fragebögen waren an alle über 16-Jährigen mit Hauptwohnsitz in Wain versendet worden. Die Rücklaufquote von 42 Prozent (595 Bögen) gilt unter Fachleuten als Spitzenwert.
Die Auswertung durch das Büro Reschl Stadtentwicklung in
Stuttgart erfolgte anonym. Sie zeigt, dass der Gemeinderat mit seinen Zielen für das Hirsch-Areal richtig liegt. 92,5 Prozent der Menschen, die geantwortet haben, sind der Meinung, dass es in Wain an altersgerechten Wohnungen fehlt. 54,3 Prozent würden, wenn sie nicht mehr allein zurechtkommen, am liebsten in den eigenen vier Wänden, 18,1 Prozent in einer Wohnanlage betreut werden – aber nur 0,5 Prozent in einem Pflegeheim. 80 Prozent finden, dass Betreuungseinrichtungen für Senioren zentral gelegen sein sollten. 15 Prozent hätten in der Wainer Ortsmitte gern bessere gastronomische Angebote, 14,3 Prozent einen schön gestalteten Treffpunkt für Jung und Alt, 14,1 Prozent altersgerechte Wohnungen – so die drei meistgenannten Wünsche.
Eine beträchtliche Zahl Wainerinnen und Wainer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, kann sich offenbar vorstellen, an der Entwicklung der „Neuen Ortsmitte“beteiligt zu sein: indem sie dort eine Wohnung kaufen (132 Nennungen), wohnen (90), ein Gewerbe betreiben (19) oder ein Bau
vorhaben als Mitglied einer Baugemeinschaft (29) oder einer bürgerschaftlichen Genossenschaft (131) realisieren. Zahlen, die Stephan Mantz zuversichtlich stimmen, dass das „Wainer Modell“Chancen hat, erfolgreich zu sein.
Angebote für ein künftiges ehrenamtliches Engagement gingen eher verhalten ein. „Dafür ist es vermutlich noch zu früh“, sagt Mantz. „Da werden wir als Gemeinde sicherlich Impulse setzen, wenn sich Bauvorhaben abzeichnen.“
Die nächsten Schritte
Worauf es jetzt ankommt: Dass die Menschen, die bislang anonym bekundet haben, aktiv an der Entwicklung des Hirsch-Areals mitwirken zu wollen, sich der Gemeindeverwaltung zu erkennen geben. Damit kann dann konkret geplant und ein Abstimmungsprozess gestartet werden, der klärt, wer wann mit welchem Budget und gegebenenfalls mit wem zusammen etwas realisieren möchte. Bei der Versammlung vergangene Woche rief Mantz diesen Personenkreis auf, sich bis 16. Februar im Rathaus zu melden. Die Verwaltung hat dazu auf ihrer Homepage www.wain.de unter der Rubrik „Gemeinde“den Link „Projekt Neue Ortsmitte (Hirsch-Areal)“hinterlegt. Dort kann man sich mit seinen Kontaktdaten, Wünschen und Vorstellungen in eine Interessentenliste eintragen.
„Im nächsten Schritt wollen wir dann mit einzelnen Gruppen – potenziellen Bauherren, Mietern und Käufern – in Workshops tiefer in die Materie und die Planung einsteigen“, kündigte Mantz an. Er hofft, dass am Ende ausreichend Mitwirkende übrigbleiben. Sollte die Nachfrage die Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Hirsch-Areal übersteigen, müsste die Gemeinde Auswahlkriterien festlegen, wer zum Zug kommt. Ein zentrales Ziel: Fehlbelegungen vermeiden („das haben wir nur im Griff, wenn wir es selber machen“) und möglichst viel Wertschöpfung in Wain generieren.
Der Entwurf
Das Büro Reschl hat in einem Rahmenplanentwurf dargestellt, welches Potenzial das Hirsch-Areal bietet, ausgehend von den Ideen des Gemeinderats zur Nutzung und den bisherigen baulichen Vorgaben (dörfliches Erscheinungsbild wahren, maximal zwei Geschosse plus Dachgeschoss). Knapp 60 Wohneinheiten lassen sich so realisieren, davon gut die Hälfte für betreutes Wohnen, etwa 20 in Mehrfamilien- und sieben in Reihenhäusern, außerdem Dienstleistungen auf rund 300 Quadratmeter Nutzfläche und Gastronomie am Standort des Gasthauses „Zum Hirschen“.
In dem Gebäudekomplex für betreutes Wohnen sind bis zu zwölf Plätze in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft vorgesehen, rund um die Uhr von einer Assistenzkraft behütet. Das folgt der Empfehlung des ehemaligen Ersten Bürgermeisters und Hospitalverwalters in Biberach, Roland Wersch, der die Gemeinde berät. Eine solche Wohnform eignet sich nach seinen Worten gut für kleinere Gemeinden, in denen sich kein Pflegeheim realisieren lasse. Stephan Mantz hält es für zielführend, dieses Vorhaben über einen kommunalen Eigenbetrieb, eine Bürgergenossenschaft oder einen Bürgerverein zu realisieren und durch Mieteinnahmen zu refinanzieren. „Diese Wohnplätze sollten wir nicht dem freien Markt überlassen.“
Warum die Arbeit lohnt
Wains Rathauschef ist überzeugt, dass es gelingen kann, durch individuelle Planung und Mitgestaltungsmöglichkeiten eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung für die „Neue Ortsmitte“zu erreichen und gleichsam einen „Maßanzug“zu schneidern. Zudem wirkten sich Baugemeinschaften kostendämpfend aus, diese Erfahrung habe er während seiner Zeit im Bauamt der Gemeinde Schemmerhofen bei einem Projekt auf der Rißinsel in Schemmerberg gemacht. Der Planungs- und Abstimmungsaufwand sei zwar beträchtlich, sowohl für die Verwaltung als auch für die Interessenten, jedoch der Mühen wert: „Wir bestimmen dann, was passiert und wer einzieht.“Ideal wäre es, wenn die Planung spätestens in dreieinhalb Jahren steht: „So lange ist Wain noch Schwerpunktgemeinde im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, auch für das Hirsch-Areal sollten Fördermittel aus diesem Topf möglich sein.“