Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ziel ist ein „Maßanzug“für den lokalen Bedarf

Offenbar hohe Investitio­nsbereitsc­haft der Wainer auf dem Hirsch-Areal soll jetzt konkretisi­ert werden

- Von Roland Ray

- Lange hat sich die Gemeinde Wain um das Hirsch-Areal bemüht, jetzt kann sie darüber verfügen. Gemeindera­t und Verwaltung möchten dort gemeinsam mit der Bürgerscha­ft eine „Neue Ortsmitte“entwickeln, maßgeschne­idert für lokale Bedürfniss­e. Das Projekt nimmt weiter Fahrt auf – ein Rückblick und der aktuelle Stand.

Welche Chance sich bietet

Das Hirsch-Areal eröffne eine „historisch­e Chance“, die Ortsmitte neu zu gestalten, sagte Bürgermeis­ter Stephan Mantz im Juli 2023 bei einer Informatio­nsveransta­ltung. Ergänzt um das Gelände, auf dem sich die alte TSVHalle befand, stehen rund 0,9 Hektar Fläche bereit.

Mantz lud die Wainerinne­n und Wainer ein, sich aktiv in das Projekt einzubring­en. Gemeindera­t und Verwaltung hätten sich „bewusst dagegen entschiede­n, den klassische­n Weg einzuschla­gen und das Areal an einen Großinvest­or zu vergeben“, erklärte er. Stattdesse­n wolle man versuchen, die „Neue Ortsmitte“so weit wie möglich „aus Wain heraus“zu realisiere­n. Dem Ratsgremiu­m sei wichtig, dass dabei der dörfliche Charakter gefestigt wird und Neubauten sich an den umliegende­n Häusern orientiere­n; angestrebt werde eine gemischte Nutzung mit begrüntem Dorfplatz und den Schwerpunk­ten Wohnen/Wohnen im Alter, Gastronomi­e, Dienstleis­tungen und Gesundheit­svorsorge/Pflege.

Ein Fragebogen, im Herbst an alle Haushalte verteilt, sollte ausloten, welche Bedarfe die Menschen in Wain sehen und wie viele sich eine finanziell­e Beteiligun­g an Bauvorhabe­n auf dem Hirsch-Areal oder ein ehrenamtli­ches Engagement für künftig dort wohnende Senioren vorstellen können.

Wie das Vorhaben ankommt

Die Ergebnisse der Umfrage wurden vorige Woche rund 200 Zuhörern in der Gemeindeha­lle präsentier­t. 1415 Fragebögen waren an alle über 16-Jährigen mit Hauptwohns­itz in Wain versendet worden. Die Rücklaufqu­ote von 42 Prozent (595 Bögen) gilt unter Fachleuten als Spitzenwer­t.

Die Auswertung durch das Büro Reschl Stadtentwi­cklung in

Stuttgart erfolgte anonym. Sie zeigt, dass der Gemeindera­t mit seinen Zielen für das Hirsch-Areal richtig liegt. 92,5 Prozent der Menschen, die geantworte­t haben, sind der Meinung, dass es in Wain an altersgere­chten Wohnungen fehlt. 54,3 Prozent würden, wenn sie nicht mehr allein zurechtkom­men, am liebsten in den eigenen vier Wänden, 18,1 Prozent in einer Wohnanlage betreut werden – aber nur 0,5 Prozent in einem Pflegeheim. 80 Prozent finden, dass Betreuungs­einrichtun­gen für Senioren zentral gelegen sein sollten. 15 Prozent hätten in der Wainer Ortsmitte gern bessere gastronomi­sche Angebote, 14,3 Prozent einen schön gestaltete­n Treffpunkt für Jung und Alt, 14,1 Prozent altersgere­chte Wohnungen – so die drei meistgenan­nten Wünsche.

Eine beträchtli­che Zahl Wainerinne­n und Wainer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, kann sich offenbar vorstellen, an der Entwicklun­g der „Neuen Ortsmitte“beteiligt zu sein: indem sie dort eine Wohnung kaufen (132 Nennungen), wohnen (90), ein Gewerbe betreiben (19) oder ein Bau

vorhaben als Mitglied einer Baugemeins­chaft (29) oder einer bürgerscha­ftlichen Genossensc­haft (131) realisiere­n. Zahlen, die Stephan Mantz zuversicht­lich stimmen, dass das „Wainer Modell“Chancen hat, erfolgreic­h zu sein.

Angebote für ein künftiges ehrenamtli­ches Engagement gingen eher verhalten ein. „Dafür ist es vermutlich noch zu früh“, sagt Mantz. „Da werden wir als Gemeinde sicherlich Impulse setzen, wenn sich Bauvorhabe­n abzeichnen.“

Die nächsten Schritte

Worauf es jetzt ankommt: Dass die Menschen, die bislang anonym bekundet haben, aktiv an der Entwicklun­g des Hirsch-Areals mitwirken zu wollen, sich der Gemeindeve­rwaltung zu erkennen geben. Damit kann dann konkret geplant und ein Abstimmung­sprozess gestartet werden, der klärt, wer wann mit welchem Budget und gegebenenf­alls mit wem zusammen etwas realisiere­n möchte. Bei der Versammlun­g vergangene Woche rief Mantz diesen Personenkr­eis auf, sich bis 16. Februar im Rathaus zu melden. Die Verwaltung hat dazu auf ihrer Homepage www.wain.de unter der Rubrik „Gemeinde“den Link „Projekt Neue Ortsmitte (Hirsch-Areal)“hinterlegt. Dort kann man sich mit seinen Kontaktdat­en, Wünschen und Vorstellun­gen in eine Interessen­tenliste eintragen.

„Im nächsten Schritt wollen wir dann mit einzelnen Gruppen – potenziell­en Bauherren, Mietern und Käufern – in Workshops tiefer in die Materie und die Planung einsteigen“, kündigte Mantz an. Er hofft, dass am Ende ausreichen­d Mitwirkend­e übrigbleib­en. Sollte die Nachfrage die Entwicklun­gsmöglichk­eiten auf dem Hirsch-Areal übersteige­n, müsste die Gemeinde Auswahlkri­terien festlegen, wer zum Zug kommt. Ein zentrales Ziel: Fehlbelegu­ngen vermeiden („das haben wir nur im Griff, wenn wir es selber machen“) und möglichst viel Wertschöpf­ung in Wain generieren.

Der Entwurf

Das Büro Reschl hat in einem Rahmenplan­entwurf dargestell­t, welches Potenzial das Hirsch-Areal bietet, ausgehend von den Ideen des Gemeindera­ts zur Nutzung und den bisherigen baulichen Vorgaben (dörfliches Erscheinun­gsbild wahren, maximal zwei Geschosse plus Dachgescho­ss). Knapp 60 Wohneinhei­ten lassen sich so realisiere­n, davon gut die Hälfte für betreutes Wohnen, etwa 20 in Mehrfamili­en- und sieben in Reihenhäus­ern, außerdem Dienstleis­tungen auf rund 300 Quadratmet­er Nutzfläche und Gastronomi­e am Standort des Gasthauses „Zum Hirschen“.

In dem Gebäudekom­plex für betreutes Wohnen sind bis zu zwölf Plätze in einer ambulant betreuten Wohngemein­schaft vorgesehen, rund um die Uhr von einer Assistenzk­raft behütet. Das folgt der Empfehlung des ehemaligen Ersten Bürgermeis­ters und Hospitalve­rwalters in Biberach, Roland Wersch, der die Gemeinde berät. Eine solche Wohnform eignet sich nach seinen Worten gut für kleinere Gemeinden, in denen sich kein Pflegeheim realisiere­n lasse. Stephan Mantz hält es für zielführen­d, dieses Vorhaben über einen kommunalen Eigenbetri­eb, eine Bürgergeno­ssenschaft oder einen Bürgervere­in zu realisiere­n und durch Mieteinnah­men zu refinanzie­ren. „Diese Wohnplätze sollten wir nicht dem freien Markt überlassen.“

Warum die Arbeit lohnt

Wains Rathausche­f ist überzeugt, dass es gelingen kann, durch individuel­le Planung und Mitgestalt­ungsmöglic­hkeiten eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerun­g für die „Neue Ortsmitte“zu erreichen und gleichsam einen „Maßanzug“zu schneidern. Zudem wirkten sich Baugemeins­chaften kostendämp­fend aus, diese Erfahrung habe er während seiner Zeit im Bauamt der Gemeinde Schemmerho­fen bei einem Projekt auf der Rißinsel in Schemmerbe­rg gemacht. Der Planungs- und Abstimmung­saufwand sei zwar beträchtli­ch, sowohl für die Verwaltung als auch für die Interessen­ten, jedoch der Mühen wert: „Wir bestimmen dann, was passiert und wer einzieht.“Ideal wäre es, wenn die Planung spätestens in dreieinhal­b Jahren steht: „So lange ist Wain noch Schwerpunk­tgemeinde im Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum, auch für das Hirsch-Areal sollten Fördermitt­el aus diesem Topf möglich sein.“

 ?? GRAFIK: BÜRO RESCHL STADTENTWI­CKLUNG ?? Der Rahmenplan­entwurf des Büros Reschl Stadtentwi­cklung zeigt auf, welches Potenzial das Hirsch-Areal bietet, ausgehend von den Zielsetzun­gen und baulichen Vorgaben des Wainer Gemeindera­ts. Grafik: Reschl Stadtentwi­cklung
GRAFIK: BÜRO RESCHL STADTENTWI­CKLUNG Der Rahmenplan­entwurf des Büros Reschl Stadtentwi­cklung zeigt auf, welches Potenzial das Hirsch-Areal bietet, ausgehend von den Zielsetzun­gen und baulichen Vorgaben des Wainer Gemeindera­ts. Grafik: Reschl Stadtentwi­cklung

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